Название | Coltrane |
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Автор произведения | Ben Ratliff |
Жанр | Изобразительное искусство, фотография |
Серия | Hannibal-Jazz |
Издательство | Изобразительное искусство, фотография |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783854456384 |
Diese Aufgabe übernimmt Coltrane am Altsaxofon, der das einzige Solo spielt – ein hässliches, quietschendes, schlingerndes Ding. Vielleicht war das den Melody Masters aber ganz egal, denn Coltrane kannte schließlich Bird.
Einige Jazzmusiker haben mit neunzehn längst ihren Weg gefunden – Charlie Christian zum Beispiel, oder Johnny Griffin, Art Pepper, Clifford Brown, Sarah Vaughan. Nicht so John Coltrane. Er begann mit dreizehn zu spielen und lernte als Mitglied der Schulband in High Point zunächst Althorn und Klarinette. Mit vierzehn wechselte er zum Altsaxofon. Sein erstes eigenes Instrument war ein Altsaxofon, das ihm seine Mutter gekauft hatte, als die Familie nach Philadelphia zog. Er war damals sechzehn und ein glühender Verehrer von Johnny Hodges. An der Ornstein School of Music nahm er ein Jahr lang Unterricht in Theorie. Mit achtzehn begann er, in den Clubs von Philadelphia zu spielen, wo er mit Big Bands bei Tanzveranstaltungen oder mit einem Trio in Nachtclubs auftrat. Laut seinen Freunden und einigen der Bandleader, mit denen er zusammenarbeitete, war er ein vollkommen unauffälliger Musiker.
Am 5. Juni 1945 erlebte er Charlie Parker in Dizzy Gillespies Band zum ersten Mal auf der Bühne. Unter den Zuschauern waren auch seine Freunde Jimmy Heath und Benny Golson. Golson erinnerte sich: „John saß nur still da und ließ alles auf sich wirken. Im ganzen Saal standen die Leute auf, klatschten in die Hände und stampften mit den Füßen. Man muss sich vorstellen, wie das für einen Saxofonisten sein muss, wenn man diese Musik noch nie zuvor gehört hat.“ Nach dem Nachmittagskonzert begleiteten Coltrane und Golson ihren Helden zum Blue Note Club, wo Parker abends noch einen Auftritt hatte. Golson fragte, ob er Birds Saxofonkoffer tragen dürfe. Die drei gingen nebeneinander her: Golson rechts, Coltrane links, Bird in der Mitte. Golson, der gern und viel redete, fragte Bird, was für ein Instrument er spiele, was für ein Mundstück, welche Rohrblattstärke. Es war ein Anblick vollkommener Verehrung. Golson war das nicht peinlich, aber Coltrane offensichtlich schon. 1947 traf er Bird in Los Angeles wieder, als dieser gerade auf Tournee mit King Kolax war. Er erinnerte ihn nicht daran, dass sie sich in Philadelphia schon einmal begegnet waren.
Auf der Aufnahme von „Hot House“ in Oahu, die ein Jahr nach der Begegnung in Philadelphia entstand, beginnt Coltrane sein Solo damit, dass er die Melodie aus dem Mittelteil von „Night In Tunisia“ anklingen lässt, der beliebtesten Bebop-Platte des Jahrs 1945. Coltrane mag dabei noch die „Tunisia“-Version von Dizzie Gillespies Septett im Ohr gehabt haben, die man am 22. Februar 1946 für Victor eingespielt hatte. Vielleicht hatte er aber auch schon die bei Dial erschienene Version des Charlie-Parker-Septetts vom 28. März 1946 gehört.
Selbstverständlich können Musiker, die sich innerhalb der gebräuchlichen zweiunddreißigtaktigen Songstruktur bewegen, es hinkriegen, ein Solo mit einem Zitat aus einem Mittelteil beginnen. Das ist nicht unmöglich. Es ist nur sehr verzwickt. Der Beginn des Solos markiert den Anfang einer Reise, wohingegen der Mittelteil eben die Mitte darstellt – in der zweiunddreißigtaktigen Songstruktur ist das jener Teil, der auf den Hauptteil und dessen Wiederholung folgt und nun einen Kontrast zu diesem schafft. Coltrane spielt zu den Akkorden keine unpassenden Töne, doch die achttaktige Melodie des Mittelteils bringt ihn automatisch zu einem psychologischen Endpunkt, obwohl er immer noch vierundzwanzig Takte zu füllen hat. Er muss nun irgend etwas Neues aus dem Ärmel schütteln, mit dem er weitermachen kann. Es verwundert daher kaum, dass die zweiten acht Takte des zweiunddreißigtaktigen Solos zur Katastrophe werden. Im eigentlichen Mittelteil, also von Takt 17 bis 24, hat er sogar noch größere Schwierigkeiten. Erst in den letzten acht Takten gelingt es ihm mit Hilfe einer Charlie-Parker-Figur, einem kleinen Wirbelwind aus Sechzehnteln, wieder einigermaßen Fuß zu fassen. Zum Ruhmesblatt gerät das Solo jedoch nicht mehr.
Nach seiner Entlassung aus der Armee im August 1946 zog Coltrane zurück nach Philadelphia und tat das, was damals jeder Saxofonist tat, der etwas auf sich hielt: Er versuchte, den Stil von Charlie Parker zu studieren, des ungekrönten Königs der Solisten.
