Название | Gesundmacher Herz |
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Автор произведения | Markus Peters |
Жанр | Медицина |
Серия | |
Издательство | Медицина |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783954841349 |
Ein Beispiel dafür wurde schon erwähnt: In der entspannten Tiefschlafphase (etwa zwischen Mitternacht und drei Uhr morgens) kommen bei einem gesunden Menschen ziemlich genau vier Pulsschläge auf einen Atemzug (siehe dazu auch Kapitel 4). An diesem Phänomen wird auch deutlich, dass das rhythmische System des Menschen einerseits sehr flexibel auf von außen kommende Anforderungen reagiert (zum Beispiel bei starker Leistungsanforderung durch erhöhten Puls und schnellere Atmung), andererseits aber bei vollkommener Ruhe in ein überindividuelles Gleichgewicht zurückfindet. Eine solche Tendenz zu einer Art natürlichem Gleichgewicht ist inzwischen vielfach bestätigt.
So stehen rhythmische Funktionen wie Lidschlag, Schlucken, Saugen oder Magenperistaltik ebenso wie das fortlaufende Steigen und Fallen des Blutdrucks in einer nachgewiesenen Abhängigkeit vom Herz- und Atemrhythmus. Das gilt aber nicht nur für unwillkürlich ablaufende Körperfunktionen: Auch rhythmische Tätigkeiten wie Gehen, Radfahren und Joggen sind mit dem Herz-/Atemrhythmus gekoppelt – die Synchronisation oder Kopplung von Rhythmen funktioniert also auch bei bewusst durchgeführten Tätigkeiten.
Inzwischen bestätigen zahlreiche empirische Untersuchungen somit das, was schon zu Beginn dieses Kapitels gesagt wurde: Der Mensch ist – wie jeder andere Organismus auch – ein durch und durch rhythmisches Wesen.
Und ein entscheidender Impulsgeber ist dabei das Herz. Wie das funktioniert, lässt sich an einer höchst spannenden Entdeckung aus dem 17. Jahrhundert sehr gut illustrieren:
Christian Huygens (1629 – 1695), ein holländischer Mathematiker und Physiker mit großem Interesse an Mechanik, hat unter anderem die erste Pendeluhr konstruiert, zum Patent angemeldet und im Laufe seines Lebens auch eine stattliche Sammlung solcher Uhren zusammengetragen. Eines Tages dann stellte er zu seiner Überraschung fest, dass sich die Pendel aller in einem Raum befindlichen Uhren synchron bewegten, also immer gleichzeitig in die gleiche Richtung ausschlugen. Das erschien Huygens sehr unwahrscheinlich und er brachte diesen synchronen Rhythmus durcheinander, indem er alle Uhren kurz anhielt und zu verschiedenen Zeitpunkten wieder in Gang setzte. So oft er dies aber aber auch tat, es dauerte nie sehr lange, bis alle Uhren ihre Rhythmen wieder einander angeglichen hatten.
Damit hatte Huygens – auch wenn er es selbst noch nicht erklären konnte – ein in der Natur überall zu beobachtendes Phänomen entdeckt: die Frequenzkopplung. Und heute wissen wir, dass es immer der stärkste Impulsgeber (also zum Beispiel das größte Pendel) in einem rhythmischen System ist, auf den hin sich alle anderen Rhythmen synchronisieren.
Im menschlichen Körper nun sind Herz und Lunge die kräftigsten Impulsgeber, die deshalb auch in der Lage sind, andere rhythmische Systeme zu beeinflussen, sie in ihren Rhythmus „hineinzuziehen“. Da der Mensch keine Maschine ist, funktioniert diese Synchronisation – anders als bei einer Sammlung von Pendeluhren – allerdings nicht automatisch und auch nicht in jedem Fall. Umfangreiche Untersuchungen mit vielen Versuchspersonen haben aber gezeigt, dass das Herz seine synchronisierende, harmonisierende Funktion immer dann zur Wirkung bringen kann, wenn auch die Gefühlslage des Menschen ausgeglichen und harmonisch ist.
Es kann also heute mit Fug und Recht behauptet werden, dass das Herz als zentraler „Dirigent“ der rhythmischen Ordnung im Menschen wirkt. Und da praktisch alle körperlichen Vorgänge im Menschen rhythmisch durchgegliedert sind, hat das Herz, zusammen mit der Atmung, die zentrale integrierende und koordinierende Funktion im menschlichen Organismus. Und gleichzeitig ist das Herz – wie in den folgenden Kapiteln noch zu zeigen sein wird – das zentrale Organ für die gefühlsmäßige Auseinandersetzung des Menschen mit seiner Umwelt.
