Dialog über die beiden hauptsächlichsten Weltsysteme. Galileio Galilei

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Название Dialog über die beiden hauptsächlichsten Weltsysteme
Автор произведения Galileio Galilei
Жанр Математика
Серия
Издательство Математика
Год выпуска 0
isbn 9783843804387



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Im Übrigen wurde nach etlichem Hin- und Widerreden auf Verwendung Nicolinis, des großherzoglichen Gesandten in Rom, und seiner Gattin Caterina die erneute Durchsicht des Dialogs dem Dominikanerpater Giacinto Stefani übertragen. Gab dieser seine Zustimmung und war der Padre Maestro mit Einleitung und Schluss zufrieden, so trat damit, vom Standpunkte Galileis betrachtet, das schon früher erteilte Imprimatur des römischen Oberzensors in Kraft. Denn an Stelle der oben erwähnten Klausel, von welcher die Gültigkeit des römischen Imprimatur abhängig gemacht worden war, trat nunmehr die Approbation Stefanis und die Billigung von Vorrede und Schluss durch den Magister Sacri Palatii. Was konnten alle diese Förmlichkeiten, die an und für sich überflüssig waren, anderes bedeuten, als dass durch ihre Erfüllung Galilei das Recht erhielt, auch die Druckerlaubnis Riccardis dem Dialoge beizufügen? Trostlos ist es freilich, die Konfusion des armen Paters zu sehen, der in einer Zeile schreibt, er sei nicht kompetent, die Druckerlaubnis zu erteilen und gleichwohl in der nächsten verspricht, ein Zeugnis darüber auszustellen, dass er das Buch approbiere, wofern er nur Einleitung und Schluss zugeschickt erhalte124; dabei hatte er diese Stücke auf seinen Wunsch mindestens seit einem Vierteljahre in Händen.125 Am 24. Mai 1631 endlich setzte sich Riccardi in Verbindung mit dem florentinischen Inquisitor Clemente Egidio, der in Wahrheit schon vor drei Vierteljahren das Imprimatur erteilt hatte. Er schreibt126: »Da der Verfasser dort [in Florenz] die Sache zu erledigen wünscht, so kann Euer Hochwürden von Ihrer Autorität Gebrauch machen und das Buch unabhängig von meiner Revision approbieren oder nicht approbieren; wobei ich jedoch in Erinnerung bringe, dass es die Meinung unseres Herrn [des Papstes] ist, dass als Titel und Gegenstand des Buches nicht Ebbe und Flut gelten soll, sondern unbedingt nur die mathematische Erörterung der kopernikanischen Lehre von der Erdbewegung; diese soll den Zweck haben zu beweisen, dass abgesehen von der göttlichen Offenbarung und der Kirchenlehre die Erscheinungen von jenem Standpunkte aus sich erklären lassen, unter Widerlegung aller gegenteiligen Überzeugungen, welche die Erfahrung und die peripatetische Philosophie an die Hand geben: in der Art, dass niemals jener Meinung die absolute Wahrheit, sondern nur die hypothetische, und zwar ohne Bezugnahme auf die Heilige Schrift, zugestanden werden darf. Auch muss darauf hingewiesen werden, dass das Buch bloß geschrieben wird, um zu zeigen, dass man alle Gründe kenne, die für diesen Standpunkt sich anführen lassen, und dass man nicht aus mangelnder Kenntnis derselben diese Ansicht verurteilt habe, entsprechend dem Anfang und Schluss des Buches, welche ich später korrigiert übersenden werde. Unter diesen Vorsichtsmaßregeln wird dem Buche hier in Rom niemand etwas in den Weg legen.«

      Die Entstehungsgeschichte dieser nun endlich eingetroffenen Vorrede lässt nichts Günstiges von ihr erwarten; sie bietet denn in der Tat ein überaus klägliches Schauspiel. Man sieht Galilei sich drehen und winden, um einerseits alles kirchlich Anstößige zu vermeiden und andererseits nicht geradezu zu lügen. Er nennt das gegen die kopernikanische Lehre gerichtete Dekret zwar nützlich und opportun, aber ob es sachlich gerechtfertigt sei, darüber muss er vermeiden sich zu äußern. Er nennt die Gegner des Edikts zwar leichtfertig, aber wiederum bekennt er sich sachlich weder für noch gegen sie. Das Edikt sei nicht ohne sein Vorwissen veröffentlicht worden; man sollte danach beinahe glauben, es sei auf seinen Rat geschehen. Er fügt hinzu, man habe seine eigenen Untersuchungen seiner Zeit sehr wohl gekannt, keineswegs also habe, wie behauptet worden sei, mangelhafte Kenntnis das Zustandekommen des Edikts verschuldet. Der Zweck des Buches sei, den fremden Nationen gerade das Falsche dieser Beschuldigung nachzuweisen. Selbstverständlich ist zwischen den Zeilen zu lesen: umso schlimmer, wenn man nach so überzeugenden Untersuchungen dennoch die Lehre des Kopernikus ächtete. Fast jeder Satz enthält in ähnlicher Weise einen unausgesprochenen Hintergedanken; die unleugbare Geschicklichkeit, mit der dieser Eiertanz ausgeführt wird, verdient zwar in gewisser Weise Bewunderung, aber das Unbehagen, einen Geist wie den Galileis zu so unwürdigen Sprüngen genötigt zu sehen, verlässt den Leser nicht.

      Im Februar 1632 war der Druck beendigt, am 22. überreichte Galilei dem Großherzog Ferdinand II. das erste Exemplar des ihm gewidmeten Buches, Tags darauf sandte er an Cesare Marsili in Bologna 32 Exemplare. Die Erwartungen, mit denen man dem Dialog entgegensah, waren allseitig aufs Höchste gespannt, und sie wurden nicht enttäuscht. Mit den überschwänglichsten Ausdrücken des Entzückens begrüßten die Freunde Galileis das Erscheinen des Werks. Castelli hatte schon vor Fertigstellung desselben geschrieben, er werde von nun ab nur noch zwei Bücher lesen, das Brevier und den Dialog, und in ähnlichem Stile ergeht er sich, nachdem er es gelesen. Fulgenzio Micanzio in Venedig, Campanella und der 24-jährige Torricelli in Rom, Baliani in Genua, Alfonso Antonini in Verona, Gassendi in Lyon sind des Lobes voll; und so lebhaft die Freunde des Fortschritts den Dialog willkommen hießen, ebenso niederschmetternd wirkte er auf die Feinde, vor allem auf die Jesuiten. Von der Möglichkeit, dass eine von dem Magister Sacri Palatii und von der florentinischen Zensur gebilligte Schrift ernstlich beanstandet oder gar der Verfasser zur Verantwortung gezogen werden könne, sprach niemand.