Название | On the Road |
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Автор произведения | Hans-Christian Kirsch |
Жанр | Философия |
Серия | |
Издательство | Философия |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783862870592 |
Die Türsteher in den Häusern seiner Spielgefährten aus reichen Familien wollen ihn nicht hereinlassen. Wenn er in einem Geschäft einkauft, wird ihm das Wechselgeld wortlos, ohne Höflichkeitsbezeugungen zugeschoben.
Von der siebten bis zur zehnten Klasse besucht Billy eine Privatschule in St. Louis. Auch hier bleibt er isoliert, zumal er sich nicht für Sport interessiert. Der Lateinunterricht ist ihm verhasst. Die Hausaufgaben erledigt er widerwillig. Er sitzt in der Klasse ganz hinten und zielt in den Schulstunden mit einem Bleistift auf seine Mitschülerinnen und Mitschüler.
1927, Billy ist nun dreizehn, wird St. Louis von einem Tornado heimgesucht. Der Sturm bringt ganze Häuserblocks zum Einsturz. Dreihundert Menschen kommen ums Leben. Auf die öffentliche Katastrophe folgt eine persönliche.
Mit vierzehn experimentiert Billy im Keller mit Chemikalien. Es kommt zu einer Explosion. Der Vater, der sich im Nebenraum aufhält, fährt den verletzten Jungen sofort ins Krankenhaus. Die Operation unter Morphium dauert zwei Stunden. Sechs Wochen muss Billy im Krankenhaus bleiben.
Seine Vorliebe für Sprengstoff und Waffen scheint danach eher noch zugenommen zu haben. Er bastelt eine Bombe und legt sie seinem Klassenlehrer vor das Fenster. Der Sprengkörper wird entdeckt, ehe er Schaden anrichtet. Die Frau des Lehrers verständigt Billys Mutter, und er muss sich entschuldigen gehen.
1929, nachdem der Vater seine Firmenanteile zu Geld gemacht hat, reisen die Burroughs nach Frankreich. Billy geht mit seinem Vater und seinem Bruder auf die Entenjagd. Gewehre, überhaupt jede Art von Waffen, imponieren dem Jungen schon damals ungemein. Aus Europa bringt er einen Stockdegen mit heim.
Wieder in St. Louis, verliebt er sich in einen hübschen, braunäugigen Lockenkopf, Keils Elvins. Der Vater ist ein ehemaliger Kongressabgeordneter, Rechtsanwalt und rabiater Antisemit.
Billy scheint sich zu diesem Zeitpunkt darüber klargewesen zu sein, dass er homosexuell veranlagt ist. Er lehnt später alle psychologischen Erklärungen ab und ist davon überzeugt, er sei so geboren worden.
Der bewunderte Keils ist alles das, was er nicht ist, aber zu sein wünscht: sportlich, populär, ein großer Frauenheld.
Jemand, der Genugtuung dabei empfindet, Frauen zu verführen, ohne sie eigentlich zu mögen, dem es große Lust bereitet, sie zu demütigen.
Ein Lehrer, der das Verhältnis der beiden zueinander beobachtet, sagte zu Billy: ›Du bist ja sein Sklave.‹3
Es wird eine lebenslange Freundschaft.
Immer wieder werden sich ihre Wege kreuzen.
Ohne Zweifel findet Billy das Leben in St. Louis langweilig und die Atmosphäre in seinem Elternhaus wenig herzlich.
Mit dreizehn Jahren entdeckt er ein Buch, das seine Lebensentwürfe und seine Wünsche nachhaltig beeinflusst. Es stimuliert sein langanhaltendes Interesse am kriminellen Milieu und am Verbrechen. Der Autor nennt sich Jack Black, der Titel lautet: You can’t win. Es handelt sich um die Memoiren eines berufsmäßigen Diebes und Rauschgiftsüchtigen. Einer von Burroughs’ Biographen, Ted Morgan, beschreibt den Inhalt und seine Wirkung auf Burroughs wie folgt: ›Jack Black verlässt die Schule mit vierzehn. Er arbeitet in einem Zigarrengeschäft, in dessen Hinterzimmer Poker gespielt und gewürfelt wird. Er dient den Halunken als Laufbursche, und ihm gefällt deren farbige Ausdrucksweise: »Wenn es immer Suppe regnet, hat es keinen Zweck, dass ich mir einen Zinnlöffel kaufe« oder »Ich habe eine Reihe Schulden, länger als die Wäscheleine einer Witwe«. Jack wird ein Einbrecher und macht die Bekanntschaft von Salt Chunk Mary, einer Hehlerin, die alles Diebesgut aufkauft und verkauft, aber »ehrlicher ist als eine goldene Guinee«.‹4
Salt Chunk Mary gehört zur Johnson-Familie, einer Gruppe von Gaunern mit einem eigenen Verhaltenskodex. Die Johnsons verlassen sich nur auf Angehörige des eigenen Klans. Sie sind gegenüber ihrer Sippschaft loyal und ehrlich und helfen sich, wenn einer von ihnen in Schwierigkeiten gerät. Sie mögen Outlaws und Diebe sein, aber gemäß den Gesetzen, die sie sich selbst gegeben haben, sind sie rechtschaffen, und auf ihr Wort ist Verlass. Die Johnsons wurden für Billy zum Vorbild für seine individuelle Moral. Vor allem imponierte ihm der Kontrast zu der Heuchelei, der Geschäftigkeit und der doppelten Moral der guten Bürger in St. Louis.
