Название | Zinnobertod |
---|---|
Автор произведения | Reinhard Lehmann |
Жанр | Ужасы и Мистика |
Серия | |
Издательство | Ужасы и Мистика |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783969010174 |
»Wir sind angekommen. Ich gehe vor. Cousinchen erwartet uns.« Der Rest seines Redestroms verlor sich in der verblüffenden Begrüßung.
»Hallo Wilhelm! Ach ja, mit angekündigtem Gast«, traf es beide aus Neugier erfülltem Mund. »Na, in dem Fall ein herzliches Willkommen, Herr Polizist! Ich bin Evelyn Feist. Höchstwahrscheinlich plauderte das Ihr Begleiter bereits aus«, fiel sie ihm mit einer Frage ins Wort. »Ihr Besuch kommt wider Erwarten. Gibt es denn einen Grund dafür?«
»Korrekt! Erinnern Sie sich? Es gibt eine Vermisstenanzeige bei der Polizeidirektion, die Ihre Unterschrift trägt. Beantwortet das die Frage? Fangen wir von vorn an«, sagte er schmunzelnd. »Mein Name ist Lorenz, Kriminaloberkommissar beim Landeskriminalamt in Magdeburg.«
»Oha, da bearbeiten Sie Mordfälle? Das ist hier nicht die richtige Adresse«, meinte sie steif.
»Ich akzeptiere Ihre Meinung, aber ich habe meine Gründe«, unterbrach er sie. »Penibel betrachtet, ist es das einzig Angemessene. Außer Ihnen gab niemanden, dem sein Verschwinden aufgefallen ist. Ist kurios. Ihr Cousin meinte, Sie sind eine Kämpferin.«
»Oh, da irrt er. Ich bin kein Fighter, nichts Übersinnliches. Der Vermisste ist Teil meiner Familie. Er hat mich aufgezogen. Seine Lehren zum Herrn sind auf mich übergegangen. Opa ist ein gutherziger Mensch mit ehrbaren Absichten. Hmm, Wilhelm, hast du das in der Form rübergebracht?«, fragte sie und wies mit einer Handbewegung in Richtung Haus. »Wenn es an dem ist, tretet ein.«
»Klar, was sonst, Evelyn! Familie ist heilig«, erzeugte bei ihr ein verächtliches Zucken der Mundwinkel. Sie lachte gequält.
»Na, ich schätze, du hast dem Kriminalisten deine Version eingeredet. Die Frage, die sich mir auftut, ist: warum?«
Wilhelm Feist zuckte mit den Achseln. »Was glaubst du? Ich habe geantwortet. Bin Zeuge, wie du.«
Lorenz nickte. Der Disput war ihm peinlich. Sein Aufenthalt nicht koscher. Er drehte sich ihren sanftmütig, braunen Augen zu.
»Bitte, mein Besuch ist eine reine Formsache. Ihre Aussagen sind dokumentiert. Ich habe sie gelesen. Dem Cousin gebührt Dank für die Idee, Ihnen persönlich zu begegnen.«
»Tja, was erwarten Sie von mir?«, fragte sie Aufmerksamkeit einheimsend. Das verschmitzte Lächeln ließ sich dabei nicht verbergen.
»Schau´n wir in die Zukunft. Ich glaube, die Lösung des Falls liegt in der Familie verborgen. Bitte, das ist eine rein rhetorische Aussage«, versuchte er den Satz abzuschwächen. Zu spät. Evelyn reagierte mit sichtbarer Leidenschaft, sich darin einzubringen.
»Herr Lorenz, eine Annahme, die sich momentan nicht bestätigen lässt. Außer mit meiner Zuarbeit? Verlangen Sie da nicht zu Anspruchsvolles?«
»Stimmt. Bleiben wir beim aktuellen Thema. Ohne Frage gibt es da weitere Geschehnisse abzuklären. Sofern Sie hierfür bereit sind. Die Vorladung auf die Polizeidirektion entfällt vorerst. Sagen wir, ich gewähre Ihnen eine Art Freundschaftsdienst.«
»Was denn, ist das eine Aufmunterung für ...«, fiel sie ihm erregt ins Wort, ohne den Satz auszusprechen.
»Oh ja. Das wäre vorstellbar«, ließ er sich feixend auf den spöttischen Tonfall ein. »Sie teilen kräftig aus. Ist eindrucksvoll! Ihr Cousin hat mich nicht ausreichend vorgewarnt. Tja, zu spät!«
»Nicht hundertprozentig. Ich bin überzeugt, tief graben ist angesagt. Dem Gedanken stimme ich zu. Wilhelm hat hoffentlich nicht dramatisiert. Was ich nicht zu leisten vermag, darüber entfällt jegliche Spekulation.«
»Genug. Kommen Sie runter, Evelyn Feist. Der Ermittler braucht Ihre Hilfe. Da gibt´s garantiert Informationen, die mich interessieren könnten. Sofern Sie, Verehrteste, das zulassen. Deal?«
»Hab ich eine Wahl?«, wandte sie sich fragend an Lorenz.
