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insbesondere für die Film- und Fernsehindustrie, wo sich Schauspieler glücklich schätzen können, wenn sie drei Minuten zum Proben bekommen, bevor die Kamera läuft. So, wie es im Moment aussieht, werden Spielfilme oft in 28 Tagen oder weniger gedreht. Und der Druck beim Fernsehen ist sogar noch größer.

      Einer der Gründe, warum ich so fest daran glaube, dass die Meisner-Technik der beste Ansatz für die Schauspielausbildung ist, ist der, dass sie auf jede Herausforderung angewendet werden kann, mit denen ein Schauspieler konfrontiert wird. Sie bringt Schauspieler hervor, die darstellerische Leistungen von hoher Qualität erbringen – egal in welchem Medium.

      Die Kunst des Schauspielens befindet sich seit ihrem Beginn in einem ständigen Wandel. Viel hat mit der Entwicklung der Gesellschaft zu tun, aber ein großer Teil hat – interessanterweise – mit Technologie zu tun. So wurden zum Beispiel im 19. Jahrhundert Schauspieler ausgebildet, um in großen Theatern zu spielen; sie arbeiteten daran, laut und deutlich zu sprechen und ein Repertoire an übertriebenen Gesten zu entwickeln, die ihr Gefühlsleben bis in die letzten Reihen eines großen, überfüllten Theaters transportierten. Dann, zu Beginn des 20. Jahrhunderts, wurde der Stummfilm ein rentabler Markt für Schauspieler und plötzlich mussten sie das Problem, ohne Ton zu spielen, überwinden. Mit dem Tonfilm sahen sich Schauspieler massiven Fragen bezüglich Subtilität und Aufrichtigkeit im Film konfrontiert.

      Als ich in den Fünfzigerjahren bei Meisner studiert habe, kam gerade das Fernsehen als Medium auf. Schau dir an, wie viele Schauspieler heute fürs Fernsehen arbeiten. Dann begründete das Guthrie Theater 1963 die regional theater2 movement. Plötzlich gab es einen enormen Bedarf an amerikanischen Schauspielern, die mit Sprache und Zeitstil der Klassiker umgehen konnten, was enorme schauspielerische Herausforderungen mit sich brachte.«

      »Aber bereitet nicht jede Art von Schauspieltraining auf diese Medien vor?«

      Bill schüttelt den Kopf. »Nein. Nicht im Geringsten. Heute gibt es, ganz gleich welchen Weg jemand einschlägt, um in die Schauspielkunst einzutauchen, irgendwo eine Schule, die eine Gebühr verlangt und ihre Tore öffnet. Aber sind ihre Absolventen genauso versiert im Bereich Film und Fernsehen wie für klassisches Repertoiretheater? Selten. Einfach, weil die Systeme, die sie anwenden, nicht so klar organisiert sind wie die von Meisner. Meine Vision eines gut ausgebildeten Schauspielers ist jemand, der seine Ausbildung gleichermaßen auf einen zeitgenössischen Film oder eine Bühnenproduktion von Shakespeare anwenden kann. Ein Schauspieler, der Euripides, Shaw, Brecht und O’Neill spielen kann und sich dann umdreht und eine Vertragsrolle in einer Soap-Opera übernimmt.«

      »Das ist ziemlich viel verlangt.«

      Bill schaut mich an. »Das ist es mit Sicherheit.«

      »Aber warum ein weiteres Buch zur Meisner-Technik schreiben? Reichen Sandys Ausführungen nicht?«

      Bill zieht die Augenbrauen hoch. »Sandy hat ein wunderbares Buch geschrieben. Aber wegen seiner begrenzten Zeit und Energie ist es unvollständig. Es gibt viele wichtige Aspekte seiner Technik, die er in seinem Buch Sanford Meisner on Acting (Schauspielen. Die Sanford-Meisner-Technik) nicht ansprechen konnte. Ich möchte diese nicht erwähnten Bereiche untersuchen. Auch hat die Verbreitung der Meisner-Technik zu ihrer Verwässerung geführt. Überall im Land behaupten Lehrer, authentische Versionen von Sandys Arbeit zu unterrichten, was nicht der Fall ist. Eine Schwierigkeit der Meisner-Technik ist es, dass die Anfangsübungen leicht zu lernen und zu lehren sind. Das zieht viele unqualifizierte Personen an. Sie führen verschiedene ›Wiederholungsübungen‹ (Repetition Excercises) aus und behaupten, Meisners Arbeit zu unterrichten, ohne mit den nächsten Schritten fortzufahren, die alle notwendig sind, um wirklich versierte Schauspieler auszubilden, die fähig sind, Figuren mit einem tiefen und überzeugenden Innenleben zu erschaffen.«

      Ich räuspere mich, blicke schnell zur Wand: »Bill, ich muss dir etwas gestehen.«

      Aus dem Augenwinkel kann ich sehen, wie er dasitzt und wartet. Geduldig. Bill Esper hat die Sprechgewohnheiten eines Dichters. Er sagt nur die Wörter, die wesentlich sind, und fühlt sich unendlich wohl in der Stille. Hätte er eine Karriere als Schriftsteller verfolgt anstatt der eines Schauspielers, wäre er wohl ein lausiger Autor von Groschenromanen geworden, aber seine Haiku wären atemberaubend gewesen.

