Mein Augen-Buch. Meir Schneider

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Название Mein Augen-Buch
Автор произведения Meir Schneider
Жанр Сделай Сам
Серия
Издательство Сделай Сам
Год выпуска 0
isbn 9783954842872



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die ich gemacht habe, um meine Blindheit zu überwinden.

      Im vorliegenden Buch möchte ich den Prozess mit einer stärkeren Betonung der psychologischen Aspekte zusammenfassen. Denn die emotionalen und geistigen Herausforderungen waren in diesem Prozess des Sehenlernens von zentraler Bedeutung.

      Die Haupthindernisse, mit denen Sie konfrontiert sein werden – ob Sie nun offiziell blind sind oder die Adleraugen eines Kampfjet-Piloten haben –, werden vergleichbar mit denen sein, denen ich mich gegenübersah, auch wenn sich unsere Lebensumstände wahrscheinlich deutlich unterscheiden. Die entscheidende Herausforderung für Sie besteht darin, sich in die Pflicht zu nehmen und die nötige Zeit zu investieren, um Ihr Sehvermögen zu verbessern und Ihre Welt zu erweitern.

      Für mich war es schon schwierig genug, das in den 1970er-Jahren in Israel zu schaffen, trotz des glühenden Wunsches und der inneren Motivation, mich von meiner Blindheit zu befreien. Den Leserinnen und Lesern in unserer modernen, hektischen Zeit mag ein solcher Zeitaufwand unmöglich erscheinen. Wenn Sie sich dennoch in die Pflicht nehmen und die nötige Zeit investieren, kann sich dies in zweierlei Hinsicht in außergewöhnlicher Weise auszahlen: Sie verbessern Ihr Sehvermögen und öffnen Ihr Leben für ganz neue Facetten.

      Befreien Sie sich von der Fessel stressiger Routine. Die Menge an Zeit und Engagement, die ich aufgebracht habe, um mein Sehvermögen zu verbessern, war schon extrem im Vergleich zu dem, was bei den meisten Menschen erforderlich ist. Aber genau das ist der Punkt. Widmen Sie diesen Übungen so viel Zeit wie möglich und vergessen Sie nicht – auch wenn Ihr Leben hektisch ist und Sie viel beschäftigt sind –, dass es von größter Bedeutung ist, Ihrem Sehvermögen höchste Priorität einzuräumen.

      KAPITEL 1

      Wie ich mich selbst von meiner Blindheit heilte

      Geboren bin ich unter schwierigen Umständen in der damals noch stalinistischen Sowjetunion. Mein Vater ging illegalen Geschäften nach, indem er Fotos für Kirchen machte und druckte. Diese Arbeit hätte dazu führen können, dass er für 20 Jahre nach Sibirien geschickt wurde. Darüber hinaus waren meine Eltern beide taub.

      Meine Großeltern väterlicherseits waren dagegen, dass ein weiteres Kind in die Familie kam. Es war mein Großvater väterlicherseits, der als Erster feststellte, dass mit meinen Augen etwas nicht stimmte. Bei einer ärztlichen Untersuchung stellte sich heraus, dass ich mit Grauem Star geboren war. Viele Menschen entwickeln zwar später im Leben Grauen Star, aber nur sehr wenige werden damit geboren. Ich war praktisch blind geboren.

      Mein Vater Abraham, meine Mutter Eda und ich im Alter von fünf Jahren, als ich noch so gut wie nichts sehen konnte

      Auf der Suche nach einem besseren Leben für uns alle beschloss meine Familie, aus der Sowjetunion zu fliehen und sich in dem neuen Land Israel niederzulassen. In dieser Zeit der Umsiedlung und Umstellung wurden an meinen Augen fünf Operationen durchgeführt. Die erste in Polen, auf unserem Weg nach Westeuropa, verlief erfolglos. Die übrigen alle in Israel durchgeführten Operationen hatten meine Linsen bis zu dem Punkt vernarbt, dass 99 Prozent der Linsen aus Narbengewebe bestanden, das effektiv verhinderte, dass Licht durchdringen konnte. Infolgedessen wurde mir vom Staat Israel ein Blindenausweis ausgestellt und die meisten Menschen in meiner Umgebung hatten sich damit abgefunden, dass ich nie würde sehen können.

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      Der Blindenausweis, mit dem ich vom Staat Israel für dauerhaft blind erklärt wurde

      Als Kind las ich nur Braille-Schrift, obwohl ich eine normale Schule mit nicht sehbehinderten Kindern besuchte. Wegen dieser Situation litt ich viel unter Einsamkeit und Isolation. Was machst du, wenn du blind bist und von Kindern umgeben bist, die normal sehen können, während deine (tauben) Eltern sich hauptsächlich mit einer Zeichensprache verständigen, die du nicht sehen kannst …?

