Der Dreißigjährige Krieg. Ricarda Huch

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Название Der Dreißigjährige Krieg
Автор произведения Ricarda Huch
Жанр Документальная литература
Серия Sachbücher bei Null Papier
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783962818555



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und ih­rer Toch­ter schi­en es am bes­ten, dem Bru­der Jo­han­nes in Linz da­von zu be­rich­ten, der als ein ge­lehr­ter Mann und Astro­nom des Kai­sers klug und mäch­tig ge­nug sein wer­de, um ih­rer Mut­ter aus der Be­dräng­nis zu hel­fen. Die­ser riet, die Mut­ter sol­le un­ver­züg­lich zu ihm nach Linz kom­men, da­mit wer­de der wi­der­wär­ti­gen Sa­che am schnells­ten ein Ende ge­macht. Die­sem Vor­schlag stimm­ten die Kin­der leb­haft zu, hal­fen ihr, ei­ni­ge Hab­se­lig­kei­ten zu­sam­men­zu­pa­cken, und die Abrei­se ging zur Er­leich­te­rung al­ler von­stat­ten. Un­ter­wegs aber, al­lein ih­ren Ge­dan­ken über­las­sen, stell­te sie sich vor, wie da­heim nun alle den­ken und sa­gen wür­den, dass sie au­gen­schein­lich eine Hexe sei, sonst wür­de sie nicht die Flucht er­grif­fen ha­ben; wie sie ihr Le­ben lang für eine Hexe wür­de gel­ten müs­sen und mit was für Au­gen ihr Sohn Jo­han­nes sie an­se­hen wür­de. Sie schalt sich tö­richt, dass sie ih­ren Kin­dern nach­ge­ge­ben hat­te: nichts Bö­ses oder Teuf­li­sches konn­te man ihr nach­wei­sen, viel­mehr wür­de sie ih­ren heim­tücki­schen Ver­leum­dern ob­sie­gen, so­dass sich ihre Schan­de bloß vor al­ler Au­gen zei­gen wür­de. Als sie un­ter sol­chen Ge­dan­ken in Ulm an­ge­kom­men war, kehr­te sie, ohne sich die be­rühm­te Stadt an­zu­se­hen, so­fort wie­der um nach Hau­se, nicht nur zum Schre­cken der Kin­der, son­dern fast auch ih­rer Geg­ner, die be­reits un­si­cher ge­wor­den wa­ren, ob sie nicht am Ende selbst in die ge­fähr­li­che Gru­be stür­zen möch­ten. Da die Beu­te ih­nen aber nun wie­der er­reich­bar war und sie zu­rück nicht mehr konn­ten oder woll­ten, such­ten sie im Stil­len nach neu­en Zeu­gen und Be­wei­sen, um dann ih­rer­seits mit ei­ner An­kla­ge auf Zau­be­rei her­vor­tre­ten zu kön­nen.

      Das Jahr 1618 be­gann mit ei­nem Tri­um­phe für Khlesl, in­dem der voll­zo­ge­ne Frie­de mit Ve­ne­dig, der sein Werk war, fei­er­lich in Wien be­gan­gen wer­den konn­te. Der Kar­di­nal lieb­te Fes­te und Um­zü­ge und be­küm­mer­te sich ein­ge­hend dar­um, dass ein in die Au­gen fal­len­der Prunk da­bei ent­fal­tet wur­de. In lan­gem Zuge wall­ten die Hof­be­am­ten, die Klos­ter- und Welt­geist­li­chen und die in Zünf­te ver­teil­ten Bür­ger um den Ste­phans­dom, jede Kör­per­schaft eine mit Sym­bo­len be­mal­te Fah­ne in ih­rer Mit­te tra­gend: ein in Flam­men auf­wärts­lau­fen­der Sala­man­der, der hei­li­ge Mar­tin, der mit dem Schwer­te den Man­tel zer­schnei­det, um ihn mit dem Bett­ler zu tei­len, ein mit Lor­beerzwei­gen um­wun­de­nes Schwert und der­glei­chen. Nach sei­ner ei­ge­nen An­wei­sung wa­ren auf vier Fah­nen die vier Ele­men­te, alle in Pur­pur, dar­ge­stellt: die Luft durch die pur­pur­ne Mor­gen­rö­te, das Was­ser durch das von der Flut zu­rück­ge­spie­gel­te Aben­d­rot, die Erde durch pur­pur­ne Blu­men, das Feu­er durch die pur­pur­ne Flam­me. Lus­tig pran­gend und frohlo­ckend be­weg­te sich die flat­tern­de Pro­zes­si­on durch die kla­re Win­ter­luft, bis ein Bild nach dem an­de­ren in der tie­fen, duf­ten­den Däm­me­rung des Do­mes sich sacht zu­sam­men­leg­te und erb­lich.

