Название | Games | Game Design | Game Studies |
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Автор произведения | Gundolf S. Freyermuth |
Жанр | Социология |
Серия | |
Издательство | Социология |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783862871766 |
Freilich verbindet sich mit diesen neuen technischen Mitteln die Herausforderung, ihnen in der künstlerischen Arbeit auf angemessene und kreative Weise Rechnung zu tragen. Das Game Design beeinflussten im vergangenen Jahrzehnt denn auch viererlei Entwicklungen:
eine schwelende Stagnation und ästhetische Krise der hochgradig arbeitsteilig gefertigten AAA-Titel;
der Aufstieg einer so genannten Indie-Szene, deren eher ›kleine‹ Spiele jenseits des kommerziellen Mainstreams angesiedelt sind und zum Ausbruch aus tradierten Schemata und zu künstlerisch-experimenteller Erprobung neigen;
eine wuchernde Ausdifferenzierung in immer spezifischere Sub-Genres bei einem starken Zuwachs der Zahl produzierter Titel;
das Eindringen von Praktiken und Mechanismen der Spieleentwicklung in andere Produktions-und Dienstleistungsbereiche.40
Letzteres beweist die herausragende Stellung, die digitale Spiele im sich herausbildenden digitalen Mediendispositiv einnehmen. Einst beeinflusste der aufstrebende Film die anderen, älteren Künste: Theater und Roman, Malerei und Musik entwickelten ›filmische‹ Qualitäten. Nicht anders prägen heute digitale Spiele – ihre ästhetischen Qualitäten wie die massenhafte Erfahrung ihrer interaktiven Rezeption – Medienproduktion und Medienkonsum, insbesondere im Bereich der audiovisuellen Konkurrenzmedien Film und Fernsehen. Parallel dazu werden auch die Verfahren des Game Designs als neue Produktionsweise für audiovisuelle Medien zu einer zentralen Praktik digitaler Kultur – von der Übernahme des ›Weltenbaus‹41, wie es im Game Design ein übliches Verfahren ist, in die avancierte Filmproduktion oder in die vielfältigen Visualisierungsanstrengungen in Wissenschaft und Wirtschaft bis zur ›gamifizierenden‹ Anwendung von Game-Design-Prinzipien in Marketing oder Wissensvermittlung.42 Als Grundtendenz lässt sich somit eine ›Demokratisierung des Game Designs‹ erkennen: eine stete Verbilligung und Vereinfachung der Finanzierung, der Konzeption und Herstellung, des globalen Vertriebs und der Nutzung digitaler Spiele.43
In dem Kapitel II Game Design analysiere ich zunächst die doppelte Herkunft des Game Designs: einerseits aus Praktiken analogen Designs, insbesondere dessen Prinzipien des Prototyping und der Iteration, die seit Beginn der Industrialisierung im Kontext der Gestaltung von Hardware-Artefakten entstanden (II-1 Analoges Design); andererseits aus Praktiken digitalen Designs, die sich seit der Mitte des 20. Jahrhunderts im Kontext der Herstellung von Software und visueller Gestaltung ausbildeten (II-2 Digitales Design). Auf dieser Basis kam es innerhalb des vergangenen halben Jahrhunderts in der Gestaltung digitaler Spiele zur Entwicklung höchst unterschiedlicher Prozeduren – von den non-kommerziellen Anfängen in der akademischen Hackerkultur der 1960er und 1970er Jahre über die Professionalisierung der Gamesbranche nach dem industriellen, hochgradig arbeitsteiligen Vorbild der Filmproduktion und insbesondere Hollywoods hin zu der jüngsten Ausbildung einer Indie-Szene, die sich in ihren Arbeitsweisen an den eher künstlerischen Indie-Vorbildern von Musik und Film orientiert (II-3 Kurze Geschichte des Game Designs). Abschließend analysiere ich die Rolle des Game Designers und die wichtigsten Bereiche der Spieleproduktion (II-4 Arbeitsfelder des Game Designs) sowie deren üblichen Ablauf und das grundlegende Prinzip des Weltenbaus (II-5 Praktiken des Game Designs). Dabei lässt sich beobachten, dass Game Design zu einer zentralen Disziplin kreativer Produktion in der digitalen Kultur wird, für das einige Vorbildwirkung für das Design von Soft- wie Hardware, von Prozessen wie Erfahrungen ausgeht.
