Paul McCartney - Die Biografie. Peter Ames Carlin

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Название Paul McCartney - Die Biografie
Автор произведения Peter Ames Carlin
Жанр Изобразительное искусство, фотография
Серия
Издательство Изобразительное искусство, фотография
Год выпуска 0
isbn 9783854456315



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konnte er sich nur noch daran erinnern, dass „Ramrod“ dabei gewesen war). Die Band diskutierte noch über sein Spiel, als Williams im Club erschien. „Das ist Pete, unser neuer Schlagzeuger“70, verkündeten sie prompt.

      Damit war das Problem gelöst. Aber Paul hatte noch eine wesentlich größere Hürde vor sich: Er musste Jim McCartney die Zustimmung abringen, dass sein Ältester ins Ausland ging und vor allem seine Ausbildung aufgab, um in Deutschland seine Musikerkarriere voranzutreiben. Wie zu erwarten war, dachte Paul schon vorher gründlich über diese Aufgabe nach und kam zu dem Schluss, dass es leichter sein würde, wenn er nicht allein versuchte, den alten Herrn zu überzeugen. Klugerweise machte er sich also daran, seinen Bruder Michael für diese Aufgabe einzuspannen.

      „Ich habe eine tolle Nachricht bekommen“71, strahlte Paul also, als er mit seinem Bruder zusammen im Bus der Linie 86 aus dem Stadtzentrum nach Hause fuhr. „Aber ich weiß nicht, ob ich es dir erzählen kann.“ Mike sprang beinahe von seinem Sitz, als sein großer Bruder ihm das Geheimnis anvertraute: ein einmonatiges Engagement in Deutschland, viel Geld und vielleicht die Chance, berühmt zu werden – und zwar so richtig berühmt.

      „Ich kann dir dann natürlich auch alles Mögliche kaufen, aber es gibt noch ein Problem … Dad.“

      Glücklicherweise fiel Mike schnell genau die Lösung ein, auf die Paul zweifelsohne hingearbeitet hatte: Sie können versuchen, den Vater gemeinsam umzustimmen. Aber Jim war nicht so schnell zu überzeugen. Wollte Paul nicht demnächst mit dem Studium anfangen? Hatte er nicht sein ganzes Leben lang darauf hingearbeitet, aus der Arbeiterklasse aufzusteigen und etwas Besseres zu werden? Nein, dass er nach Deutschland ging, kam nicht infrage. Paul, der erkannte, dass er nun stärkere Geschütze auffahren musste, holte Allan Williams dazu, der Jim einen Besuch abstattete und bei einem Gespräch von Mann zu Mann erklärte, welche Möglichkeiten sich dem doch schon ganz erwachsen wirkenden Sohn in Deutschland boten – ein langfristiges Engagement und beinahe zwanzig Pfund die Woche, die er mit nach Hause nehmen konnte. Und das war, wie Jim sehr wohl wusste, mehr, als er selbst an der Baumwollbörse verdiente. Dieser Umstand – und die Tatsache, dass er einst selbst einmal den Traum gehegt hatte, ins Showbiz zu gehen – ließen Jim schließlich doch nachgeben. Nachdem sein Vater ihm die Erlaubnis gegeben hatte, schrieb Paul einen Brief ans Liverpool Institute und erklärte dem Direktor, dass er nicht wieder an die Schule zurückkehren werde, wobei er gleich darauf hinwies, wie hoch die Gage bei seinem ersten Engagement ausfiel. „Es war einer dieser ‚und das ist mehr, als Sie verdienen‘-Briefe“72, gab er später zu. So oder so, der Direktor sorgte dafür, dass der Abgang des Schülers McCartney im handgeschriebenen Hauptbuch der Schule vermerkt wurde. Alter für Schulabschluss erreicht, trug dort jemand ein und hielt damit fest, dass J.P. McCartney der gesetzlichen Verpflichtung zur eigenen Bildung nachgekommen war. In derselben Handschrift war eine kleine Erklärung daneben gequetscht: Arbeitet in Hamburg.

      Zuerst machte es den Eindruck, als sei die ganze Sache eine echte Katastrophe. Die Fahrt nach Hamburg verbrachten sie zusammengequetscht in einem kleinen Transporter, zusammen mit Allan Williams, dessen Frau Beryl und einem etwas zwielichtigen Geschäftspartner, dessen Aufgabe wohl vor allem darin bestand, Frauen für Williams aufzureißen, und der sich Lord Woodbine nennen ließ. Erst, als sie die deutsche Grenze überquerten, wurde den jungen Briten klar, dass sie vielleicht eine offizielle Arbeitserlaubnis brauchen würden, die ihnen jedoch niemand besorgt hatte. Sie taten so, als seien sie Studenten auf Urlaubsreise, und fuhren weiter, bis sie schließlich in Hamburg im Stadtteil St. Pauli ankamen und in Reeperbahnnähe die Adresse aufsuchten, die Koschmider ihnen genannt hatte. Einen winzigen, auf indisch gemachten Club mit dem originellen Namen Indra. Den erkennt ihr an dem großen Neon-Elefanten draußen. Das Innere des Clubs war deprimierend: Schwere rote Samtportieren dämpften den Sound, und an dem halben Dutzend bierbefleckter Tische saß kein Mensch. Die Unterkunft der Band, die Koschmider ebenfalls organisiert hatte, war ein fensterloser Lagerraum hinter der Leinwand eines drittklassigen Kinos namens Bambi: Etagenbetten, roh verputzte Wände und das durchdringende Odeur eines schlecht gereinigten Damenklos direkt nebenan.

