Human Punk For Real. Marco Thiede

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Название Human Punk For Real
Автор произведения Marco Thiede
Жанр Философия
Серия
Издательство Философия
Год выпуска 0
isbn 9783862871384



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Zeiten der Einstürzende Neubauten hatten wir im Keller vom besetzten Thiele-Speicher so was wie ‘ne Art Proberaum. Wir gründeten unsere „Band“ Junge Union und trommelten dann wie die Irren auf Einkaufswagen oder Regentonnen herum. Wie gesagt, ein Instrument konnte ich ja nie spielen.

      Wir gingen dann ab und zu auf Konzerte und verteilten Flugblätter mit der Aufschrift: Auftrittsverbot für Junge Union. Davon war natürlich kein Wort wahr. Niemand hatte uns geladen und wir hatten auch kein Interesse jemals zu spielen. Es ging nur darum, Aufmerksamkeit zu erregen und Leute zu verarschen. Aber wir brachten es sogar zu ‘nem Tape namens „Robbenfänger“.

      Krusewitz hatte Kunst auf ‘ner Waller Hochschule studiert und konnte seinen Rektor irgendwie davon überzeugen, dass wir als Kunstprojekt dort spielen durften.

      Ich hatte natürlich keine Ahnung, was mich erwartete, als ich irgendwann ankam. Die etwa 500 Zuschauer natürlich auch nicht.

      Krusewitz und M. Glomb, seine damalige Freundin, hatten sowas wie ein Gerüst und ein paar Tonnen in der Aula aufgebaut. In einigen Einkaufswagen befanden sich ein paar Plastiktüten mit Schweinspfoten und anderem Gedärm.

      Als es dann losging, zertrümmerten wir alles um uns herum und bewarfen die Zuschauer mit den Schweinspfoten. Das ganze hatte ungefähr zwei Minuten gedauert und der Saal war innerhalb einer Minute leer, abgesehen von ein paar Hippies, die sich eisern wehrten und nicht gehen wollten.

      Wir liefen dann nach hinten, traten eine Scheibe ein und verschwanden, uns halbtot lachend, vom Schulgelände. Was für ein Spaß.

      Der besetzte Thiele-Speicher brachte dann auch eine eigene Zeitung raus, den Urknall, für den ich dann auch ab und zu ein paar Comics zeichnete. Wenn ich dann bei Charly am drucken war, hatten wir ständig die Zivis vor dem Haus. War schon ein komisches Gefühl, aber zum Glück gab’s nie ‘ne Hausdurchsuchung.

Foto

      Wanne, Voller, Krusewitz und Thiede am Utkiek in Vegesack

      Bremen-Vegesack war damals ein relativ guter Standort, im Gegensatz zu heute. Dort gab es kaum Stress mit Glatzen oder sonstigen Prolls. Zum Glück kannte ich durch meinen Bruder immer alle üblen Typen und hatte wenig zu befürchten. Außer einmal, als ich beim Autoscooter mit ‘ner Freundin stand und ein Mädel mit zwei Typen vorbeizog. Ich hörte nur das übliche „Scheiß Punker“, und das Mädel hatte arge Schwierigkeiten, die Typen zurück zu halten. Ich wusste, dass die Typen auf dem Rückweg wieder vorbeikommen würden und ich dann „ne Reise“, bekommen würde. Zum Glück gingen dann ein paar von den ortsansässigen „Stadtgarten“-Schlägern und -Zechern, an mir vorbei und ich rief Panther zu: „Ey Panther, ich glaub ich krieg gleich Ärger!“. „Alles klar, wir gehen eben mal Bier holen“, entgegnete er.

      Panther sah aus wie der Typ von der Faxe-Reklame und hatte ‘ne Stimme wie 100 Rasierklingen. Von seinem Vorstrafenregister wollen wir mal gar nicht sprechen. Und dann kam‘s, wie es kommen sollte. Von rechts die beiden Asi Prolls und von links Panther und seine Freizeitkiller-Gang.

      Ich sagte nur: „Die da“, und zeigte auf die dämlich verdutzten Asis. Danach wurde dann direkt zwischen Eisdiele und Mandelstübchen ein kleines Blutbad angerichtet. Das Blut spritzte sogar so hoch, dass sich die Zuckerwatte rot verfärbte. Bis dann irgendwann ein paar Sanis bei mir ankamen und um Gnade für die Windelweichen flehten. „Panther, lass man gut sein“, und danach war auch gut. Ich hatte einen der Vögel ein paar Tage später nochmal getroffen und er hat mich dann auch freundlichst gegrüßt. Geht doch!

      Derweil trieben sich die Oslebs, ein paar Marßeler und die Norder in einer Disco namens Break Out, in Bremen-Lesum, herum. Der Besitzer hasste uns, aber wir waren eisenharte Parasiten. Der Laden war komplett unser! Nebenan, über den Parkplatz ging‘s dann immer zum Futterpeter. Billiges Bier und Hamburger Koteletts. Sogar bis heute noch ein Krachermenü.

