Название | Dialog über die beiden hauptsächlichsten Weltsysteme |
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Автор произведения | Galileio Galilei |
Жанр | Математика |
Серия | |
Издательство | Математика |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783843804387 |
Nachdem der Inquisitor Egidio am 31. Mai auf dieses Schreiben erwidert hatte, Galilei gehe mit voller Bereitwilligkeit auf alle Korrekturen ein127, schickte Riccardi endlich am 19. Juli die fertiggestellte Vorrede aus Rom. In dem Begleitschreiben gestattet er zwar, stilistische Änderungen daran vorzunehmen, nicht aber sachliche. »Am Schlusse«, heißt es sodann, »muss die Peroration des Werkes (delle opere?) dieser Vorrede entsprechen, indem Signore Galilei die ihm von unserem Herrn [dem Papste] mitgeteilten Gründe bezüglich der göttlichen Allmacht hinzufügt, die den Geist beruhigen sollen, wenngleich man den pythagoreischen Gründen sich nicht entwinden könnte.«128
Die Entstehungsgeschichte dieser nun endlich eingetroffenen Vorrede lässt nichts Günstiges von ihr erwarten; sie bietet denn in der Tat ein überaus klägliches Schauspiel. Man sieht Galilei sich drehen und winden, um einerseits alles kirchlich Anstößige zu vermeiden und andererseits nicht geradezu zu lügen. Er nennt das gegen die kopernikanische Lehre gerichtete Dekret zwar nützlich und opportun, aber ob es sachlich gerechtfertigt sei, darüber muss er vermeiden sich zu äußern. Er nennt die Gegner des Edikts zwar leichtfertig, aber wiederum bekennt er sich sachlich weder für noch gegen sie. Das Edikt sei nicht ohne sein Vorwissen veröffentlicht worden; man sollte danach beinahe glauben, es sei auf seinen Rat geschehen. Er fügt hinzu, man habe seine eigenen Untersuchungen seiner Zeit sehr wohl gekannt, keineswegs also habe, wie behauptet worden sei, mangelhafte Kenntnis das Zustandekommen des Edikts verschuldet. Der Zweck des Buches sei, den fremden Nationen gerade das Falsche dieser Beschuldigung nachzuweisen. Selbstverständlich ist zwischen den Zeilen zu lesen: umso schlimmer, wenn man nach so überzeugenden Untersuchungen dennoch die Lehre des Kopernikus ächtete. Fast jeder Satz enthält in ähnlicher Weise einen unausgesprochenen Hintergedanken; die unleugbare Geschicklichkeit, mit der dieser Eiertanz ausgeführt wird, verdient zwar in gewisser Weise Bewunderung, aber das Unbehagen, einen Geist wie den Galileis zu so unwürdigen Sprüngen genötigt zu sehen, verlässt den Leser nicht.
