Название | Ohne dich ist's schon viel besser |
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Автор произведения | Raphael Buchrucker |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783985515134 |
Ohne darüber nachzudenken gab Laura ihm ihre Arbeitsvisitenkarte und sagte dazu: „Melden Sie sich einfach bei mir, meine Daten stehen hier drauf.“ Sie spürte, wie erleichtert sie sich fühlte, hier jetzt endlich weg zu können.
Johannes überflog kurz ihre Visitenkarte -Psychotherapeutische Praxis Laura Worrior und Kollegen, Schwerpunkte Schulverweigerung, Kinder- Elternbeziehung und Sterbebegleitung-. Seine Gedanken blieben bei Sterbebegleitung’ hängen und er fragte sich, wie alt sie sein mochte. Aber darüber konnte er gleich noch nachdenken. Laura hatte ihn mit Sie angesprochen. Sie sah doch bestimmt, dass sie nicht sehr verschieden alt waren. Ach das lag sicher wieder an diesem blöden Wagen, der einem einen Status in der Gesellschaft einbrachte auf den er besonders in diesem Moment gerne verzichtet hätte. Er gab sich einen Ruck und antwortete dann ganz förmlich: „Danke für Ihr Entgegenkommen, ich werde mich in den nächsten Tagen bei Ihnen melden.“ ‚Ihr Entgegenkommen‘, äffte er sich innerlich nach. Er wollte ihr gegenüber nicht so distanziert sein. Darum wollte er ihr Zusammentreffen so wie es jetzt war möglichst schnell beenden, ging wieder um den Wagen herum, setzte sich hinters Lenkrad des 112ers und versuchte keinen zu schnellen Start hinzulegen, was ihm aber nur so halb gelang.
Sie sah Johannes etwas überrascht zu, wie schnell er wieder verschwand, eigentlich genauso schnell wie er aufgetaucht war und verstand nicht ganz, wie dieser interessante Mann in dieses Auto passte.
Da waren sie wieder, die Vorurteile, welche sie auch bei ihren Patienten zu bekämpfen versuchte, weil sie doch so viel Unwahrheit und Unfrieden in die Welt brachten. Immer wenn man genauer hin schaute, merkte man, dass sich die meisten Meinungen, die auf solchen Urteilen aufbauten, in Luft auflösten. Das Bild, das sich dann meist ergab, war immer wesentlich komplexer und lies mehr Raum für Verständnis und Lösungen. Und genau darum ging es ihr auch im Leben, Verständnis für die inneren menschlichen Verschiedenheiten und Herausforderungen zu schaffen. Und jetzt geschah es ihr selbst, dass sie so vorschnell in Klischees rutschte, wo sie doch gedacht hatte in anderen Kategorien zu denken. Sie konnte also gespannt auf den nächsten Kontakt mit ihm sein, um genaueres herauszufindenden. Ein schneller Blick nach oben, zum Glück, Julian hatte nicht zugesehen. Nicht einmal für ihr Gehen interessierte er sich. Er war wirklich sehr von sich eingenommen und sie wünschte ihm innerlich viel Glück mit seiner Nächsten, ob mit Caroline oder einer anderen war ihr egal. Schnell setzte sie sich in ihr Auto und fuhr zu ihrer Wohnung.
2
Zu Hause angekommen, schloss Laura erst einmal die Türe hinter sich, setzte sich auf‘s Sofa und holte tief Luft.
Nach einer Weile stand sie wieder auf, ging zum Schrank, holte sich ein Glas heraus, füllte es unter dem Wasserhahn und trank es gierig in einem Zug. Langsam kam wieder Leben in sie und ihre Gedanken begannen, sich wieder zu regen, um das heute Geschehene zu bewegen. Julian hatte also eine Andere und das schon seit fünf Monaten. Wieso hatte sie das nicht bemerkt? Hatte er ihr etwas gut vorgespielt oder hatte sie einfach die kleinen Anzeichen, die doch da gewesen sein mussten, übersehen? Und wenn ja, wieso? War sie unsensibel geworden oder hatte sie einfach in ihren Träumen gelebt und die Realität nicht sehen wollen? Oder - und jetzt wurden ihr fast übel, hatte sie von Anfang an nur das sehen wollen, was ihren Vorstellungen entsprach von einer perfekten Beziehung? Und hatte sie dabei ganz viele Teile der Realität großzügig unterschlagen? Eine leise unangenehme Ahnung stieg in ihr auf, dass dies wohl vieles erklären würde und plötzlich wünschte sie sich eine ihrer Bekannten zu sein, welche die Schuld immer im Außen und bei den Anderen suchten und nie bei sich selbst. Leider hatte ihr das Psychologie Studium diese Art von selbstgerechter Unreflektiertheit genommen, sodass sie immer auch ihren eigenen Anteil, der zu einer Situation geführt hatte, erkennen wollte. Ja, das wollte sie und sie wusste, dass sie dies auch um ihretwillen tat, denn jedes Mal erkannte sie dann Dinge über sich, die sie auch näher zu sich selbst brachten.