      Vereinzelt gab’s dann auch Hauereien mit irgendwelchen Disco-Asis, aber in unserem Mob befanden sich schließlich GG und andere, teils brutale Gestalten. R. Blanke knackte des Öfteren mal ein Auto und fuhr damit durch die Gegend. Und das, obwohl er keinen Führerschein hatte. Einmal sprach ich ihn an, als er gerade ein Auto geknackt und kurzgeschlossen hatte. „Thiede, komm rein“, sagte er. Wir schafften es gerade mal fünf Meter weit und fuhren direkt in ein vor uns parkendes Auto. Dann gingen wir wieder ins BO und tranken weiter.

      In der Gärdestraße hagelte es eine Party nach der anderen. Oft machten wir uns hinterher noch auf in die Dörfer, nach Kuhstedt ins Circus Circus, nach Merschendorf ins Circus Musikus oder nach Ahlhorn, zu ‘ner Punkkomune. Wir waren schon ein relativ mobiler Mob. Ständig auf Tour nach Hamburg, Holland, nach Groningen zu Thermo und Robbie ins WNC, nach Winterswijk in den Chi Chi Club, nach Hengelo ins Babylon, nach Amsterdam zu unseren holländischen Freunden Dick, Ed und Klaas in Hoogeveen. Berlin war auch immer ein schönes Reiseziel. Uns war nichts zu weit.

      Im Dezember 1981 organisierte ich dann mein erstes Punk-Konzert im Jugend-Freizeitheim Alt-Aumund, in HB-Nord. Ich weiß zum Teil gar nicht mehr wie ich an die Bands gekommen bin. Es spielten Aspirin aus Düsseldorf, GGs Band Volksabstimmung, Niveau Null, Dorfjugend und Schweine im Weltall aus Oldenburg. Über dieses Line Up scheiden sich die Geister. Das Konzert war gut besucht und ein voller Erfolg.

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      Volksabstimmung: Staffi, Fickfrosch, ?, ?

      Nachts, wenn wir dann aus der Stadt, aus ‘m B.O. oder sonst wo herkamen, ging‘s dann immer ab zu einem der zwei Außer-Hausverkäufe die wir hatten. So was gab’s nur in Bremen-Nord. Privatleute, die Alkohol verkaufen durften. Egal ob fünf Uhr morgens oder später, wir kriegten Opa Pezel aus der Pezelstrasse immer aus dem Bett. Im Winter Schneebälle an die Scheibe, im Sommer alte Schuhe oder Kieselsteine.

      Neben dem B.O hingen wir auch öfters bei unserem Freund Riedl (RIP) in seinem Keller in Oslebs ab. Dort ging es immer ziemlich hoch her. Und all die harten Jungs zuckten immer zusammen, wenn seine Mutter, „die Krabbe“ Erna, stampfend die Treppe herunterkam. Riedl hat ihr dann immer ein „Halts Maul Krabbe!“ entgegen geworfen. Bei Riedl im Keller stand nie das Huka still und es wurde gefeiert bis die Krähen kotzten.

      Derweil fing die Szene in Bremen an, sich zu ändern. Sie wurde eigentlich noch härter, da nun auch vermehrt härtere Drogen im Spiel waren. Als ich noch meinen kopfschüttelnden Eltern voller Stolz erzählt hatte, wie ich sah, dass sich Dröhnung ‘ne Nadel in den Arm haute, wusste eigentlich niemand, dass sich das Sielwalleck bald in Zombieland umwandeln würde.

      Das ging rasend schnell, und auf einmal musste man aufpassen, wen man auf seine Partys einlud. Das war echt ‘n Scheiß Thema. Schnell sind dann einige an Überdosen Koks oder Heroin vor die Hunde gegangen. Hacki, Manni, Emilio... Somit hatte sich die Gangart auf den Konzerten auch sehr verändert. Immer wieder bekamen dann auch auswärtige Punks was auf die Mütze, was ich ziemlich Scheiße fand.

      Unterdessen hingen wir Punks jetzt neuerdings auch auf dem Marktplatz ab.

      1982 sollten dann die UK Subs bei Radio Bremen live spielen. Die Deppen von Radio Bremen (muss man leider sagen) verteilten, wie schon zuvor bei den Ramones, zehn Freikarten. Und was machen Deppen? Sie verteilen Schwarzweiß-Tickets. Ab ging‘s zum Kopierer und circa 80-100 Punks machten sich auf den Weg gen Radio Bremen. Die zwei kleinen dicken Ticketheinis konnten gegen die Übermacht natürlich nichts ausrichten. Somit schwirrte der Mob dann gen Bühne und bescherte den Subs ein feines Publikum. Nix bestuhlte Hippiescheiße, wie damals bei den Ramones. Ich wette, dass das die letzten Schwarzweiß-Tickets bei Radio Bremen waren.

      Im Aladin, einer Riesendisco in Bremen-Hemelingen, gab’s nun auch das eine oder andere Konzert. Das erste dieser Art müsste um 1980, mit Hansaplast, den grauenvollen Bärchen und den Milchbubis, und 39 Clocks, alle aus Hannover, gewesen sein. Es war ‘ne ziemlich aggressive Stimmung. So, dass man die Milchbubis schnell zum Teufel jagte und die 39 Clocks von der Bühne bottelte.