Название | Kein Weg ist lang |
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Автор произведения | Joe Schlosser |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783862871063 |
Der Hausherr paffte aggressiv an seiner Zigarre. Er war es schon lange nicht mehr gewohnt, Weisungen anderer zu befolgen. Das behagte ihm nicht. Das fiel ihm schwer. Es war ihm zuwider. Er spuckte ein kleines Stückchen Tabak aus und nickte widerwillig.
Der neue Gast im Haus bezog ein kleines Zimmer mit engem Duschbad in der oberen Etage der Villa. Es war nur spärlich eingerichtet und drängte dem Besucher das Gefühl auf, nur möglichst kurz bleiben zu sollen. Dauergäste wollte man hier im Hause nicht.
Noch am Abend klingelte sein Telefon. Er nannte seinen Namen. Der Anrufer schwieg einen Moment. Das kannte er. Die Anrufer in diesem Metier waren immer erst überrascht, machten sich Gedanken, wenn sie eine Stimme hörten, die ihnen nicht vertraut war. Aber eines war klar: Ihre Gier nach dem Geld ließ sie zögern, einfach wieder aufzulegen. Er wartete kurz, dann fuhr er fort. „Sie sind richtig verbunden. Ich bin nicht von der Polizei, sondern von der Familie hinzugezogen worden, die nervlich nicht in der Lage ist, diesen Vorfall ruhig und gewissenhaft abzuarbeiten.“ Er schob eine Pause ein, um seinem Gesprächspartner Zeit zu geben, sich auf diese Situation einstellen zu können. Aber er wartete nicht zu lange. „Ich bin dafür da, dass Sie Ihr Geld bekommen“ – das Wichtigste wie immer zuerst –, „und dass das Kind wieder unversehrt nach Hause zurückkommt. Können wir auf dieser Ebene zusammenarbeiten?“
„Sind Sie Privatdetektiv oder so etwas?“ Er registrierte, dass er gesiezt wurde. Ein Zeichen von Respekt und Akzeptanz.
„Nein. Ich bin Vermittler. Ich arbeite wie ein Notar. Ich achte darauf, dass beide Seiten gleichermaßen zu ihrem Recht kommen. Spezialisiert auf Geschäftsvorhaben wie dieses. Die betroffenen Familienangehörigen sind meistens zu nervös, um ein solches Geschäft ruhig und zur Zufriedenheit aller Beteiligten abzuwickeln. Dafür gibt es mich. Möglicherweise haben wir schon einmal zusammengearbeitet. Wenn Sie neu im Geschäft sind, werden Sie die Erfahrung machen, dass alles reibungslos verlaufen wird. Ich vertrete also nicht alleine die Interessen der Familie, sondern auch Ihre. Können wir auf dieser Basis zusammenarbeiten?“ Er fragte noch einmal. Er war bei der entscheidenden Frage angekommen. Er brauchte ein klares „Ja“. Doch sein Gesprächspartner war noch unentschlossen.
„Sie meinen also, Sie machen das alles. Ich kriege mein Geld, ich gebe Ihnen den Jungen. Und das warʼs dann?“ Ungläubigkeit sprach aus dieser Stimme. Es war also das erste Mal für ihn. Das machte es schwieriger.
„Genau so wird es sein. Falls Sie in der Branche Kontakte haben, erkundigen Sie sich nach mir. Man wird mich kennen. Jedenfalls in der gehobenen Kategorie, in der Sie sich bewegen.“ Ein wenig Schmeichelei war nicht falsch.
„Und wie geht das jetzt weiter?“ Endlich. Er hatte gewonnen.
