Название | Die Status Quo Autobiografie |
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Автор произведения | Francis Rossi |
Жанр | Изобразительное искусство, фотография |
Серия | |
Издательство | Изобразительное искусство, фотография |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783854453666 |
Meine Eltern waren beide Katholiken, und so natürlich auch ich – Heilige Kommunion, Firmung, zur Beichte gehen, das volle Programm. Bei der ersten Heiligen Kommunion waren Jungs und Mädchen getrennt, doch aus irgendeinem Grund konnte ich nicht teilnehmen, ich war wohl erkältet, und so hatte ich stattdessen meinen großen Tag zusammen mit den Mädchen aus der örtlichen Klosterschule. Es war großartig! Wir gingen regelmäßig jeden Sonntag zur Messe in die Our Lady and St. Philip Neri -Kirche in Forest Hill. Die Leute, die ich im Musik-Business treffe, gucken manchmal ein bisschen komisch, wenn ich so etwas erzähle, und ich verstehe auch warum, aber als Kind war das für mich natürlich überhaupt nicht komisch. Ich hatte ja nie etwas anderes kennen gelernt. Für mich war das alles total normal und gehörte zum Leben wie das tägliche Frühstück.
Ein bisschen ins Schleudern kam ich mit meinem Katholizismus, als die Band in den Siebzigern erste Erfolge feierte. Ich war immer unterwegs auf Tour und hatte jeden erdenklichen Grund, um von der Kirche fernzubleiben. Aber ich habe das alles nie ganz überwunden – und auch nicht dieses Schuldgefühl, das du in den verschiedensten und verrücktesten Formen eingeimpft bekamst. In meinen Dreißigern bin ich wieder brav zur Messe gegangen. Ich besuchte regelmäßig den Sonntagsgottesdienst in meiner Kirche in Purley, John The Baptist, bis ich fast 50 war. Es ging sogar so weit, dass ich meine eigenen Kinder firmen ließ – die armen Tröpfe! Nur weil ich vor einigen Jahren mal ein sehr interessantes Buch mit dem Titel Conversations with God in die Hand bekam, habe ich es schließlich geschafft, die Sache mit dem Katholizismus etwas gelassener zu sehen. Doch darauf kommen wir später noch.
Meine Mutter war in England geboren, aber ihre Familie gehörte zu den Millionen von Iren, die vor und nach dem Krieg nach Liverpool eingewandert waren. Die Familie wohnte in Crosby. Und gewöhnlich fuhren wir dorthin, um Urlaub zu machen. Ich kann nicht sagen, dass ich es sehr mochte. Von London nach Liverpool zu kommen, war ungefähr so, als würde man heute nach Amerika reisen. Es gab keine Autobahn und keine direkten Zugverbindungen. Es dauerte einen ganzen Tag, bis man am Ziel war. Deshalb haben wir diese Reise auch nicht allzu oft gemacht – Gott sei Dank. Ich erinnere mich vor allem noch daran, dass es in Crosby nur Gaslampen gab und deshalb alles ziemlich düster war. Mein Vater ging gewöhnlich in einem nahegelegenen Kanal in Birkenhead schwimmen. Bis wir eines Tages herausfanden, dass es ein Zulaufkanal der örtlichen Kläranlage war. Man schwamm quasi in seiner eigenen Scheiße.
Die meiste Zeit blieben wir aber zu Hause in Süd-London. Meine Eltern gingen nicht viel aus, da sie immer arbeiteten. Jegliches geselliges Beisammensein fand in der Regel bei uns zu Hause statt. Mein Vater war kein großer Trinker, aber die Leute hielten ihn oft für betrunken, weil er ein echter Party-Typ war. Er sorgte stets für Stimmung, war nie deprimiert und hatte immer einen Witz auf Lager. Er war eben ein echter Spaßvogel, aber auch ein phantastischer Koch. Viele Jahre später erzählte er mir einmal, wie er meine Mutter dazu brachte, dass sie Seidenstrümpfe und Strapse anzog und sich die Titten mit Lippenstift anmalte. Der Mann war eben Italiener, es lag in seinen Genen. Er war aber trotzdem ein wunderbarer Familienvater und hatte diesen speziellen italienisch angehauchten Cockney-Akzent; wenn er sich geärgert hatte, schimpfte er immer: „Arseholes!“ Aber die Art, wie er es aussprach, wie er sich in seinem Italienisch-Cockney das Wort aus dem Mund wrang, brachte es mit sich, dass es sich eher lustig als bedrohlich anhörte. Vor einigen Jahren ist er gestorben und manchmal ertappe ich mich dabei, wie ich ihn nachahme, durchs Haus laufe und zu allem, was mir in die Quere kommt, „Arseholes!“ sage, in diesem lustigen Tonfall.
Aus ein paar ziemlich verwickelten Gründen nannten wir meine Großmutter väterlicherseits Mummy. Selbst Leute, die streng genommen gar nicht zur Familie gehörten, doch irgendwie zu einem Teil der Familie geworden waren, indem sie für sie arbeiteten, nannten unsere Großmutter Mummy. Sie stammte ursprünglich von einer kleinen italienischen Insel namens Atina und war eine Coppola – dieser Name ist offenbar schon ein Gütesiegel an sich. Mein Großvater, den wir Pop nannten, war dagegen eher normal. Und so blieb auch mein Vater, obwohl er in London das Licht der Welt erblickt hatte, auf seine Art immer der typische Italiener. Familie und Business waren unabdingbar miteinander verlinkt. Einem Teil der Familie schien damals halb Deptford zu gehören, dank des Geschäfts mit dem Eis. Außer den Eiswagen gab es noch den Laden am Catford Broadway, Rossis Ice-Cream. Er ist noch heute in Familienbesitz, wurde aber an ein Wettbüro verpachtet.