      Als sie an ihrem ersten Abend im Indra auf der kleinen, zusammengezimmerten Bühne standen – alle außer Pete adrett in schwarzen Hosen und weißen Hemden sowie lila Sakkos –, spielten sie vor einem leeren Club. Sie mussten schließlich mit ihren Gitarren hinaus auf die Straße, um Passanten anzulocken. „Wir machten es wie Marktschreier“73, erinnerte sich Paul. „Wir schnappten uns zwei Leute und spielten alles, was sie wollten, spulten unser ganzes Repertoire ab … rissen Witze, versuchten, so richtig umwerfend zu sein, damit sie auf jeden Fall wiederkamen.“

      Koschmider, der sich seine neuesten Abendunterhalter von den hinteren Plätzen aus ansah, hielt sie für hoffnungslos. Die Musik mochte ja ganz in Ordnung sein. Aber wieso gaben sie sich so ruhig und bescheiden? Wieso standen sie da nur so rum, wo doch Rock ’n’ Roll etwas so Aufregendes sein sollte?

      Macht Schau!, schrie er sie an. Zeigt mal was! Bewegt euch zur Musik! Tut so, als hättet ihr Spaß! Und sie taten, was er sagte. Nicht mit den coolen, sorgsam einstudierten Schritten, die Cliff Richard und die Shadows so beliebt gemacht hatten – wer hätte schon die Zeit gehabt, so etwas zu lernen? –, aber mit einer wilden Leidenschaft, die sich immer weiter steigerte, je später es wurde und je mehr Biergläser sich zu ihren Füßen aufreihten. John sprang wild zum Beat hin und her. Paul schlenkerte mit seiner Gitarre herum, riss den Hals des Instruments hoch und herunter, und selbst Stu tanzte etwas unbehaglich mit seinem Bass herum, mit unergründlichem Gesichtsausdruck, während sich die Scheinwerfer auf der dunklen Sonnenbrille spiegelten, die er immer trug. Der Rhythmus ließ sie immer unbeherrschter tanzen, und je wilder sie herumsprangen, desto lauter wurden sie, und desto schneller wurde auch der Beat.

      Als sich die Nachbarn über den Lärm im Indra beschwerten, beschloss Koschmider, dort lieber wieder die ruhigeren Stripperinnen arbeiten zu lassen, während er die Beatles nun ebenfalls im Kaiserkeller auftreten ließ, im Wechsel mit Derry And The Seniors, sodass die Bands von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang ein Set an das andere reihten. Unter diesen Umständen – vor einem besseren Publikum, auf einer größeren Bühne und in direkter, wenn auch freundlicher Konkurrenz mit einer anderen Band aus Liverpool – drehten die Beatles noch mehr auf. Dazu trug auch die aufmunternde Wirkung der Diätpillen bei, die gerade in der Kombination mit ein paar Bier eine erstaunliche Wirkung entfalteten. Die Beatles verwandelten die Bühne des Kaiserkellers in einen neonbeleuchteten Hexenkessel. Dabei schluckten sie die Pillen nicht alle mit derselben Begeisterung wie John (der stets vorsichtige Paul nahm sie zu Anfang fast gar nicht), aber sie alle tranken literweise Bier, und die kombinierte Wirkung der verschiedenen Stimulanzien katapultierte sie zusammen mit der wilden Energie der nächtlichen Sessions in eine völlig neue Umlaufbahn.

      Sie bewegten sich mit einer solchen Geschwindigkeit und drehten sich so schnell durch das ihnen fremde Land, dass die fünf Jungs beinahe zu einem einzigen Wesen verschmolzen. Sie spielten die ganze Nacht über auf der Bühne, tranken und bedröhnten sich bis zum Morgengrauen, dann aßen sie zusammen, tranken (noch mehr), sprachen dieselben Frauen an und vergnügten sich mit ihnen, oft sogar zur selben Zeit und im selben Raum. Sie zogen sich gleich an, hatten den gleichen Gang, sprachen im gleichen übertriebenen Liverpooler Akzent. Wenn ein Blick auf die Uhr ihnen sagte, dass es bald wieder Zeit wurde, auf die Bühne zu gehen, hängten sie sich ihre Instrumente um, zählten zusammen vor und legten gnadenlos los. Paul kreischte „Long Tall Sally“ und „Lucille“, bis seine Stimmbänder den Dienst versagten, John legte mit „Johnny B. Goode“ und „Rock ’n’ Roll Music“ nach. Sie spielten „Your Feet’s Too Big“, „Memphis“, „That’s All Right, Mama“. Georges Gitarren-Soli erklommen neue Höhen, und Pete drosch kraftvoll auf sein Schlagzeug ein. Die Nächte auf der Bühne zogen sich in die Länge, und die Musiker reagierten darauf, indem sie ihr Repertoire mit allen möglichen Songs auspolsterten, die sie je gehört hatten: obskure R&B-Titel oder die B-Seiten amerikanischer Singles, die sie in Liverpool gekauft hatten. Paul erinnerte sich an die Shownummern, die Jim so gerne hörte, und sie alle kannten irgendwelche Cowboylieder aus dem Pfadfinderlager. Alles, was man in einen pumpenden Viervierteltakt zwingen konnte, wurde, wenn nötig, um Soli und erfundene Strophen erweitert, bis die Songs dreißig Minuten dauerten, eine Dreiviertelstunde oder sogar eine Stunde – oder, wenn es sein musste, die ganze Nacht.

      Wenn