ACID IST FERTIG. Alexander Fromm

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Название ACID IST FERTIG
Автор произведения Alexander Fromm
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783864082153



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gestoßen) und ums Leben gekommen. Nachdem Teile des Falls in den siebziger Jahren bekannt geworden waren, entschuldigte sich US-Präsident Gerald Ford bei der Witwe, die fortan eine staatliche Rente erhielt. Restlos aufgeklärt wurde der Fall jedoch bis heute nicht.

      Unabhängig von den militärischen Versuchen in den USA wurde auch hinter dem Eisernen Vorhang mit LSD geforscht, so in Bulgarien und der Tschechoslowakei. In der ČSSR stellten ab 1956 Jiri Roubiček und Milan Hausner unabhängig voneinander Untersuchungen an. Milan Hausner behandelte bis 1974 in rund 3000 therapeutischen Sitzungen 300 Patienten, viele davon aufgrund einer Alkoholsucht. Zu seinen Assistenten gehörte auch ein gewisser Stanislaw Grof, der sich 1956 von Hausner in die psycholytische Behandlung einweihen ließ. Grof selbst forschte mit zunehmend höheren Dosen, um in tiefenpsychologisch interessante Bereiche vorzudringen. Als 1963 das Sandoz-Patent zwanzig Jahre nach dem Bicycle Day erlosch, übernahm die tschechische Pharmafirma Spofa United Pharmaceutical Works die Produktion, und die ČSSR verfügte von 1963 bis 1974 über eigene Bestände. 1967 übersiedelte Grof in die USA, wo er bis zum völligen LSD-Verbot weitere Versuche unternahm und sich in mehreren Büchern umfassend zum Thema äußerte. Im kommunistischen Bulgarien führte die Psychiaterin Marina Bojadijewa insgesamt 140 Versuche durch. Zwischen 1962 und 1968 verabreichte sie Doktoren, Künstlern, Bergarbeitern, Fernfahrern und sogar Gefängnisinsassen zu Versuchszwecken LSD-25. Die Dosierung reichte von der Minimaldosis von 25 Mikrogramm bis zu moderaten 100 Mikrogramm. Das LSD kam direkt von Sandoz aus der Schweiz. Als Antidot lag vorsichtshalber immer eine Spritze mit 50 Milligramm Chlorpromazin bereit.

      Das Satiremagazin Titanic widmete dem Schriftsteller Ernst Jünger im April 1995 eine ganze Titelseite in grellbunten Falschfarben. Inszeniert wurde der damals Hundertjährige als Mitglied der „Generation XXL“ mit der Schlagzeile „Drogengott Ernst Jünger feiert 100 Jahre Ecstasy“. Der Innenteil begrüßte den Leser mit einer Greser-Karikatur, in der Jünger Joint rauchend auf Bundeskanzler Helmut Kohl reitet, während Bundespräsident Roman Herzog im Hintergrund die Käfersammlung des Autors vernascht. Die Rentnerorgie war selbstverständlich eine Anspielung auf die Psychedelika-Experimente, die Albert Hofmann und Ernst Jünger in den fünfziger, sechziger und siebziger Jahren zusammen im heimischen Wohnzimmer durchführten.

      Der Kontakt zwischen den zwei älteren Herren kam 1947 auf Initiative Albert Hofmanns zustande, der dem Lieblingsschriftsteller vieler Konservativer postalisch zum Geburtstag gratulierte und sich als Fan outete. Bald schickte man sich Honig, Gedichte und Bücher. Die Kernthemen ihrer Korrespondenzen waren Poesie und Drogen sowie damit zusammenhängende Fragestellungen. Der elitäre Einzelgänger interessierte sich vor allem für die Schärfung der Sinne und die Steigerung der Kreativität durch und nach Drogenkonsum. Auch wollte er die Grauzone zwischen Leben und Tod erforschen. Dazu verfügte er bereits über Erfahrungen mit Meskalin, das er im Jahr zuvor mit seinem Verleger Ernst Klett getestet hatte.

      Bezeichnend ist, wie sich Jünger und Hofmann vor ihrem LSD-Trip über die Alltagsdrogen Kaffee und Tee austauschten. In seiner Einschätzung antizipierte Jünger die Entstehung der Leistungsgesellschaft, die eher auf Wachmacher setzt denn auf Traumschmiere:

      „In unserer Zeit glaube ich übrigens weniger eine Neigung für die Phantastica als für die Energetica wahrzunehmen. Der Tee ist meiner Meinung nach ein Phantasticum, der Kaffee ein Energeticum – daher besitzt der Tee auch einen ungleich höheren musischen Rang.“9

      Nach diesen ersten Annäherungsversuchen kam es im Februar 1951 schließlich zur „Vorfrühlingsträumerei“. Man traf sich in Hofmanns Wohnzimmer in Bottmingen, in der Schweiz, um in Anwesenheit den Arztes Prof. Heribert Konzett von dem psychedelischen Konfekt zu naschen. Jünger bezeichnete die Rauschreise als „Einstieg“, als würde man unter LSD in eine unbekannte Höhlenwelt hinabsteigen. Aus Rücksicht auf den als sensibel eingeschätzten Schriftsteller verabreichte Hofmann eine Minimaldosis von lediglich 50 Mikrogramm. Die Initiation verlief denn auch ohne Probleme, war dem mit Opium, Haschisch und Meskalin erfahrenen Weltkriegsveteran allerdings zu kraftlos. Laut Hofmanns Erinnerung verleitete das Jünger zu der Bemerkung: „Verglichen mit dem Tiger Meskalin ist dein LSD nur eine Hauskatze.“

      Man erfreute sich an den Schwaden eines Räucherstäbchens und entzündete daran farbenprächtige Träumereien und mäandernde Gedanken. Die Zusammenkunft verarbeitete Jünger poetisch verschlüsselt in seiner im Jahr darauf erschienenen Erzählung „Besuch auf Godenholm“.

