Название | Cyberland |
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Автор произведения | Gundolf S. Freyermuth |
Жанр | Изобразительное искусство, фотография |
Серия | |
Издательство | Изобразительное искусство, фотография |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783862871858 |
Generell lässt sich der Effekt der Nootropics mit der traditioneller Stimulantien wie Koffein, Kokain und Amphetaminen vergleichen. Die jedoch verschaffen dem Körper nur einen schnellen Schub, der die Gedächtnisleistung und das Kombinationsvermögen momentan steigert und das Gehirn wenig später erschöpft zurücklässt.
»Psychedelische Drogen verstärken die Fähigkeit zu fokussieren, sich zu erinnern und Informationen zu verarbeiten«, sagt R. U. Sirius. »Aber sie haben die Nachwirkung eines Vorschlaghammers.«
Smarte Drogen hingegen sollen als Dauerbrenner eine langfristige Erhöhung von Gehirnleistungen wie Konzentrations- und Assoziationsfähigkeit bewirken sowie die Alterungsprozesse des Gehirns verzögern.
Der Vorschlag, die Frequenzweite der Wahrnehmung und die Zahl der arbeitenden Schaltkreise im Gehirn durch chemische Stimulation zu erhöhen, dem Gedächtnis mehr Speicherfähigkeit und dem Denken schnellere Prozessoren zu besorgen, stieß im amerikanischen Westen auf ein breites Bedürfnis. Von San Francisco bis Phoenix schossen im Dutzend Mailorder-Firmen und Smart Bars aus dem Boden, in denen man sich mit Designer-Gehirnfutter und Denk-Getränken mit so schönen Namen wie »Intellex«, »Psyber Tonic« oder »Energy Elixir« versorgen kann, meist Mixturen aus Vitaminen und Koffein plus Cholin, Phenylalaline und Ephedra.
Prominenteste Lieferanten der Gehirnbrennstoffe für die smarte Szene sind die Lebensverlängerungs-Gurus und »Mondo 2000«-Autoren Durk Pearson und Sandy Shaw. Ihre Trockendrinks, die auch der Achtundsechziger-Revolutionär Jerry Rubin bis zu seinem tödlichen Unfall vertrieb, bestehen zu einem Großteil aus Aminosäuren, die sich im Körper zu zell- und Gewebe stärkenden Proteinen verbinden. Einige Aminosäuren und Ernährungsstoffe wie Choline verwandeln sich zu Neurotransmittern - Zerebralfutter, das die Verbindungen zwischen den Gehirnzellen stärkt.
Stärkere nootropische Gehirnbrennstoffe wie Deprenyl, Hydergine, Phenylalin, Milacemide, Phosphatidyleserin, Vasopressin oder Piracetam sind oft rezeptpflichtig und erfordern umständlichere Beschaffungswege. Piracetam etwa wird üblicherweise zur Nachbehandlung bei Schlaganfällen mit Gedächtnisverlust verschrieben. Als typische Droge des Computerzeitalters beschleunigt es den Datenbus zwischen den getrennten Denkmaschinen in der linken und rechten Gehirnhälfte. R. U. Sirius’ Liebling unter den smarten Drogen ist jedoch das euphorisierende und Gedächtnis steigernde Vasopressin.
»Vasopressin ist der chemische Stoff, der im Gehirn erzeugt wird, wenn man Kokain oder Amphetamine schnupft. Das Zeug gibt einem einen richtigen Kick. Man fühlt sich sehr stimuliert und interessiert sich für alles viel stärker«, sagt Sirius. »Anders als Kokain jagt es aber den Kreislauf nicht so hoch. Man hat das gute Gefühl ohne die Neben- und Nachwirkungen.«
Kevin Kelly, als damaliger Chefredakteur der »Whole Earth Review« ein früher Tester der Droge, gab ihm recht. Er beschrieb, mit welcher Klarheit und Selbstsicherheit er unter dem Einfluss von Vasopressin Thomas Pynchons »Gravity’s Rainbow« lesen konnte und nannte es eine Droge für Schriftsteller:
»Vasopressin ist ein hervorragendes Mittel, um schnelles Lernen und das Begreifen komplexer Gedankensysteme zu befördern.«
Andere, die Vasopressin versuchten, berichten jedoch von unangenehmen Nebenwirkungen wie Schwindelgefühlen, Krämpfen und dem unwiderstehlichen Wunsch nach Darmentleerung.
»Sicher, heute sind die Chemikalien oft noch stümperhaft und roh«, räumt Sirius ein. »Eines Tages werden wir Gehirnimplantate haben. Man wird in der Lage sein, auf einen Knopf zu drücken und so die Chemikalien im Gehirn zu aktivieren, die man gerade möchte.«
Bruce Sterling warnt direkter vor dem Boom der smarten Drogen: »Nehmt nichts von dem Zeug, von dem sie behaupten, es mache euch klüger. Es macht euch nur ärmer.«
Doch der Weg in die breiten Massen ist kaum aufzuhalten. Anti-Depressiva wie Prozac beseitigen allmählich das Stigma, das in weiten Kreisen über Bewusstseinsverändernden Chemikalien lag. Umfragen zufolge nehmen bereits über einhunderttausend Amerikaner regelmäßig smarte Drogen, und von den pharmazeutischen Konzernen werden gegenwärtig über einhundert neue Produkte entwickelt.
