Taufe, Firmung und Erstkommunion im Wandel. Friedrich Lurz

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Название Taufe, Firmung und Erstkommunion im Wandel
Автор произведения Friedrich Lurz
Жанр Документальная литература
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Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783766642486



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zur Taufe von Kindern.

      Die biblisch-historische Fragestellung

      Damit veränderte sich die Diskussion in Richtung einer biblisch-historischen Fragestellung, ob zur Zeit des Neuen Testaments schon Unmündige getauft wurden – dogmatisch hielten die beiden neuen „Kontrahenten“ die Kindertaufe für gerechtfertigt. Joachim Jeremias vertrat 1958 die Auffassung, dass neben anderen Stellen vor allem die so genannten Oikos-Formeln der Apostelgeschichte als Beleg für die Kindertaufe herangezogen werden müssen. Mehrfach finden sich im Neuen Testament Aussagen, dass sich eine Person und ihr ganzes „Haus“ (griechisch: oikos) habe taufen lassen (vgl. Apg 11, 13f.; 16, 15; 16, 31.33; 18, 8). Im Hintergrund stand die Übertragung der jüdischen Sitte, dass beim Übertritt zum Judentum sich nicht nur der Mann als Hausvorstand beschneiden ließ, sondern alle Familienangehörigen – auch die kleinen Kinder – die Proselytentaufe empfingen und alle männlichen Angehörigen beschnitten wurden. Gleiches wurde nun für den Übertritt zum Christentum vermutet – obwohl die jüdische Proselytentaufe selbst erst für spätere Zeit belegt ist. Kurt Aland hingegen sah 1961 gerade die Auffassung des Paulus, dass die Kinder einer heidnisch-christlichen Mischehe durch den christlichen Elternteil geheiligt seien (1 Kor 7, 14), als Beleg an, dass dieser von der Sündlosigkeit christlicher Kinder ausgehe. Erst die Kirche habe im Laufe des 2. Jahrhunderts eine andere Position eingenommen.

      Heute besteht ein gewisser Konsens, dass für die neutestamentliche Zeit eine Taufe von Unmündigen weder bewiesen noch widerlegt werden kann. Gängige Form war sicher die Erwachsenentaufe; für das Ende des 2. Jahrhunderts ist die Kindertaufe auf jeden Fall nachweisbar. Augustinus machte dann die bestehende Praxis der Kindertaufe mit ihren exorzistischen Formeln zur Grundlage seiner Erbsündenlehre, die die Tauftheologie der folgenden Jahrhunderte prägte.

      Die theologische Relevanz der Fragestellung

      Nun kann man leicht einwenden, dass dies doch eine rein innerevangelische Diskussion ist, die nicht weiter tangieren muss. Dennoch hat die Beobachtung der Argumente auch in der katholischen Kirche zu vorsichtigeren Äußerungen geführt. Die katholische Kirche hatte im Trienter Konzil die täuferische Position strikt abgelehnt mit der Begründung, dass die Taufe der kleinen Kinder, die keinen eigenen Glaubensakt vollziehen können, aufgrund des Glaubens der Kirche geschehe. Dahinter steht die Überzeugung der scholastischen Theologie, dass die Taufe den Glauben als habitus, d. h. als von Gott geschenkte Befähigung, eingieße. Der Glaube als actus, als eigenverantwortliche Verwirklichung des habitus, müsse im Erwachsenenalter folgen. Entsprechend wurde das Kind bis zur Liturgiereform in der Taufe angeredet, aber die Paten antworteten an seiner statt. In der Neuzeit wurde deshalb die Firmung zunehmend als Akt des eigenen, mündigen Bekenntnisses gedeutet. Folglich steht dann die Kirche in der Pflicht, den Glauben des Einzelnen nach der Taufe zu fördern. Solange die Gesellschaft und das Leben des Einzelnen von der Kirche geprägt waren, konnte von der beschriebenen Abfolge mit einiger Wahrscheinlichkeit ausgegangen werden.

      Die praktische Relevanz der Fragestellung heute

      Heute stellt sich die Situation aber anders dar in einer Gesellschaft, in der die beiden Großkirchen in Deutschland nur noch jeweils 30 % der Bevölkerung als Mitglieder zählen. Zwar fordert das katholische Kirchenrecht im Canon 867 § 1 weiterhin die Taufe eines Kindes in den ersten Wochen nach der Geburt und haben kirchliche Mitarbeiter mit Konsequenzen zu rechnen, wenn sie ihre Kinder bewusst nicht taufen lassen.

      Andererseits hat das liturgische Buch „Die Feier der Kindertaufe“ schon längst die neue Situation im Blick: Wenn weder die Eltern noch eine Person aus dem Umfeld des Kindes sich für die religiöse Erziehung des Kindes verantwortlich zeigen können, besteht die Möglichkeit des Taufaufschubs. Damit wird die Frage der Kindertaufe zu einer Frage der pastoralen Praxis, die erhebliches Fingerspitzengefühl erfordert. Zudem führt mittlerweile die konstante Zahl von Taufen von Kindern im Schulalter und von Erwachsenen (seit 1996 in Deutschland jährlich über 10 000) zu einer gewissen Gelassenheit im Umgang mit dem Phänomen.

