Название | Der Dreißigjährige Krieg |
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Автор произведения | Ricarda Huch |
Жанр | Документальная литература |
Серия | Sachbücher bei Null Papier |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783962818555 |
22.
Damals erschien ein Buch, das dem Landgrafen Anregung gewährte, es hatte den Titel ›Chymische Hochzeit Christian Rosencreuz‹, geißelte mit Witz und Wärme die Laster der Zeit und berichtete von einer Gesellschaft, die zum Zweck eine Reform der Sitten, der Politik und der Kirche, kurz, des ganzen öffentlichen sowie privaten Lebens habe. Es begann mit einer Erzählung, wie die Weiber eines Fabellandes sich im Rathause versammeln, um den herrschenden Übeln abzuhelfen, wie das Volk in Ehrfurcht wartet, auf welche Weise es gebessert und beglückt werden soll, wie endlich die geheiligte Pforte sich öffnet und den Harrenden das Ergebnis verkündet wird, mit welchem der Wendepunkt einer neuen, schöneren Zeit beginnen soll: eine neue Taxe auf Kraut, Rüben und Petersilie.
Die Empfehlung des Landgrafen verschaffte dem Buche in Hessen viele Leser, aber auch in anderen kalvinischen Gegenden erregte es Beifall oder mindestens Interesse, während es im Allgemeinen als frech, aufwieglerisch und voll von Ketzereien getadelt und bekämpft wurde. Der ungenannte Verfasser, nach dem man vergebens fahndete, war ein Schwabe, der aus einer Familie von Theologen stammte, Johann Valentin Andreae, ein rastloser Geist, dessen Verstand ebenso durchdringend und unbestechlich wie seine Fantasie lebhaft war, heiter, stolz, warmherzig und unternehmend. Durch seine Abkunft zur Theologie bestimmt, widmete er sich doch zunächst aus Neigung der Mathematik und Mechanik, der Malerei, Musik und Dichtung, führte ein ungebundenes Reiseleben oder verdiente sich seinen Unterhalt als Erzieher. Etwa im Jahre 1613 war er mit zwei Freunden, dem österreichischen Edelmann Abraham Hoelzel und dem schwäbischen Juristen Besold, seiner Gesundheit wegen im Bade Griesbach, ohne Stellung und willens, sich durch Unterricht die Einnahmen zu verschaffen, deren er bedurfte. Während eines längeren Aufenthaltes in Italien hatte er in Padua Fechten und Voltigieren gelernt und es mit seinem geschmeidigen Körper darin zu großer Fertigkeit gebracht. Als er eines Tages mit Hoelzel an einem Platze vorbeikam, der zur Kurzweil für die anwesenden ritterlichen Gäste bestimmt war, lockte es ihn, sich ein wenig zu tummeln, und belustigte sich in allerlei Spielen und Künsten mit Hoelzel zusammen, der, plumper gebaut und weniger gewandt, Johann Valentins Vorzüge in desto besserem Licht erscheinen ließ. Am nächsten Tage erzählte Hoelzel, es hätten ihn mehrere vornehme junge Leute aufgesucht und ihn nach dem jungen Manne ausgefragt, der sich mit einem so vortrefflichen und ungewöhnlichen Voltigieren habe sehen lassen; er, Hoelzel, habe darauf Andreaes Talente und Fertigkeiten gerühmt, und sie seien begierig, seine Bekanntschaft zu machen. Er solle sich bereit halten, vielleicht blühe ihm hier das Glück. In kurzer Zeit hatte er wirklich mehrere junge Edelleute zu Schülern im Fechten und Voltigieren, die übrigens gute Gesellschafter waren. War er mit Hoelzel und Besold allein, so diente es ihnen zu großer Belustigung, dass Andreae nun endlich das Gebiet gefunden habe, auf welchem er Ehre und Vorteil erringen könne; kärglich sei es ihm ergangen, solange er sich der Weltweisheit, Kunst und Gottesgelehrtheit befleißigt habe, als Fechtmeister werde er zu Ruhm und Ansehen kommen. Übrigens beschloss er sogleich, unvermerkt auf das Innere der jungen Männer zu wirken, die ihn mit der Ausbildung ihres Körpers betraut hatten, und als ein anderer Merkur ihre Seelen zu Gott zu führen. Bei dem häufigen Zusammensein fand er Gelegenheit, seine Kenntnisse in der Mathematik zu zeigen und sie so für diese Wissenschaft zu interessieren, dass sie sich alle etwas davon anzueignen wünschten und ihn um Unterweisung baten. Kamen sie dann auf theologische Fragen, so lobte Besold wohl die Schriften des Mystikers Valentin Weigel, während ihn weder Luthers noch Kalvins Lehre ganz befriedige. Sie wären, sagte er, offenbar von den Menschen aufsteigend zu Gott gekommen, während man doch, um zu Gott zu kommen, sich so weit wie möglich von den Menschen entfernen müsse. Die Anschauung unseres Lebens müsse man verlassen, wenn man Gott finden wolle; denn Gott wisse nichts von uns, Gott wisse nur von sich, darum müsse, wer zu ihm wolle, die feste Erde von sich stoßend einen Sturz in den bodenlosen Abgrund wagen, der für unsere irdischen Sinne die Nacht und das Nichts sei.