Natürlich ist die smarte Szene derzeit klein im Vergleich zu den Millionen, die seit Jahren mit Bewusstseinserweiternden Drogen experimentieren. Auch zu Marihuana, Heroin oder Kokain gibt es aber Alternativen, Drogen wie Ecstasy, Lucidril, L-Dopa, MDMA. In der Cyberkultur werden diese sogenannten »Neuromantics« wegen ihrer Realitäts- modulierenden Kräfte hochgeschätzt. Sie seien, schrieb Tony Marcus in »I-D«, nachdem er »New Brainia« besucht hatte, »der Kultur-Generator, dessen Energie die Cyberpunks der Stadt, die Techno-Hippies und die [Rave-]Clubs in die Zukunft treibt.« Und Rudy Rucker sagt: »Ich bin aus politischen Gründen pro-psychedelisch, weil das bedeutet, gegen die Konsensus-Realität zu sein, und das bin ich mit allem Nachdruck.«
R. U. Sirius sieht die kreativen Kräfte der neuromantischen Drogen als notwendige Aufhebung der Beschränkungen, die der chemische Normalzustand unseren Gehirnen auferlegt. Er schwärmt von den Meisterwerken, die die Drogenkultur der sechziger und siebziger Jahre in Kunst, Literatur, Musik und auch in der Computerindustrie hervorbrachte. Mark Heley, Rave-Organisator in San Francisco, geht noch ein Stück weiter:
»Smarte Drogen und virtuelle Realitäten werden die Welt ändern. Sie wirken wie Zeitbomben. Eine posthumane Kultur ist im Entstehen - wir werden so etwas wie eine neue Spezies.«
Cybertheorie: Wissenschaft als Rebellion. Die Grenzen nicht anzuerkennen, die das jeweils herrschende Weltbild dem Denken und Forschen zieht, das sei die wichtigste Aufgabe der Wissenschaft, meint der Princeton-Physiker und Extropianer Freeman Dyson. »Wissenschaft ist eine Allianz aller freien Geister in allen Kulturen«, schreibt er, »die gegen die jeweilige Tyrannei rebellieren, mit der jede Kultur über ihre Kinder herrscht.« Nicht immer jedoch finden die intellektuellen Ergebnisse solcher Rebellionen außerhalb der wissenschaftlichen Gemeinde ein Interesse, das über Ablehnung hinausginge.
Kollektive Theoriefeindlichkeit ist stets ein Zeichen für sowohl geistige wie historische Stagnation und weist auf Gruppen, die sich eingerichtet haben und in ihren Gewohnheiten und Gedankenlosigkeitsmustern nicht stören lassen wollen. Zeiten des Umbruchs und revolutionäre Bewegungen hingegen versuchen, das Neue, das sie erspüren, zu verstehen, indem sie es auf den Begriff bringen. Theoretische Auseinandersetzung ist in ihrem Kontext keine entfremdete Tätigkeit von wissenschaftlichen Spezialisten. Sie dient vielmehr der Klärung existentieller Fragen und ist ein Stück intellektueller Lebenshilfe. Die cyberbewegte Avantgarde-Szene unterscheidet sich in diesem Punkt nicht von ihren politischen, ästhetischen und wissenschaftlichen Vorgängern. Denkfiguren erster Wahl beim Prozess ihrer Selbstverständigung sind Theorien der Postmoderne, insbesondere Poststrukturalismus und Dekonstruktion.
»Ich habe eine Schwäche für französische Autoren, für Leute wie Foucault, Lacan, Deleuze, Derrida und Baudrillard«, gesteht R. U. Sirius. »Sie bieten eine hysterische, oft paranoide, aber immer sehr erkenntnisreiche Sicht auf die grausame Seite unserer Technikkultur. Sie verhandeln Probleme von Sprache und Wirklichkeit in Begriffen aus der Technikwelt. Mit anderen Worten: Sie sehen unsere Gesellschaft als eine große Maschine an, eine Art Betriebssystem. Und sie sprechen vom Hyperspace auf eine Weise, die sehr viele Ähnlichkeiten zum Konzept des Cyberspace besitzt: dass das Reich der Informationen einen Lebenszusammenhang darstellt und nicht einfach eine unwichtige Begleiterscheinung unserer Arbeit ist. Deshalb haben sie auch großen Einfluss auf die Cyber-Schreiber an den Universitäten.«
Die Adaption des Dekonstruktivismus, für die Sirius’ hartnäckige Expeditionen in die zeitgenössische Philosophie typisch sind, scheint durchaus folgerichtig. »Dekonstruktion« - das klingt nicht nur nach einem Abrissunternehmen. Es ist eines. Zertrümmert werden soll die herrschende Ordnung der Dinge und des Denkens. Gleichberechtigte Vielfältigkeit tritt theoretisch an die Stelle des bis dato beherrschenden totalitären Einheits-Denkens: des Glaubens, der Philosophien, der Ideologien, die jeweils alles Abweichende unterdrücken. Wobei, selbstverständlich, der intellektuellen Dekonstruktion realer Zerfall vorangegangen sein soll: der Wirklichkeit, der Tradition, der Kultur, der Kunst, des Denkens.
Die primären Kennzeichen der postmodernen