Beter, Mönche und Gelehrte. Marc Witzenbacher

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Название Beter, Mönche und Gelehrte
Автор произведения Marc Witzenbacher
Жанр Философия
Серия
Издательство Философия
Год выпуска 0
isbn 9783766642592



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Künste, gelehrt wurden, also Fächer wie Geometrie, Rhetorik und Musik, eignete sich Hildegard mit ungeheurem Wissensdurst ein fundiertes Wissen über die Heilige Schrift, Texte der Kirchenväter und weltliche Wissenschaften an. So verlebte sie zunächst ein ruhiges Klosterleben, auch wenn sie zu dieser Zeit einige innere Visionen hatte. Nach dem Tod ihrer Lehrerin Jutta von Sponheim wurde die mittlerweile achtunddreißigjährige Hildegard 1136 von ihren Mitschwestern zur neuen Meisterin gewählt. Von nun an war Hildegard mit der Erziehung ihrer Mitschwestern betraut und unterwies sie auch in weltlichen Dingen. Ihr Ruf drang immer mehr nach außen.

      1141 erhielt Hildegard nach ihren eigenen Aussagen von Gott den Auftrag, ihre Visionen schriftlich festzuhalten. Sie zögerte zunächst aus Angst vor ihren Mitschwestern und dem Gerede der Leute. Doch schrieb sie letztlich doch auf, was sie aus den Visionen erfuhr. Zehn Jahre arbeitete sie an ihrer ersten Schrift mit dem Titel „scivias“ – „Wisse die Wege“. Hildegard entfaltet darin das Bild einer Welt, in der die Menschen und der Kosmos untrennbar mit Gott verbunden sind. In 26 Visionen stellt sie das gesamte Schöpfungs- und Erlösungswerk dar. Nach wie vor zerrissen sie aber Zweifel, ob ihre Visionen tatsächlich echt waren. So schrieb sie an Bernhard von Clairvaux, der ihr freundlich und zustimmend antwortete und sie in ihrer Arbeit bestärkte. Hildegard wagte sich darauf erstmals mit ihrem Werk an die Öffentlichkeit. Auf der Trierer Synode 1147 las Papst Eugen III. sogar aus ihrem Werk vor und ermutigte sie in einem Brief zur Fortsetzung ihres Werkes. Aus der Seherin wurde eine beglaubigte Prophetin. Die Anerkennung von Papst und Synode veränderten das Leben der Hildegard nachhaltig. Sie geriet in das öffentliche Interesse. Zahlreiche Menschen pilgerten auf den Disibodenberg, um sich Rat bei Hildegard zu holen. Mehrere adlige Frauen schlossen sich der Frauenklause an. Der Platz wurde eng, so fasste Hildegard den Entschluss, das Disibodenberger Kloster zu verlassen und ein eigenes Kloster auf dem Rupertsberg zu eröffnen, einem unbesiedelten Hügel an der Mündung der Nahe in den Rhein bei Bingen, etwa 30 Kilometer entfernt vom Disbodenberg. Es begannen die Jahre der Selbstentfaltung Hildegards, das Kloster blühte auf. Hildegard begann weiter zu schreiben und verfasste ein Buch über den Widerstreit zwischen Tugenden und Lastern. Im Zentrum stehen die Auseinandersetzung des gläubigen Menschen mit Gut und Böse und seine Verantwortung für die Weltordnung. Und Hildegard schrieb Briefe. Über 300 sind erhalten, darunter Briefe an die Mächtigsten ihrer Zeit, wie den Kaiser Friedrich I. Barbarossa. Von ihm erhielt das Kloster Schutz, doch hinderte dies Hildegard nicht, den Kaiser für törichtes Handeln zu tadeln und sich in seine Politik einzumischen.

      Hildegard unternahm Predigtreisen nach Köln, Trier und Würzburg. Sie wurde regelrecht berühmt. Und sie neigte zu unkonventionellem Handeln: 1178 brach ein schwerer Konflikt mit dem Mainzer Erzbischof aus, weil Hildegard einen exkommunizierten, jedoch kurz vor dem Tod vom Kirchenbann befreiten Edelmann auf dem Klosterfriedhof beerdigen ließ. Auch wenn sich der Konflikt schließlich löste, zehrte diese schwere Auseinandersetzung aber an den Kräften der mittlerweile über 80 Jahre alten Nonne. Am 17. September 1179 starb sie auf dem Rupertsberg.

      Offiziell wurde Hildegard niemals heiliggesprochen. Mehrere Versuche kurz nach ihrem Tod scheiterten an der Kirchenpolitik. Zum einen sperrte sich das Mainzer Domkapitel, zum anderen konnte man sich einigen, wer für den Kanonisierungsprozess zuständig war. Aufgrund ihrer Verehrung und der großen Bedeutung ihres Lebens und Werkes wurde Hildegard aber in den 1584 erstmals erschienenen offiziellen Katalog der Heiliggesprochenen aufgenommen. Im Mai 2012 bestätigte Papst Benedikt XVI. ihre Aufnahme in den Heiligenkalender. Am 7. Oktober 2012 erhob der Papst Hildegard von Bingen zudem zur Kirchenlehrerin.