Natürlich romantisiert der Heranwachsende das kriminelle Milieu. Um es in der Realität kennenzulernen, wird er sich in den nächsten Jahrzehnten seines Lebens immer wieder in Abenteuer einlassen, deren Gefährlichkeit er mit seinem scharfen analytischen Verstand zweifellos abzuschätzen vermag. Warum - so: liegt es nahe zu fragen - lässt er sich dennoch darauf ein?
Er vermeint zu spüren, dass dieser Jack Black und diese Salt Chunk Mary, Gold Tooth und Foot und Half George und all die anderen Leute seines Schlages sind. Er ist nicht mehr allein. Die Johnsons werden zu einem Teil seiner persönlichen Mythologie. Um diese Zeit beginnt Billy selbst zu schreiben.
›Sein erster literarischer-Versuch nannte sich »Die Autobiographie eines Wolfes«. Mari lachte ihn aus und sagte: »Du meinst wohl die Biographie eines Wolfes.« Aber nein, ihm ging es um eine autobiographische Erzählung, in der er ein junger Wolf ist und mit seinem rothaarigen Wolfsgespielen Jerry in einer kühlen Kalksteinhöhle haust, wo sie sich gegenseitig das Blut ablecken, sie sind damit verschmiert von Kopf bis Fuß, denn sie haben in der Nacht ausgiebig Schafe gerissen und sich prächtig amüsiert. Sie lachen über die dummen Rancher, die nicht ahnen, dass sie ihnen die vergifteten Fleischstücke oft meilenweit wegschleppen und am Farmhaus über den Zaun schleudern, wo dann alsbald die Hofhunde daran verrecken. Als die Sonne aufgeht, kuscheln sie sich aneinander und sinken zufrieden rülpsend in den Schlaf.
Doch das Idyll nimmt ein jähes Ende; Jerry wird von einem Jäger erledigt, der Wölfe gegen Prämien abschießt. Audrey, traurig über den Verlust seines Gespielen und überdies von Staupe befallen und entsprechend geschwächt, wird von einem Grizzly erwischt und gefressen.‹5
So schildert Burroughs fast fünfzig Jahre später diesen ersten literarischen Versuch und auch dessen Fortschreibung: Aus Jerry, dem rothaarigen Wolf, wird der Saure Kid, ein Saxophonist im knallroten Hemd, der sich plötzlich eine Zitrone in den Mund schiebt und damit eine-Entgleisung auslöst:
›Ein Crescendo saurer Töne von Saxophonen und Trompetern: Die Sängerin steht mit offenem Mund da. Speichelfäden hängen ihr vom Kinn wie bei einer Kuh mit Maul- und Klauenseuche. Kellner und Rausschmeißer nähern sich von mehreren Seiten. Der Saure Kid spuckt die Zitrone aus, geht auf alle viere herunter und verwandelt sich in einen dürren, sehnigen, rothaarigen Wolf. Er bleckt die Zähne zu einem wölfischen Grinsen und springt mit einem Satz aus dem nächsten Fenster hinaus in die Sommernacht. Der Saure Kid demolierte nun Kirchenlieder, Nationalhymnen, irische Tenöre, jodelnde Cowboys... bei einer Wahlkundgebung von Gouverneur Wallace macht er Old Glory mit seiner Zitrone zur Schnecke...‹6
Die nächste Steigerung - diesmal attackiert der Saure Kid die schwüle Erotik mancher Tierfilme - besteht in der Zurschaustellung von Sexualität, und zwar auf eine Weise, die für eine puritanische Gesellschaft schockierend sein muss:
›Er geht auf alle viere herunter, bleckt grinsend die Zähne und ejakuliert. Reißzähne brechen aus seinem blutenden Gaumen. Kiefer, Mund und Nase schieben sich vor und werden zu einer Schnauze, rotes Fell sprießt ihm am Rücken herunter und endet in einem buschigen roten Schweif, der seine schmalen, sehnigen Lenden peitscht, seine Eier ziehen sich zusammen, der Saft schießt ihm in langen Spritzern aus seinem roten wölfischen Phallus, ein Zittern durchläuft seinen Körper, sein Atem dringt keuchend durch die gebleckten Zähne, seine Augen leuchten auf in einem knalligen Zitronengelb, ein beißender Geruch entströmt seinem dampfenden Fell, ein Gestank nach verschmortem Zelluloid und animalischen Ausdünstungen. Mit einem Satz springt er aus einem unsichtbaren Fenster und verschwindet in einer Sommernacht um 1920. Aus weiter Feme hört man den klagenden Pfiff einer Lokomotive.‹7
Zurück zu den ersten Schreibversuchen des Vierzehn-, Fünfzehnjährigen.
Nach der wölfischen Autobiographie, und tatsächlich ist er ja ein lonesome wolf, sind es aktionsreiche Western, die alle schon jene faktische Direktheit haben, für die Burroughs’ spätere literarische