Das offene Versteck. Robert de Taube

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Название Das offene Versteck
Автор произведения Robert de Taube
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783862872299



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auf die Juden.“12 Die Plünderungen wiederholten sich in den nächsten Tagen noch zweimal. Am 19. November brachten zwei SS-Leute Samuel de Taube zum Sitz der Wilhelmshavener NSDAP-Kreisleitung. Der Kreisleiter13 und die Gestapo zwangen ihn, das Haus in der Adalbertstraße unter Marktwert an die Kreisleitung zu verkaufen, ansonsten würden seine Söhne nicht aus dem KZ Sachsenhausen herausgelassen.14

      Robert de Taube wurde am 9. Dezember 1938 fast zeitgleich mit seinen Brüdern entlassen, er schildert die Qualen dieser vier Wochen eindringlich in seinen Erinnerungen. Aus diesem Lager der SS kamen die Häftlinge nur unter der Auflage heraus, sofort die Auswanderung zu betreiben und über die Haft absolutes Stillschweigen zu bewahren. Er durfte ebenfalls nicht auf das inzwischen offiziell beschlagnahmte Grashaus zurück, alle de Taubes mussten sich in Wilhelmshaven aufhalten. Erneut in ein KZ verschleppt zu werden, stand bei allen folgenden administrativen Vorgängen unausgesprochen und auch häufig direkt ausgesprochen als Drohung im Raum.

      Bereits zum 10. November 1938 hatten die Behörden den Landwirt und damaligen stellvertretenden Ortsbauernführer Eilert Behrends aus Horsten zum Verwalter für die einstweilige Fortführung des Wirtschaftsbetriebs und für die Verwaltung und Veräußerung des Ernst und Robert de Taube gehörenden Pachtvermögens eingesetzt. Das lebende Inventar umfasste im November 1938 nach Auflistung von Behrends 16 Pferde, 236 Stück Rindvieh, 28 Schafe, 22 Schweine und ein paar Dutzend Hühner, aber offenbar war schon einiges weggekommen.

      In den Wochen nach dem Pogrom erließ die Reichsführung eine Fülle von Verordnungen, die zügig von den nachgeordneten Behörden und den Banken umgesetzt wurden. Sie beendeten das Geschäftsleben der jüdischen Einwohner, zwangen sie unter Genehmigungspflicht in kurzer Zeit zum Verkauf ihrer Häuser, Grundstücke und Wertsachen, sperrten die Konten mit den vorhandenen und durch den Zwangsverkauf erzielten Vermögenswerten, erhoben Sondersteuern, erlaubten nur Ausgaben zum Lebensunterhalt und konfiszierten über die sogenannte Reichsfluchtsteuer, was zum Zeitpunkt der Auswanderung übrig geblieben war. Zurück blieb ein kleiner Rest. Der einstige Millionär Samuel de Taube hatte bei seiner Einreise nach England 10,- Reichsmark in der Tasche.

      Samuel de Taube wurde mit Schreiben vom 2. Februar 1939 angewiesen, sein Grundeigentum binnen vier Wochen zu veräußern und es zu diesem Zweck zu einem bestimmten Preis der Hannoverschen Siedlungsgesellschaft (HSG) zum Kauf anzubieten. Nach einem vergeblichen Protest wegen des unangemessen niedrigen Preises und einer Reihe von Einschüchterungen erreichten die Nationalsozialisten schließlich am 21. April 1939 die Übertragung der rund 153 Hektar an die HSG. Die Eintragung im Grundbuch erfolgte am 23. Juni 1939. Das tote und lebende Inventar gehörte den Pächtern Ernst und Robert de Taube jeweils zur Hälfte und wurde bei demselben Termin im Regierungspräsidium Aurich ebenfalls an die HSG und ebenfalls weit unter Marktwert zwangsverkauft. Die ausgefertigten Verträge lagen zur Unterschrift bereit und durften nicht mehr verändert werden. „In Aurich wurden wir wie Verbrecher behandelt“, berichtete Samuel de Taube. Seinen Sohn Ernst habe er folgendermaßen bei einer Beratungspause auf dem Korridor zur Unterschrift bewegt: „Es bleibt uns ja doch nichts anderes übrig, wir haben ja doch keine Rechte mehr, lass uns unterzeichnen. Wir können froh sein, wenn wir lebendig herauskommen.“15

      Siedlungsgesellschaften waren zur Zeit des Nationalsozialismus mit dafür zuständig, die rassistische agrarpolitische Ideologie von „Blut und Boden“ umzusetzen. Im Reichserbhofgesetz vom 29. September 1933 heißt es: „Die Reichsregierung will […] das Bauerntum als Blutquelle des deutschen Volkes erhalten. […] Bauer kann nur sein, wer deutscher Staatsbürger, deutschen oder stammesgleichen Blutes und ehrbar ist.“ Die HSG bildete aus den Grundstücken des Juden Samuel de Taube einen Resthof von rund 72 Hektar, das meint das Gelände direkt um das Grashaus, und bot diesen dem Kreisbauernführer Erich Reents aus der Nähe von Wittmund zum Kauf an. Die Familie Reents ließ zunächst den Hof im Auftrag bewirtschaften und zog im Oktober 1939 selbst ein. Die sonstigen Grundstücke zur Gesamtgröße von rund 81 Hektar verkaufte die HSG an 25 Landwirte aus dem Raum Horsten zur Aufstockung ihrer Betriebe, die vorwiegend bisher nicht über Klei- bzw. Ackerland verfügten und zum Teil auch die Höherstufung ihres Hofes als „Reichserbhof“ erlangen wollten.

