Название | Sprichst du noch, oder kommunizierst du schon? |
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Автор произведения | Wiglaf Droste |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783862870332 |
Am nächsten Tag schrieb ich diese Geschichte auf, mit einem MacBook Air.
Knirschschiene
Ein Sprechversuch
Manchmal muss der Mensch noch nachts im Schlaf die Zähne zusammenbeißen, seine jüngere oder ältere Vergangenheit zermahlen und herunterkauen, was ihn bedrückt. Mit gewaltiger Kilopondstärke presst er seine beiden Zahnleisten aufeinander ... und knirscht. Das Geräusch, das er auf diese Weise erzeugt, ist ähnlich angenehm wie das Quietschen von Kreide auf einer Tafel oder das Knarren einer Tür im Gruselfilm.
Wenn das nächtliche Zähneknirschen zum Regelfall wird, muss der Knirschmensch eine Zahnarztpraxis aufsuchen; der Zahnschmelzabrieb beim Knirschen ist enorm, das Gebiss wird in Mitleidenschaft gezogen, und um die autogene Zahnerosion zu stoppen, verpasst der Dentist seinem Knirschpatienten eine Knirschschiene.
Knirschschiene ist ein Wort, das sich schon ohne Knirschschiene im Mund nicht ganz leicht sprechen lässt. Für Knirschschienenträger ist es härteste Mundarbeit. Tschwei esch-tsche-ha schtoschen mitten im Wort aufeinander; esch bedarf der Kontschentratschion, damit dasch Wort Knirschschiene nischt tschwischen den Tschähnen schteckenbleibt.
Wenn ein auschgewakschener Mentsch mit Knirschschiene sprischt, entfaltet djeine Rede den Tscharme kindlischer Tschahnschpangenträger. Mit einer Knirschschiene im Mund über Knirschschienen tschu schpreschen, djorgt für grosche Freude beim Tschuhörer, und wenn deschen Lachen ohne fiejen Ton und der Knirschschienenträger ein Mentsch mit Humor ischt, entfaltet djisch beiderseitsch ein groschesch Vergnügen an Spreschherauschforderungen.
Eine Klangverwandte der Knirschschiene ischt die Kirschschnitte. Weit weniger gern geschehen ischt die Fischschuppe, die nischt nur in der Fischsuppe als schtörend empfunden wird.
In Wald und Flur wird mantscher Hirschschaden angerischtet, wofür die eine oder andere Hirschfleischscheibe tschu entschädigen vermag. Vom Tschweinebraten bleibt die Lutschschwarte übrisch, in Djugoschlawien ischt dasch Putschschaschlik ein Volkschgerischt.
Der Haschischschnorrer hat djogar drei esch-tsche-ha tschu bieten, macht djisch aber trotschdem unbeliebt; im Borschtsch werden die beiden esch-tsche-ha dursch ein te getrennt, wasch ihn für Knirschschienensprescher womöglisch djogar noch anschpruschsvoller macht; auch mit dem Tschultschwäntscher ertschielt er schöne Ergebnische. Die Reporter von Prominentschbreittretungschmagatschinen kann man alsch Klatschschwadronen betscheischnen, die jisch wiederum ausch Tratschschwadroneuren rekrutieren, die etwasch grob geschagt ihren Arschschnabel nischt halten können.
All dasch wäre mir niemaltsch in den Djinn gekommen, wenn esch keine Tschähneknirscher und keine Knirschschienen gäbe, und dasch wäre doch einfach tschu schade...
Mantschmal musch der Mentsch noch nachtsch im Schlaf die Tschähne tschuschammenbeischen, jeine jüngere oder ältere Vergangenheit tschermahlen und herunterkauen, wasch ihn bedrückt. Mit gewaltiger Kilopondschtärke prescht er jeine beiden Tschahnleisten aufeinander ... und knirscht. Dasch Geräusch, dasch er auf diese Weise ertscheugt, ischt ähnlisch angenehm wie dasch Quietschen von Kreide auf einer Tafel oder dasch Knarren einer Tür im Grujelfilm.
Wenn dasch näschtlische Tschähneknirschen zum Regelfall wird, musch der Knirschmensch eine Tschahnartschtprakschisch aufjuchen; der Tschahnschmeltschabrieb beim Knirschen ischt enorm, dasch Gebisch wird in Mitleidenschaft getschogen, und um die autogene Tschahnerojion tschu stoppen, verpascht der Dentischt jeinem Knirschpatschienten eine Knirschschiene. Und dann geht dasch immer scho weiter ...