Dem war die Frage in Gegenwart von Cousin Wilhelm peinlich. Dessen Reaktion schien angesichts des Disputs verständlich.
»Evelyn, es stimmt. Die Gerüchteküche bietet fesselnde Einsichten, beantwortet sie. Gibt Auskunft darüber, was wahr und unwahr ist? Verdammt, du bringst mich in Schwierigkeiten!«
»Ist keine Absicht. Opa ist wie vom Erdboden verschluckt. Die Polizei ermittelt wegen des Toten in der Bode. Das bereitet mir panische Angst. Das ist meine Wahrheit.«
»Danke! Ein ehrliches Wort«, schob sich Lorenz in die Schusslinie der beiden. »Klar, Evelyn, dass Sie einen dicken Hals einheimsen.« Versöhnlich sagte er: »Ein Grund für Panikattacken sehe ich nicht. Keine Sorge, wenn’s an dem ist, merken Sie es.«
»Wie? Werde ich vorgeladen?«
»Nein. Ich bringe Sie zur Polizeidirektion. Das Protokoll fertigt ein Kollege, den ich auf die Lage eingestellt habe. Zufrieden?«
Sie schmunzelte. Lorenz meinte, eine gewisse Gelöstheit zu erkennen. Die knappe Antwort befriedigte ihn. »Ich nehme Sie beim Wort.«
»Hmm, na ja, wenn Sie das sagen.«
»Werde ich, denn uns eint ein Gedanke.«
»Und welcher?«
»Wir suchen beide eine Wahrheit, die für alles eine Erklärung bereithält.«
»Den Schritt gehe ich grundsätzlich mit. Herr Lorenz, bis auf die Tatsache, dass ich Gebete ausschließe, in denen religiöse Überzeugungen zu Worthülsen verkommen. Im Übrigen stehe ich an Ihrer Seite.«
»Davon bin ich überzeugt«, sagte er, bis ihm ein Licht aufging. Hier schwang Sympathie mit. Es gab da keine Sicht der Ereignisse, die diese Gefühlsregung trüben würde.
»Ich liefere Ihnen Auskünfte, egal, ob die mir gefallen oder nicht«, sagte sie gedämpft. Für Lorenz unsichtbar schrie die Stimme in ihrem Hirn: »Geh in die Offensive.« Seit einigen Minuten war ihr bewusst, dass sich mit dem Ermittler eine Chance bot, Bewegung in den Anzeigevorgang zu bringen. Zurückhaltung war nicht angebracht.
Seine Antwort bestätigte die Vermutung.
»Gern. Das kommt meiner Interessenlage entgegen.«
Er zögerte einen Augenblick. Sein Instinkt verriet ihm, dass ein schwerer Brocken auf ihre Seele drückte.
In dem Moment sagte Sie zu Ihrer Entlastung: »Mir ist klar, das Sie zur Aufklärung von Opas Verschwinden jede Information gebrauchen können. Also, fragen Sie mich«, endete im Aufblitzen eines Lächelns.
»Hm, das werde ich. Im Hinterkopf hat sich bei mir festgesetzt, dass ihr Opa sich des Öfteren zur Meditation zurückzog. Wann nahmen Sie das letztmalig wahr? Wo hielt er sich auf? Und für mich ist es nicht nachvollziehbar, dass ein bekannter Wanderführer einfach so von der Bildfläche verschwindet. Hat es denn überhaupt keine Nachfragen gegeben?«
»Wissen Sie, Opa hat sich bei mir nicht abgemeldet. Er war da, wenn der Tourismusverband einen versierten Geschichtenerzähler brauchte. Vor ein paar Wochen bin ich zur Polizei. Nicht ohne Grund, denn er war seit Tagen unerreichbar. Herr Lorenz, heute sind Sie hier und ich bin voller Neugier, wie Sie weiter vorgehen.«
»Das verstehe ich. Wissbegierde ist in dieser Hinsicht kein verwerfliches Omen. Wir stehen nicht unter Beschuss. Na ja, Sie wissen, dass meine Konzentration dem Skelett in der Bode gilt. Logischerweise stelle ich mir die Frage, ob es da einen Zusammenhang zu dem Vermissten gibt. Ah ja, hab vergessen, bei Verwandtschaft sind die Regeln der Geheimhaltung straffer ausgerichtet.«
»Korrekt«, reagierte Wilhelm. Einen flüchtigen Blick lang wähnte er, die Kontrolle über das Zusammentreffen zu verlieren. Nein, im Gegenteil. Er gab eine prima Figur im Rennen ab. Alles entwickelte sich wie vorausgesehen. Die Cousine hatte keinen blassen Schimmer, was in den letzten Wochen passiert war. Sie tappte im Dunkeln. »Zuhören, das ist meine Passion«, entschied er blitzartig.
Eine Rolle zu übernehmen, lag ihm seit langem im Blut. Sie war konkreter Bestandteil eines Spiels. Wilhelm fand sich bestens darin zurecht. Er war ein Genie. Beherrschte jedwede