„Notieren Sie sich eine Handynummer. Sie wird nur für dieses Geschäft benutzt werden. Danach nie wieder. Es gibt keine Fangschaltung. Keine Aufzeichnungen. Rufen Sie mich nur noch auf dieser Nummer an. Ich möchte in Kürze persönlich mit dem Kind sprechen und mich vergewissern, dass es ihm gutgeht. Danach können wir die Übergabe absprechen. Falls Ihre Vorschläge dafür nicht zu abwegig sind, werde ich auf alles eingehen. Ich übergebe das Geld persönlich. Ohne Begleitung. Keine Bewaffnung. Gewalt liegt mir fern und hat in unserem Geschäft nichts zu suchen. Sie können sich maskieren oder nicht. Das ist mir gleichgültig. Alles, was ich über Sie erfahre, wird von mir nicht weitergegeben. Das garantiere ich. Sonst wäre ich längst nicht mehr in diesem Geschäft. Kommen wir so überein?“
„Ich weiß noch nicht. Ich muss darüber nachdenken. Ich melde mich wieder.“
Er gab dem Entführer die Handynummer weiter und beendete das Gespräch. Alles war nach Plan gelaufen. Der Kontakt lief nur noch über ihn. Die Familie war ausgeschaltet. Risikominimierung. Einziger Wermutstropfen war, dass er es mit einem Ersttäter zu tun hatte. Da er wahrscheinlich nicht über einschlägige Kontakte verfügte, konnte er sich auch kein Bild von ihm und seiner Vertrauenswürdigkeit machen. Sein persönliches Risiko lag in der Geldübergabe. Wenn der Entführer keine Zeugen haben wollte, war nicht nur der Junge tot, sondern auch er selbst. Bei der Übergabe würde er sicher noch lebend präsentiert werden. Aber dann? Doch er machte sich darüber weiter keine Gedanken. Er hing nicht am Leben. Wenn es vorbei war, dann war es eben so. Und bislang hatte er noch jedes seiner diesbezüglichen Vorhaben zur Zufriedenheit aller gelöst. Tote oder Verletzte hatte es noch nie gegeben. Und nachträgliche Ermittlungen der Behörden auch noch nicht. Dafür war seine Tarnung einfach zu perfekt.
Manchmal, wenn Entführer auf die Hinzuziehung seiner Person bestanden, hatte er schon das Gefühl, dass der von ihm garantierte reibungslose Verlauf eines solchen Geschäfts den einen oder anderen Täter motivierte, gefahrlos eine weitere Entführung planen zu können, wenn das Geld mal wieder zu Ende war. Aber diese Gedanken belasteten ihn nicht wirklich. Entführer entführten eben. Und wenn er dafür sorgen konnte, dass alles einigermaßen glimpflich verlief, war er mit seiner Arbeit zufrieden. Das Geld interessierte ihn schon lange nicht mehr. Er hatte genug davon. Und nebenbei sorgte er dafür, dass die deutsche Kriminalstatistik nicht mit weiteren, besorgniserregenden Kapitalverbrechen belastet wurde. Und so hatten alle etwas davon. Die Politik eine funktionierende Sicherheit, die Angehörigen der Entführten ihre Lieben heil zurück. Sein Honorar konnten sie von der Steuer absetzen; er versteuerte es regulär. Und für die eigentliche Lösegeldsumme konnte in diesen Kreisen meist eine Regelung mit dem Finanzamt getroffen werden, falls sie nicht sowieso von einem Schwarzgeldkonto beglichen wurde. Und die Entführer führten das Lösegeld meistens gleich wieder in den Wirtschaftskreislauf zurück, an dem das Gemeinwohl wenigstens mit der Mehrwertsteuer beteiligt war. Und Kriminalbeamte, die bei der Involvierung in solche Fälle das Leben der Entführten alleine schon durch ihre Einbeziehung gefährdeten, konnten sich um andere Dinge kümmern, die bestimmt auch wichtig waren. Nein, er hatte keinen Zweifel daran, dass er eine wichtige Aufgabe in der Gesellschaft übernommen hatte und irgendwo auch der Allgemeinheit diente. Im Kleinen wie im Großen.
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