      Von Seiten der Eltern scheint sich die Frage nach der Berechtigung der Kindertaufe in der Regel nicht zu stellen – die Taufrate der Kinder von in Glauben und Kirche gebundenen Eltern ist unvermindert hoch.

      Ein Gang durch die Geschichte bis in die Gegenwart

      Anknüpfung und Deutung der Taufe im Neuen Testament

      Im Neuen Testament gehören Christusglaube und Taufe untrennbar zusammen. Es scheint keine Zeit ohne Taufe gegeben zu haben – bereits die Pfingstpredigt des Petrus fordert: „Ein jeder von euch lasse sich auf den Namen Jesu Christi taufen zur Vergebung seiner Sünden“ (Apg 2, 38; vgl. 2, 41). Und selbst Textstellen, die die Taufe nicht explizit erwähnen, scheinen sie vorauszusetzen. Die einzige programmatische Taufaussage der Evangelien (Mk 16, 15f. und Mt 28, 19) ist wahrscheinlich erst späteres Gemeindegut – so sehr die Gemeinden darin die feste Überzeugung zum Ausdruck bringen mochten, mit ihrer Taufpraxis den Auftrag des Auferstandenen zu erfüllen.

      Damit stellt sich aber auch die Frage, woher die Taufe kommt: Ist sie genuine „Erfindung“ der frühen Christengemeinden oder knüpfte sie an Formen an, die in der jüdischen Umwelt bekannt waren?

      Mögliche Anknüpfungen der Taufe

      Im Alten Testament finden wir viele Stellen, die sich des Bildes vom Waschen oder Abwaschen mit Wasser bedienen, um damit das innere Geschehen einer Reinigung von Sünden zum Ausdruck zu bringen, bei dem sich der Einzelne als passiv erlebt: „Entsündige mich mit Ysop, dann werde ich rein; wasche mich, dann werde ich weißer als Schnee“ (Ps 51, 9). Ganz ausdrücklich wird dies bei rituellen Reinigungsbädern, die in Lev 11–15 und Num 19 gefordert werden. Aber diese Bäder sind nie Initiationsriten, also Riten, die in eine Glaubensgemeinschaft eingliedern. Teil des Volkes Israel wird man mit der Geburt durch eine jüdische Mutter, bei Jungen wird zusätzlich die Beschneidung vorgenommen (vgl. Gen 17, 10; Lev 12).

      In größerer Nähe zur christlichen Taufe sahen Forscher lange Zeit die so genannte Proselytentaufe des späteren Judentums: Wenn Heiden zum Judentum übertraten, vollzogen sie dieses Wasserbad, um ihren Übertritt zu bekunden. Allerdings war für Männer immer die Beschneidung, die vor dem Bad vollzogen wurde, das entscheidende Kennzeichen des Übertritts. Zur christlichen Taufe passt auch nicht, dass die Proselyten sich selbst untertauchten. Ebenso bleibt bei dieser These unverständlich, warum auch Juden bei der Annahme des Christusglaubens getauft wurden, denn in den ersten Jahrzehnten ist noch nicht davon auszugehen, dass man bei einem solchen Schritt bereits meinte, die Religion zu wechseln. Überhaupt werden bei der Annahme, dass die Proselytentaufe das Vorbild der christlichen Taufe darstelle, die in späteren Quellen geschilderten Riten in die Zeit Jesu zurückprojiziert – unter der Annahme, dass sich allein christliche Riten aus jüdischen entwickelt haben können, nicht umgekehrt. Heute ist aber klar, dass auch im Gefüge jüdischer Riten, das in den ältesten Texten greifbar wird, vieles nur in einer Reaktion auf die Christengemeinden und ihre Liturgie entstanden sein kann – ja dass sich „Christentum“ und „Judentum“ erst in einem längeren Prozess der Auseinandersetzung und gegenseitigen Beeinflussung herausgebildet und voneinander abgegrenzt haben.

      So bleibt als entscheidender Anknüpfungspunkt die Taufe des Johannes, der wegen seines singulären Wirkens selbst in nichtchristlichen Quellen als „Täufer“ bezeichnet wird. Seiner Taufe am Jordan geht eine Gerichts- und Umkehrpredigt voraus, die als das letzte Wort vor der Vollendung der Welt verstanden wird. Die innere Gesinnung der Umkehr findet ihren Ausdruck darin, sich taufen zu lassen, also passiv die Taufe zu empfangen (vgl. Mk 1, 4; Lk 3, 3). Auch mit seiner Kleidung und Nahrung gestaltet Johannes die Taufe als erneuten Einzug Israels aus der Wüste ins Gelobte Land und weist ihr in prophetischem Selbstbewusstsein die Sündenvergebung durch Gott zu. Die Johannestaufe versteht sich somit als endzeitlich und heilswirksam wie die christliche Taufe, richtet sich jedoch an die bestehende Gemeinschaft Israels und konstituiert auch keine eigene Gemeinde. Allerdings belegen außerbiblische Quellen, dass sich eine johanneische Jüngerschaft herausgebildet hat, die zunächst auch nach seinem Tod erhalten geblieben ist.

      Die christliche Deutung der Taufe

      Die christliche Taufe scheint an diese originäre Form anzuknüpfen, zugleich