      Erz­her­zog Ma­xi­mi­li­an hat­te den Frie­dens­ab­schluss nicht ver­hin­dern kön­nen; aber nun sehe man, sag­te er zu Fer­di­nand, dass es mit Khlesl zu Ende kom­men müs­se. Er sei zwei­felsoh­ne von Ve­ne­dig be­sto­chen wor­den, des Kai­sers Ver­stan­des­blö­dig­keit neh­me täg­lich zu, Khlesl sei der wah­re Kai­ser und Matt­hi­as sein Ham­pel­mann. Bei sei­ner Kopf­schwä­che kön­ne Matt­hi­as für sich nicht sor­gen, sie müss­ten ihn be­frei­en und ihm und sich sel­ber Recht ver­schaf­fen. Auf dem ge­wöhn­li­chen Wege wäre der Zweck nicht zu er­rei­chen, sie müss­ten gleich­sam sich selbst für das Tri­bu­nal an­se­hen und den Schul­di­gen ju­sti­fi­zie­ren, und nach sei­ner An­sicht ge­schä­he das am schick­lichs­ten, in­dem sie den gel­ben Teu­fel durch ein heim­li­ches Gift, das durch einen ver­trau­ten Arzt wohl zu be­schaf­fen sein wer­de, auf die Sei­te schaff­ten. Die­ser Vor­schlag kam Fer­di­nand be­frem­dend vor, ob­wohl er zu­gleich nicht um­hin konn­te, die Ent­schlos­sen­heit sei­nes Oheims zu be­wun­dern. Nach­dem er sich meh­re­re Tage be­dacht hat­te, ant­wor­te­te er Ma­xi­mi­li­an, das Mit­tel schei­ne ihm zu scharf, ab­ge­se­hen da­von, dass Khlesls Hoch­ver­rat viel­leicht nicht ganz zu er­wei­sen sei. Es las­se sich wohl noch ein an­de­rer Weg fin­den, um zum Zie­le zu kom­men, er stim­me für ge­lin­de­re Mit­tel, vor­züg­lich da es eine geist­li­che Per­son, einen Kar­di­nal be­tref­fe, des­sen sich schließ­lich noch der Papst an­neh­men wer­de.

      Er­fuhr Khlesl von die­sen ge­hei­men Plä­nen auch nichts, so emp­fand er doch die zu­neh­men­de Un­gunst der bei­den Erz­her­zö­ge und dass sie sich mit star­ken Ent­schlüs­sen tru­gen. Sein rüs­ti­ger Kör­per wur­de um die­se Zeit zum ers­ten Male von ei­nem Un­wohl­sein be­fal­len, und die Tage, die er un­tä­tig im Bet­te lie­gen muss­te, brach­ten ihm schwar­ze Ge­dan­ken, was ihm be­vor­stün­de, wenn etwa der Kai­ser mit Tode ab­gin­ge. Doch raff­te er sich sei­ner Ge­wohn­heit nach ge­walt­sam auf, fürch­te­te auch, es möch­te in sei­ner Ab­we­sen­heit je­mand das Steu­er an sich rei­ßen, und fühl­te sich un­ent­behr­lich, was er für den Kai­ser und die Kai­se­rin in der Tat war. »Lie­ber Khlesl«, pfleg­te ihm die Kai­se­rin zu sa­gen, »mein Herr be­kommt gleich die Me­lan­cho­lie, wenn Ihr ihn nicht täg­lich ein we­nig zu­sam­men­schimpft und auf­mun­tert.«