      »Ich habe angefangen zu unterrichten.«

      Bill spitzt die Ohren. Wie ich sehe, gefällt ihm das sehr.

      »Ausgezeichnet!«, sagt er. »Dass du das tun würdest, habe ich mir schon immer gedacht.«

      »Es ist nicht ausgezeichnet«, schimpfe ich. Meine Reaktion lässt ihn kalt. Er sagt nichts dazu. An seinem Blick kann ich sehen, dass er mein Problem bereits intuitiv erfasst hat: Es ist für mich unglaublich frustrierend. »Je mehr ich spiele und unterrichte, desto unsicherer bin ich mir darüber, warum ich es tue.«

      »Es braucht Zeit, ein Gefühl dafür zu entwickeln«, sagt Bill.

      »Ich mache es seit elf Jahren.«

      Er lacht. »Besuch mich in dreißig Jahren wieder. Dann werden wir sehen, was du gelernt hast.« Aber dann nickt er. »Das ist gut. Ich will ein Buch über das Unterrichten von Schauspielern schreiben. Du willst mehr über das Unterrichten von Schauspielern wissen. Warum kommst du nicht morgen vorbei? Ich habe einen neuen Kurs, der gerade startet. Wir fangen ganz am Anfang an und arbeiten uns durch den ganzen Prozess.«

      »Das klingt gut«, sage ich. »Wirklich. Das hört sich großartig an.«

      Bill lächelt.

      Die nächsten anderthalb Jahre beobachtete ich Bill beim Unterrichten seiner Erstsemester und arbeitete mit ihm an diesem Buch. Wir waren uns einig, dass wahrscheinlich kein einzelner Kurs die Vielzahl unterschiedlicher Situationen, die in einer Klasse entstehen können, berücksichtigen oder die vielen Möglichkeiten aufzeigen würde, die einzelnen Schüler bei ihren spezifischen Problemen helfen können. Stattdessen haben wir einen Bericht mit repräsentativen Informationen zum ersten Jahrgang mit den allgemeinen Typen von Studenten und Problemen erstellt, denen Bill über die Jahre begegnet ist. Keiner der in diesem Buch beschriebenen Schüler verkörpert eine tatsächliche Person. Wir haben auf meine Beobachtungen und Bills jahrzehntelange Unterrichtserfahrung zurückgegriffen, um die Unterrichtssituation wiederherzustellen und dem Leser eine aufschlussreiche Darstellung der Technik in der Praxis zu geben.

      ———

      1Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Folgenden meist die männliche Form verwendet, es ist jedoch immer die weibliche Form mitgemeint. (Anm. d. Red.)

      2regional theater: regional ansässiges Landestheater, das eine »Alternative zum Broadway-Theater« darstellt und u. a. klassische Stücke professionell auf die Bühne bringt. Das Guthrie Theater wurde 1963 in Minneapolis gegründet und hat sich diesem Konzept verschrieben. (Anm. d. Red.)

      TREVOR –

      ein drahtiger, junger Mann mit ansteckendem Grinsen und schwarzem Haar.

      AMBER –

      eine hübsche, blonde Engländerin mit einem Sinn für Ironie und Absurdität.

      VANESSA –

      eine zierliche Afro-Amerikanerin mit einer Energie, die ihrer Größe trotzt.

      JOYCE –

      eine ältere Frau, die jahrelang als Schauspielerin in einem regional theater arbeitete, bevor sie eine Auszeit nahm, um eine Familie zu gründen. Ihr Blick ist direkt, eine Spur von Ironie liegt auf ihren Lippen, was sie liebenswürdig und unfreundlich zugleich macht.

      DOM –

      ein schlanker, gutaussehender Mann mit dichtem schwarzen Haar und einem offenen Gesichtsausdruck, der gleichzeitig sehr direkt und verletzlich ist. Er hat große, dunkle, glänzende Augen.

      KENNY –

      ein spindeldürrer Mann mit blonden Locken, einer hämischen Stimme und einem