Als er den Colt zog: Western Bibliothek 12 Romane. Pete Hackett

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Название Als er den Colt zog: Western Bibliothek 12 Romane
Автор произведения Pete Hackett
Жанр Вестерны
Серия
Издательство Вестерны
Год выпуска 0
isbn 9783745214451



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was sieht dieser Plan vor?“

      Collin Brat betrachtete seine Fingernägel. Er war mit dem Ergebnis durchaus zufrieden. Er war überhaupt sehr zufrieden.

      „Du wirst Chaco nicht aushorchen und in die von uns vorbereitete Falle jagen.“

      „Sondern?“

      „Es geht viel einfacher. Du selbst wirst ihm die Kugel geben!“

      Sekundenlang blieb Chalk Kimball stumm. Dann begannen seine Augen zu glitzern. Es war ein ähnliches Glitzern, wie es vorher in Harrys Augen gestanden hatte. Vor seinem Inneren tauchte ein Mann auf, der ihm auf die Nerven gegangen war. Ein Mann, der sich einbildete, sein Kindermädchen spielen zu müssen. Einer, der gefährlich wurde, falls er gegenüber den Eltern nicht sein Maul hielt. Man musste es ihm stopfen.

      Er tauschte mit Collin Brat einen kurzen Blick. Dann nickte er und sagte knapp: „Okay, Boss!“

      23

      Chalk wusste genau, wie er es anstellen wollte. Natürlich musste er dazu mit dem Halbblut allein sein. Seine Eltern durften keinesfalls dazwischenfunken, sonst war alles verraten, und er konnte sich gleich nach einem Sarg umsehen. Er machte sich keine Illusionen. Er hatte unverschämtes Glück gehabt. Sein Leben hatte buchstäblich nur noch an einem seidenen Faden gehangen. Harrys Colt war schon schussbereit gewesen, als das erlösende Stichwort fiel. Jetzt durfte er sich keinen Fehler, keine Schwäche mehr erlauben.

      Er spürte, dass Chaco ihn scharf beobachtete. Das Halbblut saß auf einem Holzklotz und sah ihm bei seinen Übungen zu. Chalk schoss mit dem Revolver auf verbeulte Blechdosen, die er für diese Zwecke gesammelt hatte. Er traf bei jedem Schuss. Er vergrößerte den Abstand und lud den Revolver nach. Es waren sechs Büchsen. Er traf nur zwei. Jetzt musste Chaco reagieren.

      Chalk hatte sich nicht getäuscht. Das Halbblut, der von den Büchsen noch zwanzig Schritte weiter entfernt war als er, zog seinen Peacemaker und gab vier Schüsse ab. Die restlichen Dosen purzelten auf die Erde.

      „Du schießt verdammt gut“, sagte Chalk und ging zu den Büchsen, um sie erneut aufzustellen. Ein hastiger Blick in die Runde sagte ihm, dass sich niemand in der Nähe befand.

      „Du bist aber auch nicht ohne“, gab Chaco zu. „Du machst nur einen kleinen Fehler beim Zielen.“

      „Einen Fehler?“ Chalk tat erstaunt. In Wirklichkeit jubelte er innerlich. Er hatte den Fisch an der Leine. „Was meinst du?“

      „Du hältst den Arm zu steif. Das verkrampft, und du schießt daneben. Schau her, ich zeig’s dir!“

      Er hatte die Trommel wieder gefüllt und ging zu Chalk hinüber, der seine Feindseligkeit offenbar abgelegt hatte. Er blieb ganz locker, während er sechsmal abdrückte. Sechsmal antwortete ein blecherner Klang.

      „Ich glaube, jetzt weiß ich, was du meinst“, sagte der Junge und versuchte seinerseits sein Glück. Diesmal fiel nur eine einzige Büchse. Chalk stieß mutlos den Revolver ins Holster zurück.

      „Es liegt an der Waffe“, murrte er.

      Chaco lächelte.

      „Versuch es mit meiner!“, bot er an.

      Chalk zuckte mit den Schultern.

      „Wenn du meinst.“ Er nahm den schweren Colt und wog ihn abschätzend in der Hand. „Fühlt sich gut an“, sagte er. „Ich gehe dort hinüber. Dann kannst du besser beobachten, was ich falsch mache. Okay?“

      „Okay.“

      Er drehte sich rasch um. Der Bastard sollte nicht den Triumph in seinen Augen sehen. Er hätte sonst geahnt, dass er absichtlich danebengeschossen hatte, um mühelos die andere Waffe zu erhalten.

      Aber Chaco ahnte das nicht. Er schöpfte gerade Hoffnung, vielleicht doch wieder mit dem Jungen ins Gespräch zu kommen. Vielleicht ließ er sich doch noch helfen. Aber als er in die schwarze Mündung seines eigenen Peacemakers starrte, ließ er diese Hoffnung fallen.