Diese Auffassung bekämpfte Andreae als schwärmerisch und gefährlich. Gott, dessen Wesen Licht sei, sei nur durch das Licht zu erreichen. Es sei viel Wahrheit in dem, was Besold sage, aber das Ganze sei unwahr. Man dürfe nicht vergessen, dass die Welt, welchen Anteil auch das Böse an ihr habe, doch von Gott erschaffen, von seinem Samen und Blut sei. Es komme nicht so sehr darauf an, dass der einzelne im Glauben Befriedigung finde und Gott näherkomme, wie dass die Gesellschaft, die kleinste wie die umfassendste, eine harmonische Ordnung darstelle. Luther sei kein Gott, also nicht unfehlbar, wenn auch göttlichen Geistes voll gewesen; aber welcher andere Mensch sei das? Wohin würde man geraten, wenn ein jeder die Macht haben sollte, den eigenen Träumen über die höchsten Dinge nachzugehen, sich eigene Wege zur Seligkeit zu graben? Sie wüssten wohl alle, dass das Wort Religion von Binden komme, und sie solle in der Tat ein heiliges Band um alle Menschen, ja um alle Welt schlingen. Das möchte ihnen katholisch klingen; aber Luther habe ja auch die katholische Kirche nicht abschaffen, nur reinigen wollen. Einst werde gewiss die Kuppel der allesumfassenden Kirche mit dem Gewölbe des Kosmos sich decken und ein Gotteshaus für alle sein. Das Grübeln, Schwärmen und Disputieren müsse einmal aufhören, jeder solle sich auf dem festen Boden gemeinsamen Glaubens einem tätigen tugendhaften Leben widmen. Was für eine wundervolle Harmonie habe er in den Städten Basel, Zürich und Genf gesehen! Die glichen lichtbringenden Sternen, die sich streng, voll Ruhe und fast gleichgültig auf regelmäßiger Bahn bewegten.
Er erzählte mit Vorliebe von dem Leben in den eidgenössischen Städten, von der Tüchtigkeit und Vernünftigkeit ihrer Bewohner, wie sie ihrer Arbeit fleißig nachgingen, ein jeder tue, was ihm obliege, die Vornehmen stolz auf ihre Pflichten, auch die Geringeren auf die ihrem Stande eigentümliche Würde. Fehle es auch nicht ganz an Flecken und Abweichungen, so würden sie doch ausgeglichen durch die Regelmäßigkeit der Bewegung und die Fülle des Lichtes im Ganzen. Freilich wären die Theologen dort auch anders geartet als die im Reich und leider nicht zum wenigsten in Schwaben; sie lehrten, predigten, walteten in der Gemeinde, täten ihr Tagewerk, anstatt alberne Spitzfindigkeiten auszubohren und sich hernach darüber zu zanken und zu verfluchen.
Damals waren die lutherischen Theologen über zwei Streitfragen gespalten, deren eine die Allenthalbenheit oder Ubiquität Christi genannt wurde. Einige sagten, dass, da Christi Leib beim Abendmahl