Zu dieser Zeit, als die Big Bands und die großen Tanzveranstaltungen langsam zu verschwinden begannen und kleinere Gruppen in den Vorder-grund rückten, waren gute Solisten sehr gefragt. Musiker wie Lester Young und natürlich Charlie Parker hatten einen wahren Solokult begründet. Für Parkers Gefolge wurde das Solo schließlich zur Königsdisziplin, die alles andere in den Schatten stellte. Selbst Parkers schlechteste Sololeistungen wurden zum Fetisch gemacht. Frühe Abhandlungen über Jazzsoli tauchten zwar in den Dreißigerjahren auf, doch die hagiographische Annäherung an das Jazzsolo begann eigentlich erst mit Elliot Grennard, einem Billboard-Autor, der Charlie Parkers berüchtigte Aufnahmesession im Juli 1946 miterlebte. Das war, als Parker gerade auf Heroinentzug war und ständig unter Muskelkrämpfen litt, die seinen Ton schlecht und ungenau machten, vor allem bei „Lover Man“. Grennard verfasste für die Zeitschrift Harper’s einen zur Kurzgeschichte ausgeschmückten Artikel über die „Lover Man“-Sessions mit dem Titel „Sparrow’s Last Jump“ (des Spatzen letzter Hüpfer). Er wurde 1948 veröffentlicht und mit einem O. Henry-Preis für Kurzprosa ausgezeichnet. Seitdem haben sich immer wieder morbide Bewunderer von „Lover Man“ gefunden. Ross Russells Buch Bird lebt! (Hannibal, 1985) – Russell war der Produzent, dessen Dial-Label die „Lover Man“-Sessions finanzierte
– faszinierte Dean Benedetti, einen Parker-Fan, so sehr, dass er mit einem tragbaren Tonbandgerät Clubkonzerte besuchte und ausschließlich Parkers Soli aufnahm und nichts von alledem, was zuvor oder danach passierte.
In Philadelphia spielte Coltrane unter anderem mit dem Pianisten Ray Bryant. Daneben ging er mit einer von Joe Webb geleiteten Band, der auch die Bluessängerin Big Maybelle angehörte, auf eine kurze Tournee. Von seinem Sold, den er beim Verlassen der Army bekam, finanzierte er an der Granoff School, einer örtlichen Musikschule, Unterricht, vor allem bei Dennis Sandole.
Sandole, der 2000 im Alter von siebenundachtzig Jahren starb, war ein ehemaliger Swinggitarrist, der seine eigene Musik irgendwann hintanstellte und hauptsächlich unterrichtete. Er konzentrierte sich dabei ganz auf Skalen, was bald auch Coltrane tat. Er verwendete recht exotische Skalen und entwarf auch eigene, doch alles in allem schnitt er seine Stunden auf den jeweiligen Schüler zu.
Coltrane arbeitete hart und legte sämtliche anderen Interessen ab. „Ich übte immer viel mit Trane“, sagte sein Freund Jimmy Heath, der damals selbst noch Altsaxofon spielte, bevor er sich auf dem Tenorsax einen Namen machte. Alle nannten ihn Jimmy. Coltrane nannte ihn Jim. Kein anderer tat das. „Er hatte oft nur seine Unterhosen an, weil es in diesen überhitzten Mietskasernen keine Klimaanlage gab. Er lebte bei seiner Mutter. Er übte und schwitzte, oh Mann. Er übte den ganzen Tag. Niemand, den ich damals kannte, übte so viel. Er übte all diese Sachen, die er schließlich perfektionierte: Melodien, harmonische Konzepte, die wir gemeinsam erlernten, Sachen, die wir für uns transkribiert hatten.“
Heath erinnert sich außerdem daran, dass Coltrane einmal so viel übte, dass sein Mundstück rot von Blut war.
Coltrane wohnte nicht weit entfernt vom Woodbine Club an der Straßenecke Zwölfte und Master im Norden von Philadelphia, einem bis spät in die Nacht geöffneten Schuppen, wo es regelmäßig zu Jamsessions kam. Unter den Musikern waren die Saxofonisten Heath, Jimmy Oliver und Bill Barron, der Trompeter Johnny Coles und Coltrane. Er arbeitete meistens im selben Stadtteil entlang der Columbia Avenue (die heute Cecil B. Moore Avenue heißt), wo es beinahe an jeder Ecke einen Club gab.
Heath hatte eine Transkription von Charlie Parkers Solo in „Don’t Blame Me“ ergattert. Die Transkription hatte Howard Johnson besorgt, der Pianist von Dizzy Gillespies Band. Sie lernten aus Quellen wie dieser und nutzten die Stadtbibliothek von Philadelphia, um sich klassische Musik anzuhören und so „harmonische Möglichkeiten“ auszuloten, wie Heath sagt. „Wir wussten, dass Bird die Noten der Feuervogel-Suite mit sich herum trug.“ Sie spielten Strawinskys Komposition aber nicht eins zu eins: „Wir zogen die Kadenzen heraus“, erinnerte er sich, „und krempelten sie um, damit sie in unseren eigenen Groove passten.“
Ein paar Jahre später erwähnte Heath einen Wurf, den Willie Mays am Tag zuvor in einem Baseballspiel gemacht hatte. Coltrane fragte: „Wer ist Willie