Trotzdem, in diesem Moment wünschte sie sich auch ein kleines bisschen weniger wahrhaftig zu sein und einfach schmollend und voller Selbstmitleid, zu Recht ganz enttäuscht und wütend auf Julian sein zu können. Und dann könnte sie sich gleich dem nächsten an den Hals werfen und dieselben Fehler genussvoll noch einmal machen. Schade dachte sie, dabei wäre da doch gleich schon ein potentieller neuer Typ gewesen. Und er hatte in ihren Augen nicht nur ein tolles Äußeres, sondern offensichtlich auch mehr Geld als Julian, was sie zwar nicht glücklich machen würde, aber zumindest Julian gekränkt hätte, das wusste sie. Jetzt unterbrach sie sich ein bisschen ungehalten in diesem Gedanken- und Gefühlstreiben, füllte sich noch ein Glas Wasser und trank ein paar Schlucke. Dann begann sie liebevoll, jedoch mit so viel Ehrlichkeit ihr selbst gegenüber wie sie nur konnte herauszufinden was wirklich geschehen war, dass sie sich heute in dieser Situation wiedergefunden hatte. Und außerdem wollte sie auch herausfinden was sie sich unbedingt von einer Beziehung wünschte und auf was sie auch verzichten könnte.
Johannes errötete innerlich bei seinem etwas zu schnellen Start und hoffte, dass sie diesen beinahe hastigen Abgang nicht als Geringschätzung auffasste. Irgendwie fühlte es sich jedoch nicht so an und das beruhigte ihn etwas.
Nun beschäftigten sich seine Gedanken einen Augenblick damit, wie er seinem Vater so von der Delle in seinem 112er berichten könnte, dass dieser sich nur über Johannes Unbekümmertheit aufregen und nicht seine heimliche Freude darüber bemerken würde. Schnell kehrten seine Gedanken jedoch zurück zu Laura und seine Gefühle machten einen Satz vor Freude und Aufregung. Am liebsten würde er die nächsten Stunden und den Anfang des nächsten Tages überspringen, denn am Nachmittag würde er zu ihr in die Praxis fahren. Ja und dann? Dies galt es jetzt genau zu überlegen, denn das sollte nicht das letzte Mal bleiben, dass er sie treffen würde, so hoffte er. Ihre Ausstrahlung, ihre Erscheinung und besonders ihre Stimme, ließen in ihm zarte Gefühle der Hoffnung entstehen, die aber so machtvoll waren, dass er ihnen nachgehen musste.
Er würde sie einfach ganz direkt fragen, ob er sie auf einen Kaffee einladen durfte. Nein, was wenn sie ablehnen würde, dann hätte alles ein schnelles Ende ohne eine zweite Gelegenheit. Er brauchte eine bessere Idee, die ihm ein zweites Treffen garantierte. Aber was wenn sie ihn total unsympathisch fand und auf keinen Fall länger als notwendig sehen wollte? Ach, nicht schon wieder diese Angst und Bedenkenträger dachte er, die ewig das Leben verhindern und auf Sicherheit pochen, anstelle sich dem Leben mit mutigem Herzen zu stellen und das maximal mögliche zu versuchen. Also wie sollte er es nun anstellen? Gerade hatte er jedoch keine Idee und er war auch schon fast da. Ihm würde schon noch etwas Gutes einfallen sagte er sich und bog von der Hauptstraße, die gleich an die Küste entlang führte in die gleichnamige steile Bergstraße ab, für die es sicher auch einen kreativeren Namen gegeben hätte. Z.B. ‚Unter den Pinien’ oder einen der Namen der berühmten Vorfahren der Familienbesitztümer in dieser Straße. Denn hier standen einige Anwesen bedeutender Familien. Seine eigene war dabei eher unbedeutend und hatte weder durch geniale Erfindungen, noch politisch bedeutende Taten viel Geld gemacht. Sein Großvater mütterlicherseits hatte einen kleinen Laden mit allerlei Esswaren, jedoch spezialisiert auf die Küstenfische von hier, von seinem Vater geerbt und daraus ein Handelsimperium geschaffen. Sie verkauften bzw. handelten irgendwann mit fast allem, was viel Gewinn erbrachte. Damals war ja alles noch viel weniger vernetzt und man konnte gut Geld mit seltenen Gütern, die nicht so einfach zu bekommen waren, machen. Die Logistik für so ein Unternehmen war enorm und daher entwickelte sich gerade in diesem Sektor eine große Expertise. Und als schließlich ein Punkt erreicht war, an welchem alles auf Grund seiner Größe zu zerfallen drohte, wurden einzelne Firmen daraus gemacht. Zu diesem Zeitpunkt war auch schon Johannes Vater in die Familie gekommen und da seine Stärke im Lenken und überblicken von Finanzströmen lag, wurde erst eine Bank gegründet und bald danach sogar eine zweite, die sich auf Währungstransfers spezialisierte. Als Großvater dann nach und nach weniger arbeiten wollte, wurden die meisten der inzwischen eigenständigen Firmen verkauft und lediglich die beiden Banken, sowie der Logistikkonzern blieben im aktiven Familienbesitz. Inzwischen leitete sein Vater die beiden Banken alleine und Großvater und Vater hatten nur noch einen Posten im Aufsichtsrat der Logistik Firma, den sie sich teilten.
Seit ein paar Jahren also hatte Großvater viel freie Zeit zur Verfügung und diese verbrachte