Название | Paganini - Der Teufelsgeiger |
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Автор произведения | Christina Geiselhart |
Жанр | Зарубежная психология |
Серия | |
Издательство | Зарубежная психология |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783708105222 |
Das Testament der im Liebesrausch Verbrannten ermächtigte Margherita zur Universalerbin eines enormen Vermögens und erteilte der Familie Di Negro die Vormundschaft. Bis zu ihrem sechzehnten Lebensjahr sollte Giancarlo ihr Erbe verwalten. Niemand überraschte es, das Ehepaar und den Liebhaber gemeinsam vereint auch im Tode vorzufinden. Emilias Schwester war für ihr ausschweifendes Liebesleben bekannt, dessen Quintessenz es war, zwei Männer zur selben Zeit ins selbe Bett einzuladen.
Anlässlich des Herbstfestes spielte der berühmte Rudolph Kreutzer. Di Negro freilich fieberte danach, Josephine Bonaparte seine große Entdeckung vorzustellen. Und tatsächlich riss Josephine die Augen auf. Zunächst vor Schreck. Niccolò war von der Krankheit gezeichnet. Er wirkte abgezehrt, hatte Ringe unter den Augen und eingefallene Wangen. In seinem Blick jedoch funkelte ein geheimnisvolles Feuer, von dem sich Josephine bezaubern ließ.
Weihnachten feierte Niccolò im Kreis seiner Familie. Paola war innerhalb eines Jahres sehr gewachsen. Sie hatte ein rosiges Gesicht, volle Wangen und die gleichen dunklen Haare wie Niccolò. Der vier Jahre ältere Bruder Carlo überragte den jüngeren um einen Kopf. Auch Carlos Brust konnte sich sehen lassen, seine Schultern waren breit, sein Gesicht rund wie das der Mutter. Er war nicht neidisch auf den Bruder, obwohl auch er gerne Geige spielte. Er neidete ihm weder seine rasche Auffassungsgabe noch sein feines Ohr. Er neidet ihm nichts weiter als den zärtlichen Blick der Mutter. Teresas Gesicht leuchtete vor Stolz und Freudentränen glänzten in ihren Augen, sobald sie Niccolò in die Arme schloss.
Indessen rebellierte im Hinterland eine Allianz aus Adel, Kirche und Bauern gegen die Besetzer, während die Novatori für Napoleon mobilmachten. Auf den Wegen zur Stadt oder unter den Brücken verbluteten Franzosen, Novatori und Bauern. Hin und wieder lag ein Mönch dazwischen, von einer Hacke erschlagen oder einer Gabel durchbohrt.
Was die Mönche betraf, hatte Antonio kein Mitleid. Sie waren ihm oft in den Straßen von Genua begegnet und entsetzten ihn durch ihr abstoßendes Äußeres. Manchmal blieb er wie vom Donner gerührt stehen und grübelte darüber nach, warum gerade Gottesdiener so niederträchtig aussahen. „Heißt es nicht, Gesichter und Augen spiegeln Seele und Charakter wider? Wenn es so ist, müssen Leute dieses Standes zwangsläufig verschlagen, stumpfsinnig und träge sein“, resümierte Antonio.
Die Unruhe im Land hinderte ihn nicht daran, seinen Sohn in die feinsten Salons zu schicken. Und so gab Niccolò das gesamte Frühjahr über Privatkonzerte, die Marchese Di Negro organisierte. Er lernte sämtliche Palazzi Genuas kennen, unter anderem den Palazzo Spinola, wo er an kunstvoll geschnitzten Edelholztischen saß, von hübsch verzierten Tellern aß, aus funkelnden Kristallgläsern trank und eine beeindruckende Portraitsammlung des Malers Van Dyck bewundern durfte. Niccolò verspürte großen Respekt beim Anblick der Werke bedeutender Künstler, lieber jedoch schweifte sein Auge in die Ferne oder versank in sich selbst. Darum bevorzugte er von allen Palästen den Palazzo des Marchese. Bevor er spielte oder manchmal auch später, wenn er sich ungesehen davonschleichen konnte, verweilte er im großen Salon des oberen Stockes, öffnete eines der hohen Fenster und blickte in die Weite hinaus. Vor ihm ausgebreitet lag die Stadt, in der er den ersten Atemzug getan hatte. Ein Wirrwarr von Kirchen, Klöstern, mächtigen oder bescheidenen Häusern, geduckten und schiefen Gebäuden. Dort ein einsamer Klostervorbau, von dessen Dach ein eisernes Kreuz in den hellen Himmel ragte, links der Monte Faccio, bei sonnigem Wetter ein glitzernder Diamant, an rauen, stürmischen Tagen ein drohendes Ungeheuer. Waren seine Augen dann vom Anblick gesättigt, nahm er einen tiefen Atemzug und ging zu den Gästen zurück. Niemand wusste, wo er gewesen war, und niemand erfuhr je, was er dachte, wenn sein Blick in eine Landschaft oder ein Gemälde tauchte. Niemand außer einer Person. Sie ließ ihn nie aus den Augen.