       VI. Emigrationsbemühungen

      Die aus dem KZ Sachsenhausen entlassenen Brüder Ernst, Robert und Kurt de Taube mussten in regelmäßigen Abständen ihre Ausreisebemühungen persönlich bei der Gestapo nachweisen. Bereits im Dezember 1938 unternahmen sie den Versuch, in die USA auszuwandern, da hierzu in einem gewissen Maße landwirtschaftliche Vorerfahrung nützlich sein konnte. Zertifikate zum Nachweis landwirtschaftlicher Tätigkeit zur Vorlage beim Konsulat in Bremen stellten u.a. der Oldenburger Landesrabbiner Leo Trepp und ausgerechnet der genannte Kreisbauernführer Erich Reents aus.16 Das Ziel USA zerschlug sich für die Brüder de Taube vermutlich deshalb, weil dort keine Fürsprecher die nötigen Bürgschaften leisten konnten.

Foto

      Rosa und Samuel de Taube (vorne) mit Recha und Robert Pohl 1940 in Birmingham

       (© Sammlung Pohl, Lexington, Kentucky)

      Ganz anders sahen die Chancen in England aus. Dr. Robert Pohl, den die ältere Schwester Recha nach dem Tod ihres ersten Ehemanns Max Heymann in zweiter Ehe geheiratet hatte, war von 1906 bis 1919 bei English Phoenix Dynamo in Bradford, Yorkshire, beschäftigt gewesen. Er besaß zur britischen Insel zahlreiche alte Kontakte sowie neue, die er - bis zu seiner Entlassung durch die Nationalsozialisten - durch das Prestige eines Chefingenieurs der AEG Turbinenwerke in Berlin bekam. Den 1912 geborenen Stiefsohn Horst Heymann hatte er 1927/28 eine Quaker-Schule in England besuchen lassen. Horst brach 1933 sein wegen der nationalsozialistischen Berufsverbote zwecklos gewordenes Studium an der Technischen Hochschule Darmstadt ab, ging zusammen mit seiner späteren Ehefrau Edith Marcuse nach Birmingham und schloss dort mit Hilfe der Freunde von Robert Pohl die Ausbildung zum Elektroingenieur ab.17 Robert und Recha Pohl folgten nach einer sorgfältigen Planung im Juni 1938. Ihr gemeinsamer Sohn Walter besuchte bereits seit April 1937 ein Quaker-Internat in Somerset.

      Auf der Basis dieses familiären Netzes fanden Samuel und Rosa de Taube am 25. August 1939 in Birmingham bei den Pohls Aufnahme. Das war eine Woche vor dem Beginn des Zweiten Weltkriegs, des Luftkriegs mit England und dem Ende der Emigration dorthin. Die Pohls mussten für das jetzt mittellose alte Ehepaar aufkommen und, da die eigene Wohnung begrenzt war, sie in einem Boarding House in der Nähe unterbringen. Samuel de Taube berichtete 1946, wie am späten Abend des Tages vor der Abreise der protestantische Pastor und seine Ehefrau in das Gutshaus kamen, um ihr Entsetzen und Mitgefühl über das Geschehen auszudrücken. Seine Gemeinde sei so „verseucht“, dass sie es nur nachts wagen könnten, Abschied zu nehmen. „Unser und Ihr Gott lebt und wird Euch segnen. Er wird Gerechtigkeit und Anstand zurückkehren lassen.“18

      Mit Kriegsbeginn fiel England als mögliches Emigrationsland aus. Kurt schaffte im Februar 1940 die Ausreise in das zu diesem Zeitpunkt letzte Gebiet, das überhaupt noch Flüchtlinge aufnahm – Shanghai. Robert de Taube bemühte sich 1940, jetzt schon von Berlin aus, nach Australien und Bolivien zu kommen und lernte Spanisch und Englisch – vergebens. Ab April 1940 war die Tür aus Deutschland zu und der Völkermord an den europäischen Juden begann im Jahre darauf. Ernst de Taube und seine Ehefrau Frieda wurden 1943 von Berlin nach Auschwitz deportiert - ein Schicksal, das Robert de Taube für sich abwenden konnte.

       VII. Robert de Taube in Berlin 1940 bis 1945

      Mit Beginn Ende Januar 1940 organisierte die Geheime Staatspolizeistelle in Wilhelmshaven die Vertreibung der Juden in ihrem Zuständigkeitsbereich, d. h. dem Land Oldenburg und dem preußischen Regierungsbezirk Aurich (Ostfriesland). Begründet wurde die Aktion mit dem angeblich „weiterhin frechen Auftreten der Juden“, der „Gefahr“ jüdischer Spionage oder Sabotage in der „Grenzzonenregion“ Weser-Ems oder auch mit der Wohnraumbeschaffung für „deutsche Volksgenossen“. Mit solchen Sätzen hatten einige Landräte und Bürgermeister der Region schon seit Kriegsbeginn im September des Vorjahres darauf gedrängt, ihre Bezirke endlich „judenrein“ zu machen. Allerdings konnte die anfänglich