Название | Handbuch Anti-Aging und Prävention |
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Автор произведения | Rüdiger Schmitt-Homm |
Жанр | Сделай Сам |
Серия | |
Издательство | Сделай Сам |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783954842841 |
Eine Reihe dieser biologischen Substanzen sind Bestandteil zentraler Coenzyme und Substrate innerhalb der Zellen. Wie wir heute wissen, kann eine gezielte Substitution typische Altersstörungen der Enzymfunktionen beheben und darüber hinaus das Fortschreiten von Genveränderungen, Zelltod und Altern signifikant verzögern. Zu den in diesem Zusammenhang wissenschaftlich untersuchten biologischen Stoffen mit einer dokumentierten Wirksamkeit gehören:
● Carnitin (natürliche Aminosäure, unter anderem in rotem Fleisch enthalten; als Nahrungsergänzung frei verkäuflich)
● Alpha-Liponsäure (natürliche Zellsubstanz; in Europa als Nahrungsergänzung erhältlich, in Deutschland als apothekenpflichtiges Medikament)
● Cystein (natürliche schwefelhaltige Aminosäure, die an vielen Entgiftungsreaktionen und an der Bereitstellung von Schutzenzymen beteiligt ist; als Nahrungsergänzung erhältlich; bei hohem Homocystein kann eine gezielte Zufuhr auch die Gefäßalterung reduzieren; bei dem Atemwegsmedikament ACC handelt es sich übrigens um den gleichen Wirkstoff)
● Coenzym Q10 (natürlicher Zellbestandteil und Antioxidans; frei verkäuflich)
● Folsäure (gilt als Vitamin; insbesondere Schwangere sowie ältere Menschen sind selbst bei normaler Ernährungslage meist nicht optimal versorgt)
● Vitamin B12 (eine wirklich optimale Bereitstellung ist vor allem bei Älteren durch deren erhöhten Bedarf selten und auch bei Frauen ab mittlerem Lebensalter außer über den Konsum von Leber kaum ohne Ergänzung sicherzustellen)
● Pyridoxin / Vitamin B6 (bei Rauchern und Frauen, die Östrogene einnehmen, sind selbst bei ausgewogener Ernährung deutliche Defizite häufig, die Mindestdosierung liegt hier fünf- bis zehnfach höher, als es in der Durchschnittsernährung enthalten ist; bei hohem Homocystein kann eine gezielte Zufuhr die Gefäßalterung signifikant reduzieren)
● Vitamin D (gilt als Vitamin, obwohl es eigentlich eher zu den Hormonen zu zählen ist; jüngere Forschungsdaten zeigen eine erstaunlich umfassend protektive Rolle im Bereich Krebs, Knochen, Gefäße und Lungenkrankheiten; optimale Blutspiegel von 90–100 nmol/L werden in Mitteleuropa von der Mehrheit der Bevölkerung nicht annähernd erreicht)
● Magnesium (bei den meisten Menschen heute in der Ernährung unterrepräsentiert; hat einen direkten Effekt auf die Ausprägung bestimmter alternsrelevanter Gene)
● Zink (aktiviert direkt genregulatorische Vorgänge mit größten Auswirkungen auf das Immunsystem und die Entzündungsregulation und damit insgesamt auf die genabhängige Langlebigkeit. Die optimale Zufuhr liegt bei immunologischer Beanspruchung, Entzündungsreaktionen oder im Alter im Bereich von 30–50 mg; die Optimaldosis wird bei Konsum von Austern und Meeresfrüchten, ansonsten über eine Durchschnittsernährung jedoch kaum erreicht)
Wie das Wechselspiel von genetischen Störungen und der Zellalterung genau funktioniert und wie effektive Gegenmaßnahmen aussehen, dafür werden wir in den folgenden Kapiteln noch Beispiele sehen.
Beispiele für Seneszenzerscheinungen und Krankheiten, …
… die von alternsbedingten Genveränderungen mit nachfolgenden Enzymstörungen verursacht werden:
– Gedächtnisprobleme
– Herzschwäche
– Lernschwierigkeiten
– Muskelschwund
– Schwerhörigkeit
– Sehstörungen (Makuladegeneration)
Resveratrol
In epidemiologischen Studien (= Vergleiche zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen) taucht seit Jahrzehnten immer wieder ein ebenso merkwürdiger wie heiß diskutierter Befund auf: Rotweintrinker scheinen älter zu werden und im Alter gesünder zu sein als Menschen mit anderen Trinkgewohnheiten oder Nichtalkoholiker.
Nun ist es mit Vergleichen zu Trink- und Essgewohnheiten so eine Sache. Entsprechende Studien bergen immer das Risiko nicht beachteter Fehlerquellen, worauf auch eiligst alle die hinwiesen, die über die Ergebnisse weniger erfreut waren: Abstinenzler, Regierungen skandinavischer Länder mit ihrer rigiden Drogenpolitik und nicht zuletzt die Bierlobby.