      Mein Vater, der sich sehr für das aktuelle Zeitgeschehen interessierte, wollte oft, dass ich Radio hörte und ihm erklärte, was draußen in der Welt passierte. Er wollte, dass ich Nachrichten hörte und sie für ihn wiederholte, was mich zunächst irritierte. Ich verstand nicht, warum er immer meinen Kopf hob, wenn ich ihm zu erzählen versuchte, was ich gehört hatte. Später wusste ich, dass er das tat, weil er mir von den Lippen ablesen wollte. Aber wie sollte ich wissen, dass Lippenlesen so wichtig war, wenn ich gar nicht sehen konnte, wie sich die Lippen bewegten?! Diese tragikomische Situation charakterisiert treffend die frühen Jahre meiner Kindheit. Ich war von Verwirrung und Frustration umgeben und davon, dass meine Eltern immer zu kämpfen hatten, um im Alltag zurecht- und über die Runden zu kommen. Ich lernte aber auch, dass es viele Wege gab, um die Herausforderungen zu überwinden, mit denen Menschen durch ihre Lebensumstände konfrontiert werden.

      Mir war klar, dass meine Eltern mich liebten. Dennoch war unser Leben von Angst und Unsicherheit geprägt, nachdem wir den Repressionen in der Sowjetunion entflohen waren, um in den jungen Staat Israel zu ziehen, der vom Krieg verwüstet war. Wegen ihrer Taubheit konnten meine Eltern kein Hebräisch lernen, das so ganz anders als das Russisch war, das sie vorher gesprochen hatten. Darüber hinaus verloren meine Großeltern mütterlicherseits das Geld, das sie aus der Sowjetunion mitgebracht hatten, durch schlechte Investitionen in Israel. Bei alledem glaubte meine Großmutter dennoch unerschütterlich an mich und fand Wege und Möglichkeiten, mir zu helfen. Sie blieb nach den Operationen bei mir am Krankenbett, als ich traumatisiert und verunsichert war, weil ich viele andere Kinder um mich herum weinen hörte.

      Andere Mitglieder meiner Familie waren der Meinung, dass ich die Sozialfürsorge in Anspruch nehmen solle. Ich hatte zwar kein Problem damit, meine Familie um Geld zu bitten, aber irgendwie wollte ich es nicht vom Staat annehmen. Diese Einstellung entsprang einem tiefen Instinkt, dessen Ursprung ich erst später verstand, als ich reifer wurde. Ein Mensch, der staatliche Unterstützung erhält (was bei vielen Behinderungen der Fall ist), läuft leicht Gefahr, ein schlechtes Selbstbild zu entwickeln und sich als bedürftig oder bemitleidenswert zu sehen; das kommt automatisch, ob es einem gefällt oder nicht. Greift man aber nicht auf diese Unterstützung zurück, bekommt man ein stärkeres Selbstbild und ist gezwungen, eigenständig zu werden.

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      Ab der siebten Klasse war ich der schnellste Braille-Leser in Israel.

      Ich war fest entschlossen, dass ich nicht als Blinder stigmatisiert werden wollte. Dieser Entschluss war der Beginn meines Wandels und einer Veränderung, ohne die ich nicht dahin gekommen wäre, wo ich heute bin. Als Reaktion auf den Mangel an Sicherheit und die Ungewissheit, die die frühen Jahre in meinem Leben prägten, entwickelte ich ein Gefühl der Entschlossenheit und Selbstverpflichtung. Andere Kinder wollten oft nicht mit mir spielen. Auf Partys wollten die Mädchen nicht mit mir tanzen. Manchmal fühlte ich mich einsam. Ich begriff aber, dass die Wahl bei mir lag, ob ich depressiv oder glücklich war.

      So flüchtete ich mich in meine Braille-Bücher. Mit meinen Büchern war ich in einer anderen Welt und las stundenlang. Selbst wenn meine Mutter sagte: „Zeit zu schlafen, Licht aus“, versteckte ich die Bücher einfach unter meinem Bett. Unsere Wände waren zwar dünn, aber sobald das Licht aus war und ich wusste, dass sie mich nicht mehr sehen konnte, zog ich meine Bücher wieder hervor und las weiter.

      Jedes Mal, wenn wieder neue Braille-Bücher auf dem Postamt eintrafen, eilte ich dorthin, um sie abzuholen. Die Bücher waren riesig. Es muss schon ein wundersames Bild gewesen sein, das ich abgab – ein kleines Kind, das einen sehr großen Schulranzen auf dem Rücken trug, der an den Schultern festgeschnallt war, dazu eine Braille-Schreibmaschine unter den einen Arm geklemmt und eine Tasche voller Braille-Bücher unter den anderen. Mehr als einmal fiel die Schreibmaschine zu Boden und war beschädigt und wir mussten dann die Reparaturkosten bezahlen. Mein Vater ärgerte sich immer über den hohen Preis und ich fühlte mich schuldig, weil ich die Schreibmaschine fallen gelassen hatte.

      Langsam, aber sicher, bauten