SPIELE DENKEN – GAME STUDIES
Quer zu der zentralen und immer noch wachsenden Bedeutung von Games wie Game Design in der digitalen Kultur steht noch die Rolle der Game Studies sowohl in der öffentlichen Wahrnehmung wie im akademischen Gefüge. Erste bahnbrechende Studien, die Games als ein neues Medium und eine neue Ausdrucksform begriffen und interpretierten, erschienen im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts, also rund vierzig Jahre, nachdem in Forschungslaboren Vorformen digitaler Spiele entstanden waren. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts nahm dann – parallel zur Einrichtung erster künstlerisch-handwerklicher Ausbildungsgänge für Game Design – die institutionelle Etablierung der Game Studies als wissenschaftliches Fachgebiet ihren Anfang. Vorreiter waren dabei angelsächsische und skandinavische Universitäten. Im deutschen Sprachbereich steht eine solche Etablierung gegenwärtig noch weitgehend aus:
»Zwar setzen einzelne Professuren und Juniorprofessuren inzwischen einen deutlichen Schwerpunkt auf Game Studies, wenn sich dies auch (noch?) nicht in den Denominationen widerspiegelt (z.B. an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig, der Universität Paderborn und der Universität zu Köln). Darüber hinaus sind kleinere und größere Drittmittelprojekte sowie (virtuelle) Institute zur Computerspielforschung und zum Game Design entstanden (z.B. am Zentrum für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe, an der Hochschule für Medien in Stuttgart oder der Zürcher Hochschule der Künste). Schließlich wurde am Cologne Game Lab der Fachhochschule Köln im Kontext eines künstlerisch-wissenschaftlichen Bachelors ›Digital Games‹ Anfang 2014 eine erste Professur für Game Studies eingerichtet. Von einer grundlegenden Etablierung des Fachs im deutschen Sprachraum aber kann bislang noch nicht die Rede sein.«44
Das Entstehen neuer Disziplinen ist nun per se nichts Außerordentliches. Seit die Wissenschaften im Zuge der Industrialisierung arbeitsteilig wurden, seit sie sich sozusagen taylorisierten, führten konstante Prozesse der Ausdifferenzierung zu Hunderten neuer Arbeitsfelder und Disziplinen. Vergleichsweise selten allerdings konnten Disziplinen begründet werden, die zu ihrem Gegenstand ein kulturelles Leitmedium hatten, ein Medium also, welches das Bewusstsein der Mehrheit der Menschen prägt, beeinflusst, verändert – ihre Sicht auf die Welt, ihr Verständnis vom Leben, ihre Identität.
Den Anfang in diesem modernen Prozess der Etablierung neuer Disziplinen, die sich mit Leitmedien auseinandersetzen, machte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die akademische Analyse und Reflexion von Sprache und Literatur. Vor allem im deutschen Sprachraum sollte Literarisches seit der Aufklärung stiften, was anders sich nicht herstellen wollte: kulturelle Identität und politische Einigung. Folgerichtig zerfiel die Literatur, die während des 19. und frühen 20. Jahrhunderts mehr als jedes andere Medium das Bewusstsein der Zeitgenossen in den fortgeschrittenen Regionen prägte, bei allem kulturellen Austausch deutlich in nationale Einheiten, die Nationalliteraturen. Nicht anders entstanden die Literaturwissenschaften – nicht nur die Germanistik, sie aber in besonderem Maße – als nationale Wissenschaften, operierend im Kontext nationaler Selbstvergewisserungen und auch der Nationalismen.45
Im zweiten Drittel des 20. Jahrhunderts – rund 60 Jahre, nachdem der Siegeszug des (Spiel-) Films begonnen hatte – organisierte und institutionalisierte sich dann die akademische Beschäftigung mit dem neuen audiovisuellen Leitmedium, das wie keine andere Kunst die industrielle Mentalität künstlerisch ausdrückte und beförderte.46 Nicht nur die Filmproduktion musste dabei – schon aus ökonomischen Gründen – über nationale Grenzen hinaus denken und handeln.47 Auch die Filmwissenschaft entfaltete sich, der übernationalen Prägung, Distribution und Rezeption ihres Gegenstands entsprechend, überwiegend jenseits allzu enger nationaler Separierungen und Spezialisierungen.
Seit der Jahrhundertwende und wiederum mehrere Dekaden nach dem sozialen und künstlerischen Aufstieg des neuen Mediums digitaler Spiele formieren sich nun auch die Game Studies.48