Die Vorrede traf in Florenz ein, nachdem der Druck des Textes bereits begonnen hatte – am 20. März 1631 waren schon sechs Bogen fertig gestellt – sie musste daher später auf einem besonderen Bogen hinzugefügt werden: Unglücklicherweise wurden überdies andere Typen gewählt als die für den Text verwendeten. Auch daraus schmiedete man nachher Waffen gegen den Verfasser. Was die »Peroration« betrifft, die das mehrfach erwähnte Argument des Papstes bringt, so musste Galilei glauben, den Wunsch des Papstes mit der von ihm gewählten Wendung erfüllt zu haben. Die maßlose Eitelkeit Urbans versprach sich zwar aller Wahrscheinlichkeit nach eine ausführlichere Behandlung, in Wahrheit aber lässt die Ehrerbietung, womit am Schlusse des Dialogs allseitig die dem Simplicio in den Mund gelegte Betrachtung aufgenommen wird, nichts zu wünschen übrig. – Das Titelkupfer, welches Aristoteles, Ptolemäus und Kopernikus im Gespräche miteinander darstellt, und das Titelblatt beanspruchen gleichfalls ein gewisses Interesse. Die zweimal verwendete Vignette von drei wechselseitig sich beißenden Delphinen wurde nämlich später für anstößig befunden, weil ihr irgendeine geheimnisvolle oder boshafte Anspielung zu Grunde liegen sollte – welche, wird nicht gesagt.129 Als sich dann freilich herausstellte, dass dieselbe Vignette auch bei anderen Werken des Landinischen Verlags Verwendung gefunden hatte, musste man dieses Bedenken fallen lassen. – Der italienische Titel ist aus dem unserer Ausgabe beigefügten Facsimile des Titelblattes ersichtlich; in wörtlicher deutscher Übersetzung lautet er: Gespräch von Galileo Galilei, Mitgliede der Akademie dei Lincei, außerordentlichem Mathematiker der Universität Pisa, erstem Philosophen und Mathematiker des Durchlauchtigsten Großherzogs von Toskana. Darin wird in Sitzungen an vier Tagen über die beiden hauptsächlichsten Weltsysteme, das ptolemäische und das kopernikanische, gehandelt; mit unparteiischer Vorführung der philosophischen und der natürlichen Gründe sowohl für den einen als für den anderen Standpunkt. – Das Format der Originalausgabe ist Oktav, nicht, wie meist angegeben wird, Quart. Der eigentliche Text des Dialogs ist auf 458 Seiten enthalten; davor befinden sich un-paginiert Titelkupfer und Titelblatt, die Widmung an den Großherzog und die Vorrede; dahinter zwei Seiten Druckfehlerverzeichnis, sowie die (nicht vollständige) alphabetische Zusammenstellung der im Buche vorkommenden Randinhaltsangaben (Postillen).
Im Februar 1632 war der Druck beendigt, am 22. überreichte Galilei dem Großherzog Ferdinand II. das erste Exemplar des ihm gewidmeten Buches, Tags darauf sandte er an Cesare Marsili in Bologna 32 Exemplare. Die Erwartungen, mit denen man dem Dialog entgegensah, waren allseitig aufs Höchste gespannt, und sie wurden nicht enttäuscht. Mit den überschwänglichsten Ausdrücken des Entzückens begrüßten die Freunde Galileis das Erscheinen des Werks. Castelli hatte schon vor Fertigstellung desselben geschrieben, er werde von nun ab nur noch zwei Bücher lesen, das Brevier und den Dialog, und in ähnlichem Stile ergeht er sich, nachdem er es gelesen. Fulgenzio Micanzio in Venedig, Campanella und der 24-jährige Torricelli in Rom, Baliani in Genua, Alfonso Antonini in Verona, Gassendi in Lyon sind des Lobes voll; und so lebhaft die Freunde des Fortschritts den Dialog willkommen hießen, ebenso niederschmetternd wirkte er auf die Feinde, vor allem auf die Jesuiten. Von der Möglichkeit, dass eine von dem Magister Sacri Palatii und von der florentinischen Zensur gebilligte Schrift ernstlich beanstandet oder gar der Verfasser zur Verantwortung gezogen werden könne, sprach niemand.
Aber das Unerwartete geschah. Im August 1632 ging auf päpstliche Anordnung dem Verleger die Weisung zu, den Verkauf des Dialogs zu sistieren.130 Eine eigens zu diesem Zwecke berufene Kongregation gab ihre Meinung dahin ab, dass die Inquisition gegen Galilei wegen Veröffentlichung seines Buches einzuschreiten habe. Am 23. September beschloss demgemäß das h. Officium, Galilei für den Oktober nach Rom vor seinen Richterstuhl zu zitieren; die Vorladung wurde Galilei am 2. Oktober vom Inquisitor in Florenz bekannt gegeben, er musste sie vor Notar und Zeugen eigenhändig unterschreiben. Wie das gekommen war, lässt sich unschwer