Vicky Victory. Barbara Sichtermann

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Название Vicky Victory
Автор произведения Barbara Sichtermann
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783862870912



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      »Was spielt das für ’ne Rolle?«

      »’Ne Riesenrolle. Ich krieg das Doppelte für sein Stra­ßenschild, wenn er ein Schurke war.«

      »Also, diese Aasgeierei«, sagt Schorschi angewidert, »die find ich tragisch.«

      »Nicht, mit mir«, murmelt Chagdas, aber keiner ver­steht, was er damjt meint.

      »Was Neues schaffen«, fährt Schorschi, zu Juni gewen­det, fort, »fällt jemand wie dir nicht ein. Immer nur alte Schüsseln aufpolieren, das würde mir auf Dauer nicht rei­chen als … als Perspektive. Und nun noch in die Abfallton­nen greifen.«

      »Das siehst du ganzfalsch.« Juni fängt an, heftig mit dem Stuhl zu kippeln. »Neues Schaffen ist völlig abgesagt. Es gibt nämlich schon zu viel Neues auf der Welt. Zu viele Autos, zu viele neue Straßen samt Schildern und zu viele Schorschi Köhlers. Recycling ist das Gebot der Stunde.«

      »Und wann recyceln die Türken mal wieder in ihre Hei­mat«, knirscht Schorschi, »und machen wieder Platz für unsereins?«

      Das ist die Stunde des Wirts. Isaacs Stärke liegt in seiner amerikanischen Autorität, die da heißt: Leibesfülle und Sinn für Fairness. Er nimmt alle mit gewissen Obertönen ausgesprochenen Sätze in den Winkeln von »Bella« wahr und wirft sich ins Mittel, vom Tresen her. Er tut das immer mit Maß und mit einem Geschirrtuch in der Faust. Aus seinen Augen blitzt der Triumph des Dompteurs:

      »Grrroße Worte nach 23 Uhr sind genehmigungspflich­tig, werrter Herr«, sagt er.

      Wunderbarerweise durchdringt seine warme Stimme den Kneipenlärm. Juni erstickt seine Wut in einem Ki­cheranfall und quietscht mir zur Freude:

      »Wer war bloß Otto Nuschke … wer war bloß dieses blö­de Otto-Nuschke-Schwein?«

      Schorschi widmet sich seinem Bier. Damit keiner sieht, wie verzogen seine Mundwinkel sind und wie schwer es ihm fällt, sie wieder auf normal zu stellen, versenkt er die Lippen im Schaum. Eine Weile spricht niemand. Nicht mal Malte sagt was, aber er grinst. Da geht, mitten in das Schweigen der Runde hinein, die Kneipentüre sachte auf und, vom bellatypi­schen Halbdunkel und von den Rauchschwaden anfangs verhüllt, darin zu uns rüberwinkend, nickend und so doch erkennbar, tritt eine Gestalt ein, die niemand anders ist als unser aller Freund Veit, der gute, dem Krankenbett entronnen und der Versammlung. Mit seinem Schal um den Hals kommt er näher, Lachen, Krakeelen und Poltern auslösend, als man einen Stuhl sucht und den späten Gast angemessen begrüßt. Nun sind alle beisammen.

      »Ich hab das Rumliegen nicht mehr ausgehalten«, sagt Veit, »hab mir gedacht: am besten hilft doch ein Cognac.« Er ruft Johanna seine Wünsche zu.

      »Hier, wer Angst hat vor Ansteckung, soll sich das Zeug unter die Zunge träufeln.«

      Jetzt stürzt sich Malte, angefeuert durch das Erscheinen Veits, dieses Parteigängers der Deutschen Demokrati­schen Republik, mit erneuerter Streitlust in seine Stasi-Tirade, aber er blitzt ab. Veit muss sich erst mal über das Wetter, die Viren und das Finanzamt auslassen und reibt sich ausgiebig die Hände. Juni mag sowieso nicht politisie­ren; er zieht Chagdas und mich in ein Palaver über Terrier und Miniröcke, und es bleibt für Malte nur Wenzel übrig, von dem er aber nicht ernstgenommen wird. Zumal Mecki mit Schorschi über die Promillegrenze zu streiten anfängt.

      »He, Genosse«, stichelt Malte, der noch nicht aufgibt, in Veits Richtung, »warste auch’n Inoffizieller? Haste in der Normannenstraße Bescheid gesagt, wenn Isaac Junis Köter in die Küche gelassen hat zum Restefressen?«

      »Ach leck mich«, knurrt Veit. Er führt aus, dass es vor allem die Asozialen, die Kriminellen und die Faulpelze ge­wesen seien, die sich gegen den Staat gestellt hätten und deshalb überwacht werden mussten, und das sei überall in der Welt so. Und dass er, Malte, bloß nicht so tun solle, als seien alle, die von der Stasi beschattet worden wären, selbstlose Freiheitskämpfer und verhinderte Reformer ge­wesen. Solche Leute gebe es erfahrungsgemäß in einer Bevölkerung höchstens zu zwei Prozent.

      »Die sogenannten Opfer«, sagt Veit mit brechendem Organ, »haben genauso ’n Interesse daran, ihre Akten ver­schwinden zu lassen wie die sogenannten Täter. Leck mich am Arsch.«

      Aber Malte hat keine Lust, sich zu wehren, jetzt, wo nicht mehr er es ist, der im Mittelpunkt steht. Er winkt Johanna zu, weil er zahlen will. Danach träufelt er sich schön langsam die Immuntropfen unter die Zunge und schielt dabei zu Johanna rüber, ob sie wohl Interesse an seinem geöffneten Mund zeigt. Wenzel legt mir seine Hand auf den Kopf und sagt vertraulich: »Warum biste rüber damals, hattste öffentlich zur Unzucht aufgerufen?«

      Alle wissen hier, warum ich rüber bin, ich habe es mehr­fach erklärt. Aber ich erzähle es gerne noch mal, wenn die Mitternacht eingerückt ist.

      »Ich bin rüber, weil das Mädchen, in das ich verliebt war, mich hat sitzen lassen. Zudem war mein Opa verstorben.«

      »Is nich wahr«, flüstert Juni und bettet seinen Kopf an Chagdas’ Schulter. Er schließt langsam seine Augen, ich sehe an seinem Gesichtsausdruck, dass er an Kurt denken muss. Es ist Zeit aufzubrechen. Malte lehnt am Tresen und spricht mit Isaac über die Polizeistunde. Das ist die große Sorge der Berliner Gastwirte, dass jetzt, wo die Stadt sich normalisiert und mit der Mauer die importierten Straßen­namen, die Stasi und die Besatzungssoldaten verschwin­den, dass jetzt womöglich eine Sperrstunde eingeführt wird.

      »Und wenn, dann interpretieren wir sie in unserm Sinn«, schmunzelt Isaac. »Wir sagen den Bullen: Polizei­stunde ist, wenn wir auf euer Wouhl anstoußen.«

      »He Igor«, ruft Juni und wischt sich eine Träne aus ro­tem Auge. - »Wenzel hier besorgt mir ’n neuen Hund. Was meinste: nenne ich ihn Otto oder Nuschke?«

      Die Mehrzahl am Tisch ist für Nuschke. Malte schlägt noch »Vöfreu« vor, als Abkürzung von »Völkerfreund­schaft«. Das ist uns denn doch zu weit hergeholt.

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