      „Jetzt fällst du auf deine eigene gescheite Nase, Bastard“, sagte Chalk drohend. Seine Hand war überraschend ruhig. „Aus dieser Entfernung treffe ich leicht. Du brauchst nicht zu fürchten, dass du lange leiden musst. Natürlich hätte ich auch die albernen Büchsen getroffen, wenn ich gewollt hätte, aber es ist für dich sicher viel amüsanter, von der eigenen Kanone abgeknallt zu werden.“

      „Das tust du nicht, Chalk“, sagte Chaco. „Du wirst nicht zum Mörder.“ Er wollte sich dem Jungen nähern, doch dieser hob den Arm ein winziges Stück. Chaco wusste nicht, dass sein Revolver so ekelhaft aussehen konnte.

      „Dein Gewäsch geht mir schon lange auf die Nerven“, sagte Chalk. „Du hättest dich verziehen sollen, anstatt hier rumzuschnüffeln. Außerdem hast du Jerome auf dem Gewissen. Das sind genug Gründe, um dich fertigzumachen.“

      Jetzt hatte Chaco endlich den Beweis, dass er einen Shadow vor sich hatte. Doch dieser Beweis nützte ihm nichts mehr. Er sah die Entschlossenheit in den Augen des Halbwüchsigen, er sah seinen Hass. Er wusste: Diesmal konnte er den Kimballs nicht helfen. Und sich selbst auch nicht ...

      24

      Chaco kannte die Treffsicherheit des Jungen. Bei der geringsten Bewegung war er ein toter Mann, darüber gab es nun keinen Zweifel mehr.

      „Warum bist du nicht geblieben, wo du warst?“, sagte Chalk gefährlich leise. Er näherte sich langsam dem Halbblut, doch er würde nicht zu nahe herangehen. Er würde sich nicht überrumpeln lassen. „Warum hast du dich nicht mit deinen eigenen Problemen zufriedengegeben?“ Diese Frage stellte er schon lauter. Wieder ging er einen Schritt vor. „Du verdammter Bastard! Mit dir hat das ganze Elend angefangen. Sie hätten mich beinahe kaltgemacht. Aber ich will nicht sterben, hörst du? Ich will nicht!“ Es war ein verzweifelter Schrei.

      Sein Arm flog hoch. Chaco sah die Mündung entsetzlich groß vor seinen Augen. Etwas flog auf ihn zu. Unglaublich langsam. Aber nicht langsam genug, als dass er ihm noch hätte ausweichen können. Gleich traf es ihn und riss ihn hinüber. Dorthin, wo auch die anderen Opfer der Schattenbande lagen.

      Der Aufprall war gewaltig. Er hatte seine Brust nicht verfehlt. Trotzdem fiel Chaco nicht. Er taumelte nur. Er hielt etwas in den Händen. Etwas, was ihn fast von den Füßen gerissen hätte. Etwas, was groß war und doch hemmungslos schluchzte.

      „Ich kann es nicht! Ich kann es nicht tun! Chaco, hilf mir! Ich bin kein Mörder!“ Es war wie ein gequälter Aufschrei eines Ertrinkenden. Er hielt den Jungen fest, dessen Gesicht jetzt tränenüberströmt war. Er strich ihm über das wirre Haar.

      „Du hast dich selbst überwunden, Chalk“, sagte er sanft. „Jetzt haben wir das Spiel so gut wie gewonnen. Die Schattenbande hat keine Chance mehr.“

      Er fühlte sich unendlich erleichtert, dass sich der Junge nicht zu dem Äußersten hatte hinreißen lassen. Er hatte die natürliche Schranke nicht einreißen können. Es war noch nicht zu spät.

      „Keine Chance?“, wimmerte Chalk und ließ die Tränen ungehemmt fließen. „Die Shadows? Du weißt nicht, was du redest, Chaco! Du kennst sie nicht so, wie ich sie kenne.“

      „Das ist wahr“, gab Chaco zu. „Aber du wirst mir alles sagen, was ich wissen muss.“

      „Sie werden mich umbringen. Sie werden mich ganz gewiss töten. Ich habe sie nun zum zweiten Mal hintergangen. Bestimmt haben sie alles beobachtet. Sie wissen längst, dass ich meinen Auftrag nicht erfüllt habe.“

      „Du brauchst keine Angst zu haben, Chalk. Ich werde dafür sorgen, dass sie dich nicht finden, bis sie alle überführt sind.“

      „Sie werden sich an meinen Eltern rächen. Sie sind so grausam.“

      „Und trotzdem wolltest du einer der ihren sein“, wunderte sich das Halbblut.

      Chalk