Doch die Diskussion ist entschieden. Zunächst konnte schon vor einigen Jahren die Substanz identifiziert werden, der die beobachteten Effekte zugeordnet werden können: Es ist das in den Schalen roter Trauben enthaltene Resveratrol, ein sogenanntes Stilben, das zur Gruppe der pflanzlichen Polyphenole gehört. (Anmerkung: Resveratrol ist unter anderem auch in Blaubeeren, bestimmten Pinienarten und der asiatischen Heilpflanze Polygonum cuspidatum enthalten; andere gesundheitlich wirksamen Polyphenole finden sich zum Beispiel in grünem Tee, Olivenöl, Orangenschalen oder im Kakao.)
Im nächsten Schritt versuchten Wissenschaftler, den genauen Mechanismus aufzuklären, der für die offensichtlichen Gesundheitswirkungen verantwortlich ist. Und dabei gab es gleich zwei Überraschungen. Resveratrol zeigte nicht nur gesundheitliche Wirkungen, sondern scheint tatsächlich den Ablauf der Alterung beeinflussen zu können. Und: Resveratrol greift über einen chemischen Schlüssel auf Zellebene direkt in die Steuerung eines Alterungsgens ein.
Welche Brisanz in dem letzten Befund steckt, können Sie aus dem Umstand ersehen, dass die an dieser Forschung beteiligten Wissenschaftler nach ihrer Entdeckung ein eigenes Biotech-Unternehmen gründeten, um sich ganz diesem Forschungsbereich und nicht zuletzt der praktischen Nutzung und Vermarktung entsprechender Produkte widmen zu können. Doch zur Vermarktung kam es erst gar nicht. Der Pharmakonzern Glaxo kaufte 2008 kurzerhand das ganze Unternehmen samt seiner Forscher und vor allem sämtlicher Rechte. Und während unsere Gesundheitsbehörden nicht müde wurden, uns Verbrauchern das ewige Lied von der Wirkungslosigkeit von Resveratrol und anderen Nahrungsergänzungen zu singen, waren Glaxo die Rechte rund um einen schlichten Traubenextrakt einiges wert. Sie legten eine dreiviertel Milliarde Dollar auf den Tisch.
Böse Zungen mutmaßten, die Pharmaindustrie wolle eigentlich nur verhindern, dass ihre Kunden durch die freie Verfügbarkeit einer Resveratrol-Pille zu gesund und damit zum Gewinnrisiko würden. Nun, in jedem Fall arbeitet der Konzern an abgewandelten und damit patentierbaren synthetischen Resveratrol-Analogen unter anderem für eine Zulassung als Diabetesmedikament. Hat Glaxo damit Erfolg, wartet ein immer schneller wachsendes Heer von Diabetikern. Die Rechnung dürfte also so oder so aufgehen. (In dem seit den 80er-Jahren drastisch zugunsten der Industrie veränderten Medizinsystem geht die Rechnung für die Pharmaindustrie immer auf. Aber wir schweifen ab.)
Resveratrol wirkt als Aktivator für sogenannte Sirtuine, einer Proteinfamilie mit verschiedenen Aufgaben rund um die genetische Zellsteuerung. Eine entscheidende Auswirkung einer solchen Aktivierung ist eine Verlangsamung der Zellalterung auf genetischer Ebene. Den ersten Praxisstudien mit Hefepilzen (30 Prozent Lebensverlängerung) folgten Untersuchungen bei immer komplexeren Organismen: Würmern, Insekten und Fischen – überall mit ähnlichem Resultat (50 bis 59 Prozent Lebensverlängerung). Studien mit Mäusen laufen bereits und könnten schon sehr bald weitere Bestätigungen liefern.
Interessant ist übrigens, dass der genetische Mechanismus einer Sirtuin-Aktivierung auch bei Nahrungseinschränkung zur Verlangsamung der Alterung beiträgt (s. Kap. II.12). Vermutungen, dass das sogar die alleinige Ursache für den Alternsbeeinflussung bei kalorischer Restriktion sei, konnten allerdings jüngst widerlegt werden.
Praxis und Dosierungen
Spätestens seit verschiedenen 2006 veröffentlichten Untersuchungen zweifelt kaum jemand der mit dem Thema beschäftigten Wissenschaftler ernsthaft daran, dass mit Resveratrol eine Substanz gefunden wurde, die auch beim Menschen die biologische Altersuhr zumindest verlangsamen kann. Noch immer unklar ist aber, welche Dosierung dazu notwendig ist. Die bisherigen Tierstudien lassen in dieser Hinsicht keine seriösen Ableitungen zu.
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