      Auch andere Psychedelika wurden gemeinsam ausprobiert. Im Frühjahr 1962 trafen sich die Senioren zum Gegenbesuch im Wohnzimmer von Ernst Jünger. Diesmal testete man 20 Milligramm des chemisch verwandten Pilzgiftes Psilocybin. Des Weiteren zugegen waren der Orientalist Dr. Rudolf Gelbke und der Leibarzt Heribert Konzett. Das Pilz-Symposion begann nach Sonnenuntergang und dauerte bis weit nach Mitternacht. Hofmann verschlug es in eine mexikanische Totenstadt, Jünger streifte durch einen maurischen Palast. Am Ende der Reise landete man zur Musik von Mozart und stärkte sich mit einer warmen Mahlzeit.

      Am 7. Februar 1970 fand um 10:25 Uhr in der Oberförsterei Wilflingen der letzte gemeinsame LSD-Trip der inzwischen über Sechzigjährigen und Siebzigjährigen statt. Jüngers Dosis betrug nun 150 Mikrogramm, also das Dreifache seiner Initiationsdosis und Hofmann begnügte sich mit 100 Mikrogramm. „Schmeckt nach Nichts“, fand Jünger.10 Und da ging die Reise los, mit Getöse, riesengroß. Worte versagten, die Kommunikation wurde telepathisch: „Wir bedurften der Sprache nicht; ein Blick genügte, um ein wortloses Einverständnis herzustellen.“11

      Nichtsdestotrotz gelang es den beiden Psychonauten, während des „Einstieges“ ein Logbuch zu führen und sich stichpunktartig Notizen zu machen. Das beheizte Arbeitszimmer und die Bibliothek bildeten eine behagliche Raumkapsel, während es draußen zu schneien begann. „Unser Boot schlenkert gewaltig. Auch das Nüchterne,“ befand Hofmann um 12:10 Uhr und Jünger notierte gegen 12:45 Uhr: „Für einen Augenblick Identität.“12 Das Kurzprotokoll veröffentlichte Ernst Jünger in voller Länge in seinem Rauschband „Annäherungen“, der zu einem Klassiker der deutschen Drogenliteratur wurde. Wer jedoch auf exzessive Rauschbeschreibungen hofft, wird enttäuscht, denn wie bei Jüngerscher Prosa üblich verbirgt sich das Geschehen hinter einer Mischung aus nüchternen Betrachtungen und ominösen Andeutungen. Eine Kostprobe: „Die Lichter werden greller, die Farben lebhafter, die Begierden treten nackt hervor. Die Glut war tief unter der Asche versteckt. Jetzt schlägt die Flamme hervor. Das Herz, die Lunge antworten. Die Sinne werden schärfer, auch für das Blut.“13

      Ernst Jünger war von beiden „Höhlenforschern“ der ältere, er starb 1998 im Alter von 102 Jahren; Hofmann folgte zehn Jahre darauf im Alter von ebenfalls 102 Jahren. Gefestigte Persönlichkeiten können bei sachgemäßem LSD-Gebrauch offenbar ein hohes Alter bei geistiger Gesundheit erreichen.

      Cary Grant war ein britischer Schauspieler, der sich als smarter Gentleman im amerikanischen Filmgeschäft etablieren konnte. Zu seinen größten Erfolgen zählen bis heute die Rentnerkomödie „Arsen und Spitzenhäubchen“ sowie die Hitchcock-Thriller „Über den Dächern von Nizza“ und „Der unsichtbare Dritte“. Auf der Liste der 25 größten männlichen Filmstars des American Film Institute landete Cary Grant auf Platz 2, direkt hinter Humphrey Bogart und vor James Stewart, Marlon Brando und Fred Astaire. Das Publikum liebte den braungebrannten Sonnyboy mit dem Grübchen am Kinn und war auch an seinem Privatleben rege interessiert. Die Frauen wollten Cary Grant und die Männer so sein wie er. Sogar er selbst wolle Cary Grant sein, bemerkte er mal in einem Bonmot. Dabei war dieser Wunsch gar nicht so aus der Luft gegriffen, denn Cary Grant war eine selbst erschaffene Künstlerpersönlichkeit.

      Der Gentleman, der in seinen Hauptrollen weibliche Schauspielikonen wie Ingrid Bergmann, Grace Kelly und Audrey Hepburn küssen durfte, hieß in Wirklichkeit Archibald Leach und stammte aus bescheidenen Verhältnissen in der englischen Hafenstadt Bristol. Als Archie zehn Jahre alt war, verschwand seine Mutter von einem Tag auf den anderen; der Vater hatte sie in eine Nervenanstalt einweisen lassen, erzählte dem Jungen aber, sie