11
Wenn es noch hell ist, sehe ich, wie das unendliche Meer, die Küstenlinie, die am Leuchtturm beginnt, allmählich dünner wird, bald wie ein Faden ist, dann meinen Augen entgleitet. Es ist die schöne Straße nach Nizza. Später, in der Dunkelheit, die plötzlich hereinbricht, ohne den sanften Übergang der Dämmerung, flammen in dieser schönen Straße einzelne Lichter auf und die hohe, sich drehende Lanterna draußen am Meer wirft ihr Licht in unsere Richtung, bestrahlt jäh Di Negros Palast, als dränge der Mond kurz durch eine düstere Wolkenschicht, um gleich wieder zu verschwinden und uns in der Finsternis zurückzulassen. Es ist erschreckend. Es ist seltsam. Ich liebe diesen Anblick, im Gegensatz zu vielen Genuesern, die das Licht von La Lanterna bei Nacht meiden. Sie fürchten, von ihm angestrahlt zu werden, bedeute, verhext zu werden.
Der Urturm von La Lanterna ist fast sechshundert Jahre alt. Da ihn aber der französische König Louis XII. bei seinem Eroberungszug bis zur Hälfte zerstört hatte, musste er neu errichtet werden. Das war vor dreihundert Jahren. Seitdem hat La Laterna ihr Aussehen nicht mehr geändert.
Nizza zieht mich magisch an. Mein Vater hat mir eine Schiffsfahrt nach Nizza versprochen, aber das Chaos in Genua wird uns vermutlich abhalten.
Ich spiele das Frühjahr über vor Genueser Adel. Frauen in weißen Schleiern und Galakleidern, Männer in feinen Anzügen und glänzenden Hüten wenden mir ihre erregten Gesichter zu. Atemlose Aufmerksamkeit, verträumte Augen, dröhnendes Klatschen, ungläubige Fratzen, offene Münder, nasse Küsse auf die Wangen. Sie wollen mich erdrücken. Ich habe ihre Herzen aufgewühlt, ihre Sinne entfesselt. Sie wollen mich auffressen. Und ich flüchte, in den Garten, dort wo die Kamelien blühen, und tauche hinein, starre nur noch auf ein Galakleid. Jenes am Himmel, das prächtigste, gewebt aus goldenem, rotem und gelbem Licht. Das Kleid der untergehenden Sonne.
Ein Aufstand im Mai fesselt mich ans Haus. Es heißt, alle Sträflinge wären befreit worden und Napoleon errichte die Ligurische Republik, damit endlich Ruhe einkehre. Ich komponiere und kümmere mich wenig um Napoleon. Befreier oder Unterdrücker? Es fehlt mir die Zeit, darüber nachzudenken. Seine Frau ist mir in jedem Fall lieber. Auch in ihr stecken Besessenheit und Ehrgeiz, aber sie geht nicht über Leichen. Josephine ist mir ähnlich.
Während die Armee des kleinen, ehrgeizigen Korsen Lucca besetzt, stirbt mein Großvater Giovanni. Ich hatte ihn in letzter Zeit so wenig gesehen, dass ich ihn fast vergessen habe. Nun werde ich ihn nie mehr sehen, doch vergessen werde ich nicht.
Wir hören von Rudolph Kreutzers Auftritt in Livorno und bereiten meine nächste Konzertreise vor. Mama hat mich gut aufgepäppelt, ich wiege etwas mehr, mein Gesicht ist runder. Nicht so rund wie das von Paola, aber das würde mir auch nicht gefallen. Bevor es losgeht, ziehen wir nach San Biagio im Polcevera-Tal. Unser neues Haus ist weit vom Zentrum und vom nächsten Dorf entfernt und hat bei klarem Wetter eine wunderschöne Aussicht auf die Umgebung. Vater und ich sehen davon nicht viel, weil der Herbst Nebel und Regen bringt und weil ihm nicht der Sinn danach steht, durch die großen Fenster die Landschaft zu betrachten. Vor allem Vater ist schlecht gelaunt. Schuld daran sind wieder die Franzosen. Vater sagt, wir müssen sie ernähren wie kleine Kinder, dabei werden sie immer frecher, ebenso wie Kinder, die man nicht züchtigen darf. Sie wollen von Gott nichts wissen, aber interessieren sich brennend für die Gemälde, die goldenen Leuchter, Becher, Vasen und Altäre unserer Kirchen. Selbst Giorgio und seine Genossen hätten erkannt, mit welch gespaltener Zunge der französische General vorgehe. Einst waren sie Anhänger des radikalen Filippo Buonarotti, der in Mailand noch für Napoleon auf die Straße ging, dann aber gegen ihn operierte, da der französische General durch den Friedensvertrag mit Österreich die italienischen Patrioten verraten hatte. Mittlerweile stellte sich heraus, dass uns Napoleon nicht nur besetzt, weil er Ländereien, Herzog- und Fürstentümer für seine Brüder und Schwestern braucht – wie Vater sagt –, sondern weil er gegen die Österreicher Krieg führen muss, denen halb Norditalien