Burnout für alle
dem großen schottischen Dichter Robert Burnsout gewidmet
Nachdem Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo dem Medien- und Machtstrizzi Karl-Theodor zu Guttenberg das Büßerhemd maßgeschneidert hatte, auf dass Deutschland künftig auf einen eigenen Berlusconi nicht länger würde verzichten müssen, fühlte er sich ein wenig ermattet. Außerdem war er von der langen Quakelei durstig geworden, doch wie es so geht bei unseren top-creativen Blattmachern, erwuchs di Lorenzo der etwas lasche Daseinszustand sofort wieder ins Produktive. »Ich bin müde, hab’ auch Brand, bin ich etwa ausgebrannt?«, formulierte der alerte Medienmann quasi druckreif, und so titelte die Zeit: »Noch jemand ohne Burnout?«
Wer aber will das wissen? Burnout ist als Thema ziemlich ausgebrannt und ausgeleiert, ausgebrannt sind quasi alle, zumindest, wenn es sich um Männer handelt, noch dazu um ganz wichtige. Frauen und Memmen leiden unter Depressionen, Männer haben Burnout. Im Gegensatz zum Drückebergerdepressiven hat sich der Burnoutler seinen Zustand hart erarbeitet. Wer Burnout hat, der hat vorher gekämpft! Ist »ans Limit gegangen«, hat »sein Potential abgerufen« und »seine Leistung gebracht«, hat sich »ausgepowert« und sich »weiter optimiert«, solange »noch Luft nach oben« war. Wenn ihm die aber doch einmal ausging, hat er »mental an sich gearbeitet« und sogar auf eigene Kosten einen »Motivationstrainer« beschäftigt, um nicht schlappzumachen.
Irgendwann kommt trotzdem der Befund,
der ihn restlos aus den Schuhen haut:
Die Fassade zwar wirkt noch gesund.
Doch dahinter flüstert’s schon: Burn out, Burn out...
Ohne Burnout geht nichts mehr bei Männern, Vattiland ist ausgebrannt. Niemand, dem es schlecht genug geht, wenn er ausgelaugt ist, erschöpft, fix und fertig, völlig alle, so richtig durch oder der einfach nicht mehr kann. Nein, das reicht nicht, das ist für Weichlinge und vor allem überhaupt nicht auf der Höhe der Zeit. Ins modisch-idiotische Nirwana wegformuliert klingt das so: »Depression war gestern. Jetzt ist Burnout.«
Wenn nicht sogar Burnout-Syndrom, denn Syndrom ist immer gut: Velodrom, Motodrom, Tempodrom, Burnoutsyndrom. In einem »Asterix«-Band wären das prima Vornamen, ähnlich wie in »Asterix und die Normannen«, in dem die Krieger aus dem Norden Maulaf heißen, Dompfaf oder Ganzbaf, und in dem es ja auch um Psychologie geht, also um Angst.
Burn out, mein Herz, und suche Freud...
Or und Ar und Schlecker
Wie man Drogerieketten abstreift
Sprachliche Überempfindlichkeit kann Schaden verhüten; so wie eine empfindliche Nase die Zusichnahme schlechter Nahrung verhindert, so kann auch ein gut ausgebildetes Trommelfell vor der Verletzung der innen angrenzenden Organe schützen. Jedenfalls habe ich es ausschließlich meiner Sprachidiosynchrasie und meiner Phantasie zu verdanken, dass ich niemals eine Filiale der Drogeriemarktkette Schlecker betrat. Die Vorstellung, jemand könne sich ausgerechnet bei Schlecker mit Toilettenpapier eindecken, ist entsetzlich und geradezu erbrechenmachend.
Irgendwann las ich einen Boykottaufruf gegen Schlecker; es ging um den Vorwurf, die Direktion der Firma lasse Angestellte bei der Arbeit ausspähen und bespitzeln. Mich musste man mit dieser bösen Geschichte nicht zum Schlecker-Boykott agitieren, ich ging ja ohnehin nicht hin – würde aber, ebenfalls aus rein sprachlichen Gründen, niemals »Schlecker? No way!« oder »Schlecker ist ein No go!« sagen.
In der Marketingabteilung von Schlecker scheint man von den positiven Wirkungen negativer Werbung überzeugt zu sein; anders ist die Parole »For you. Vor Ort« schwer zu erklären. Man muss die Kurzwörter nur einmal halblaut vor sich hin sprechen: »For you. Vor Ort«, dreimal »or« in vier Silben, das klingt nach Mordor und den Orks.
Ausgedacht hatte sich den mundbrecherischen Slogan eine Werbeagentur Grey; beauftragt und bezahlt von der neuen Schlecker-Generation: Meike und Lars Schlecker, den Nachfolgern ihres Vaters Anton Schlecker, dem Begründer der Schlecker-Dynastie im schwäbischen Schleck-, nein: Ehingen. Mit der »For you. Vor Ort«-Kampagne, so ließen die Schlecker-Youngsters einen Unternehmenssprecher verkünden, ziele Schlecker speziell auf Kunden der »niederen bis mittleren Bildungsniveaus«.
Dabei kann doch