      »Me­lan­cho­lie kommt von Lan­ger­wei­le«, sag­te Khlesl zu Matt­hi­as, »und die Lan­ge­wei­le kommt Ih­nen, weil Sie nichts Rech­tes vor­neh­men, und es gibt doch über­ge­nug zu tun.« Khlesl habe gut re­den, da er ge­sund sei, ver­tei­dig­te sich Matt­hi­as kläg­lich; ihm aber sei nie­mals wohl, er kön­ne die Ge­dan­ken nicht bei­sam­men hal­ten, das Es­sen schme­cke ihm nicht, ge­hen kön­ne er auch nicht, es sei nicht an­ders, als wenn er ver­zau­bert sei. Das woll­te Khlesl nicht gel­ten las­sen: ge­hen müs­se er ja nicht, er sei der höchs­te Herr der Chris­ten­heit und kön­ne fah­ren; wenn er kei­ne Lust zu es­sen habe, kön­ne er es blei­ben las­sen, zu­we­nig sei bes­ser als zu viel, ihm feh­le nichts, die Ärz­te fän­den nichts an ihm. »Neh­men Sie sich der Ge­schäf­te an«, sag­te er, »das er­mun­tert Ihre Die­ner und ist auch Ihre Pf­licht. Vom mü­ßi­gen Hin­sit­zen kommt dickes Blut und Ver­derb­nis der Säf­te. Ich will gern für Sie ar­bei­ten und den Hass, der dar­aus kommt, auf mich neh­men; aber ich könn­te Ih­nen auch durch Krank­heit oder Ei­fer­sucht der Fein­de ab­han­den kom­men. Was soll dann aus Ih­nen wer­den, wenn Sie die Ge­schäf­te nicht ver­ste­hen?«

      In den Er­b­län­dern, na­ment­lich in Böh­men, ver­folg­te Khlesl nicht die­sel­be ver­söhn­li­che Po­li­tik wie im Rei­che, viel­mehr wur­de wie zu Ru­dolfs Zei­ten in al­len strei­ti­gen Fäl­len meis­tens zu­guns­ten der Ka­tho­li­ken ent­schie­den. Dies wur­de von den pro­tes­tan­ti­schen Stän­den na­ment­lich dem Ein­fluss des Fer­di­nand zu­ge­schrie­ben, der als ein Schü­ler und An­hän­ger der Je­sui­ten übel be­ru­fen war, und ei­ni­ge, na­ment­lich Graf Thurn, mach­ten dar­auf auf­merk­sam, dass er kei­nes­falls als Kö­nig dür­fe zu­ge­las­sen wer­den; aber die­se fan­den, als der Au­gen­blick zu han­deln da war, nicht ge­nü­gen­den An­hang. Jetzt gel­te es zu zei­gen, sag­te Thurn, dass Böh­men ein Wahl­reich sei, wie sie ja auch Ru­dolf ab­ge­setzt und Matt­hi­as auf den Thron ge­ho­ben hät­ten, ge­gen­über der An­sicht der Ka­tho­li­schen, als hät­ten die Habs­bur­ger ein An­recht auf die Kro­ne; drän­ge Fer­di­nand jetzt durch, so be­hiel­ten sie ge­wis­ser­ma­ßen recht, und man kön­ne ihn her­nach nicht mehr los­wer­den. Die an­de­ren stimm­ten ihm wohl zu, mein­ten aber, Fer­di­nand ma­che