Ich erinnere mich noch an die Beerdigungen, wenn einer meiner Onkel starb und seine Brüder anschließend über die neue Streckeneinteilung der Eiswagen sprachen, so nach dem Motto, diese Straße gehört jetzt jenem und jene Straße einem anderen. Der Onkel war noch keine fünf Minuten unter der Erde, da teilten sie schon sein Geschäft untereinander auf.
Aus diesem Grund nehmen viele an, ich käme aus einem ziemlich begüterten Elternhaus. Ich kann mich zwar nicht daran erinnern, jemals arm gewesen zu sein, aber es gab dennoch Zeiten, in denen das Geld auch mal knapp war. Wir waren schließlich eine riesige Familie, und es gab viele Münder zu stopfen. Müßiggang konnte sich keiner erlauben. Meine Eltern besaßen ein eigenes Haus, und das war damals schon etwas Besonderes. Das ist es auch heute noch, aber damals zeigte es, wer etwas besaß und wer nicht. Obwohl wir also nicht reich waren, stammte ich auch nicht von einer Familie ab, die arm war.
Was auch immer meine Familie besaß, es war hart erarbeitet, so viel ist sicher. Meine Mutter und mein Vater waren den ganzen Tag mit dem Eiswagen unterwegs. Am Abend wandelten sie ihn in einen fahrenden Fish-and-Chip-Imbiss um und drehten erneut die Runde. Es waren schwierige Zeiten nach dem Krieg. Dennoch schien es immer noch eine Menge Leute zu geben, die es irgendwie schafften, ein paar Groschen für Eis und Chips aufzubringen. Es war, als würden sie sich damit ein ganz besonderes Vergnügen leisten – inmitten all der traurigen Schicksale und all des Trübsinns. Jeden Morgen um sechs Uhr fuhr mein Vater zum Beladen des Wagens zu meiner Großmutter rüber. Ein paar Stunden später kam er wieder nach Hause und frühstückte zusammen mit meiner Mutter. Dann machten sie sich gemeinsam mit dem Eiswagen auf den Weg. Ungefähr um sechs Uhr abends liefen sie wieder zu Hause ein und meine Mutter kochte gewöhnlich etwas für uns alle. Anschließend fuhren meine Eltern noch einmal los und drehten die Runde mit dem Fish-and-Chips-Imbiss-Wagen. Wenn sie nach Hause kamen, lag ich immer schon im Bett. Sie hatten einen langen Tag, aber so waren sie eben – sehr geschäftstüchtig. Man kann das bei vielen Immigranten-Gruppen beobachten.
Eigentlich gehörte das Eisgeschäft Mummy. Pop war Fußbodenleger von Beruf gewesen, und mein Vater hatte das ursprünglich auch gelernt. Doch es nahm ein schlimmes Ende, als er einen Unfall hatte, bei dem er beinahe seine Hand verlor. Sie waren wegen einer Auftragsarbeit irgendwo im Norden unterwegs gewesen. Pop war in London geblieben und arbeitete auf einer anderen Baustelle. Daher hatte er Dad und dessen jüngeren Bruder Albert – oder Chas, wie er immer genannt wurde – alleine losgeschickt. Unglücklicherweise ließ mein Dad Chas ans Steuer, damit dieser etwas Fahrpraxis bekam. Alles woran er sich dann noch erinnern konnte, war, wie das Auto eine Kreuzung passiert hatte und dabei mit einem Bus kollidiert war. Mein Vater, der auf dem Rücksitz saß, flog durch die Windschutzscheibe, und der Bus fuhr ihm über die Hand und zerquetschte sie. Sie mussten die einzelnen Fingerteile von der Straße aufsammeln. Anschließend wurde er fast 40 Mal auf die unterschiedlichste Art und Weise an der Hand operiert, weil man versuchte, sie zu retten. Die Chirurgie befand sich damals noch in der Pionierphase, und als ich ihn einmal im Krankenhaus besuchte, konnte ich meinen Augen schier nicht trauen – sie hatten ihm die Hand am Magen festgenäht, damit sie besser heilen konnte. Einige Zeit musste er dann mit einem großen Beutel am Bauch leben. Er sah aus wie ein Känguru. Sie versuchten alles Mögliche, am Ende musste er aber mit diesem schrecklich aussehenden Ding klarkommen. Ich war damals fünf und nahm das alles so hin, wie es Kinder nun einmal hinnehmen. Er gewöhnte sich auch relativ schnell daran und machte nie viel Aufhebens um diese Hand. Bis ich dann Jahre später einmal bemerkte, wie er sich auf einmal dafür schämte. Irgendjemand hatte wohl etwas Unschönes gesagt oder irgendetwas war passiert, weswegen er jetzt alles anders empfand. Was komisch war nach so vielen Jahren. Als wir Kinder waren, zeigte er uns die Hand immer stolz, aber