Rein körperlich-funktional werden die Rhythmen der menschlichen Lebensprozesse allerdings vom vegetativen Nervensystem – dem Vegetativum – gesteuert. Und das Vegetativum nutzt dafür wiederum zwei „Gegenspieler“: den Sympathikus und den Parasympathikus. Generell kann man sagen, dass der Sympathikus die Aufgabe hat, den menschlichen Körper leistungsbereit, abwehrbereit, kampfbereit, fluchtbereit zu machen („fight or flight“). Der Parasympathikus will demgegenüber eher für Ruhe, Entspannung und Regeneration sorgen.
Das Vegetativum wirkt dabei auf sämtliche Organe ein und nutzt die Gegenspieler Sympathikus/Parasympathikus gleichsam als Hebel, um den Körper in einen situationsangepassten Zustand zu versetzen. Sicht- und spürbar wird das zum Beispiel in angstbesetzten Schrecksituationen: Der Mensch wird blass, kalter Schweiß bricht aus, auch die Hände werden kalt – je nach Konstitution. Genau umgekehrt verhält es sich bei einer freudigen Erregung. Das Vegetativum wirkt im Körper also sofort und überall – und es moduliert somit auch die Herzschlagabfolge (und damit die Herzfrequenz-Variabilität).
Etwas zugespitzt könnte man sagen, dass der Sympathikus dafür sorgen will, dass das Herz in einem möglichst exakt-gleichmäßigen Takt schlägt (und so seine „Truppen“ kampfbereit aufmarschieren lässt). Gelänge dem Sympathikus dies, wäre der Puls also nahezu regelmäßig. Die Kurve der Herzfrequenz-Variabilität sähe im Extremfall dann etwa so aus:
Diese Kurve zeigt zwar keinen vollkommen gleichmäßigen Puls (das kann es bei einem lebendigen Organismus nicht geben), aber doch einen Puls mit einer sehr geringen Herzfrequenz-Variabilität (was medizinisch gesehen ein deutliches Alarmzeichen ist).
Tritt nun jedoch die ausgleichende, abmildernde Wirkung des Parasympathikus hinzu, dann resultiert daraus eine ausgeprägt rhythmisch-harmonische Herzfrequenz-Variabilität:
Wie schon im ersten Kapitel gezeigt, lässt eine solche gleichmäßig „schwingende“ Herzfrequenz-Variabilität auf einen ausgeglichenen Gemütszustand schließen.
In der Praxis kommt es aber relativ häufig auch dazu, dass die Herzfrequenz-Variabilität überhaupt keinem erkennbaren Rhythmus folgt:
Die medizinisch-therapeutischen Schlussfolgerungen, die aus diesen unterschiedlichen Bildern der Herzfrequenz-Variabilität zu ziehen sind, werden uns später noch beschäftigen. Hier wollen wir zunächst dem schon angedeuteten Phänomen nachgehen, dass die starken Impulsgeber Herz und Lunge einen klar erkennbaren Einfluss auch auf andere Rhythmen des Organismus haben. So lässt sich beispielsweise eine solche Angleichung von Rhythmen sogar zwischen der Herzfrequenz-Variabilität und den Gehirnwellen feststellen:
Das obere Diagramm links zeigt das bereits bekannte Bild einer harmonischen Herzfrequenz-Variabilität. Diese Schwingungen entstehen, wie im Detail ab Seite 21 dargestellt, wenn die winzigen zeitlichen Abweichungen von einem Herzschlag zum nächsten (= Herzfrequenz-Variabilität) nicht ungeordnet, sondern harmonisch rhythmisiert erfolgen. Das kleinere Diagramm rechts daneben zeigt, welche Zeitabweichungen dabei am häufigsten gemessen wurden. In diesem Fall liegt der Schwerpunkt eindeutig bei 0,1 Hertz. Genauer gesagt: Die Abweichungen bei den Zeiträumen zwischen den einzelnen Herzschlägen lagen am häufigsten um und bei 0,1 Sekunden. Der insgesamt gemessene Bereich der zeitlichen Abweichungen bewegt sich dabei zwischen null und etwa einer halben Sekunde.
Wenn nun parallel zur Herzfrequenz-Variabilität auch der Verlauf der Gehirnwellen aufgezeichnet wird, dann zeigt sich an der Grafik auf Seite 40, rechts unten, insoweit eine Übereinstimmung zwischen dem Rhythmus der Herzfrequenz-Variabilität und dem der Gehirnwellen, als auch bei den Gehirnwellen die Frequenz 0,1 Hertz am häufigsten vorkommt – Herz und Gehirn haben sich in ihrem Rhythmus also weitgehend synchronisiert.
Und diese Koppelung von Rhythmen hat nun einen hochinteressanten Effekt: Es ist nämlich nicht nur so, dass das Herz andere körperliche