      Johannes Calvin – Der Schweizer Reformator

      Durch eine plötzliche Bekehrung änderte und unterwarf er sein Herz. Dies sei für ihn der Beginn der Reformation gewesen: eine persönliche Erfahrung und keine theoretische wissenschaftliche Spekulation. So beschreibt der Schweizer Reformator Johannes Calvin den Ursprung der reformatorischen Bewegung. Der Reformator war von Gott in einem unmittelbaren Erleben ergriffen worden. „Ich bringe mein Herz Gott zum Opfer dar“, berichtet er von seinem reformatorischen „Urerlebnis“. Er gab sich von dieser Stunde an selber auf, um Christus nachzufolgen. Jetzt wollte er nicht mehr seinen Willen, sondern den eines anderen tun: „Die Ehre Gottes und das, was zu seinem Reich gehört, muss immer zuerst kommen.“

      Calvin wurde im Juli 1509 in Noyon, Frankreich, geboren. Sein Vater, Notar des Domkapitels und Vermögensverwalter des Bischofs von Noyon, bestimmte schon früh seinen Sohn zum Studium der Theologie und versorgte ihn mit zwei Pfründen der Diö­zese. 1523 begann der junge und begabte Jean, wie er von Hause aus hieß, sein Studium in Paris. Schon damals beschloss er für sich eine ausgesprochen asketische Lebensführung, die ihm schließlich die Gesundheit deutlich gefährdete. 1528 schloss er sein Studium ab und ging anschließend nach Orléans, um dort – ebenfalls auf Wunsch seines Vaters – ein Jurastudium aufzunehmen. 1531 starb der Vater und Calvin ging zurück nach Paris, um seine humanistischen Studien fortzuführen.

      Wann Calvin seine reformatorische Bekehrung hatte, ist historisch nicht mehr eindeutig festzumachen, vermutlich in den Jahren 1533 oder 1534. Die Reformation hatte sich schon in zahlreichen Gebieten ausgebreitet. So setzte sich Calvin in Paris intensiv mit Luthers Thesen auseinander und mischte sich in den Streit des Wittenberger Mönchs mit der Kirche ein. Calvin rieb sich sehr an den Thesen Luthers, teilte aber sein Anliegen und gewann ähnliche Einsichten. Außer der Tatsache seiner Bekehrung gewährt der Schweizer Reformator allerdings kaum einen Einblick in sein Privatleben. Ein Zug, der den ganzen calvinistischen Zweig der Reformation prägen sollte. Jedenfalls hatte er sich in diesen Jahren den reformatorischen Ansichten verschrieben und betrachtete sich als „Protestanten“. 1534 verließ er Paris, weil der König den Protestanten drohte, sie zu verhaften und in die Kerker zu stecken. Calvin verzichtete auf seine Pfründe und damit auf ein Einkommen und ging nach Basel, wo er sich unter einem Decknamen dem Studium der Bibel und der Kirchenväter sowie der Schriften Luthers widmete. Dort schrieb er auch schon die ersten Teile seines theologischen Hauptwerkes „Unterricht in christlicher Religion“ (Institutio Christianae Religionis), das 1536 mit einer Vorrede an den französischen König Franz I. in Paris publiziert wurde. Calvin rief den König dazu auf, die neue Sicht des Evangeliums anzunehmen oder zumindest zu tolerieren. Diese erste Fassung war noch ganz an der Form des klassischen lutherischen Katechismus orientiert. Zeit seines Lebens schrieb Calvin an diesem Werk weiter, ergänzte und korrigierte es.

      Über Ferrara, wo Calvin bei der Herzogin Renata Unterschlupf fand, Frankreich und Straßburg gelangte der Reformator schließlich nach Genf, wo er, abgesehen von drei Jahren Wirken in Straßburg, bis zu seinem Tode bleiben sollte. Calvin traf dort mit Wilhelm Farel zusammen, der als Evangelist tätig war und in Calvin einen Verbündeten suchte, um die Reformation in Genf einzuführen. Calvin ließ sich überreden und sah darin seine künftige Lebensaufgabe.

      So lehrte Calvin in Genf die Heilige Schrift und unterrichtete Kinder und Erwachsene ohne Bezahlung, weitgehend anonym; der Stadtrat nannte ihn einfach „den Franzosen“. Mit den Stadtoberen hatte Calvin auch viel Ärger, schließlich wies man ihn aus. Calvin reiste zunächst nach Basel und fand dann in Straßburg Zuflucht. Drei Jahre musste Calvin im „Exil“ verbringen. In dieser Zeit nahm Calvin an zahlreichen Disputationen und den so genannten Religionsgesprächen teil. Auf diesen Treffen, an denen führende reformatorische Theologen teilnahmen, lernte Calvin die unterschiedlichen kirchlichen Verhältnisse kennen, mit Philipp Melanchthon verband ihn anschließend eine enge Freundschaft. Allerdings konnte auch diese Freundschaft nicht verhindern, dass sich Calvin insbesondere zu Luther und seinen Lehren distanzierte. Calvin entwickelte seine eigene Theologie weiter und suchte dabei weiterhin die Einheit der Kirche, sogar mit den Katholiken verhandelte er weiter, aber für Luther und seine Theologie hatte er meist nur polemische Sätze übrig.

      Calvin blieb sein ganzes Leben ein streitbarer Mann. Auch mit den Stadtoberen der Stadt Genf sowie den altkirchlichen Autoritäten geriet Calvin zeitlebens in Konflikt, auch wenn er 1541 auf Wunsch der Genfer Bürgerschaft wieder zurückkehrte. Genf wurde nun Ausgangspunkt der calvinistischen Bewegung, die bald ganz Westeuropa und später sogar Amerika erfasste. Neben der organisatorischen und seelsorglichen Arbeit hielt Calvin unermüdlich Vorlesungen und legte die Bibel aus. Für Calvin ist die ganze Bibel Offenbarung Gottes in seiner souveränen Majestät. Dabei band er seine Auslegungen immer an die kirchliche Praxis und