Название | Der Dreißigjährige Krieg |
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Автор произведения | Ricarda Huch |
Жанр | Документальная литература |
Серия | Sachbücher bei Null Papier |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783962818555 |
Als Wallenstein am nächsten Tag um die Mittagszeit sich bei Argoli einfand, zierte die Mitte der Tafel ein ausgestopfter Adler, in dessen offenem Schnabel eine Zitrone befestigt war. Es hätte, sagte Argoli, mit listigem Blick lächelnd, eine Orange sein sollen, doch sei ja, wie Wallenstein wohl wisse, diese Frucht eben nicht zeitig; so habe er denn die längliche Zitrone als ungenügendes Symbol des Erdballs benützen müssen. »Das soll nicht bedeuten«, fuhr er fort, »dass ich Euch als Cäsar grüße; denn des Wortes ›Kaiser‹ will ich mich nicht bedienen, um selbst zwischen uns beiden nichts auszusprechen, was wie ein Angriff auf die heilige Majestät klänge.« Aber wenn auch nicht Kaiser, werde er doch dem Kaiser gleich sein. Triumph blitzte aus Wallensteins dunklem Gesicht, und er wurde immer aufgeräumter, je mitteilsamer Argoli unter dem Essen sich zeigte. Vom Osten komme ihm Ruhm und Ehre, sagte Argoli unter anderm, dort werde der Schauplatz seiner Siege sein. Er werde den Thron des Sultans umstürzen und das alte Reich von Byzanz erneuern. Ob er nicht bemerkt habe, wie der dünne Halbmond gestern Nacht beim Aufstieg des Jupiters am östlichen Himmel wie ein fadenscheiniger Leinenfetzen verschwunden sei? Mars sei ihm günstig, nur zuletzt werde etwas kommen, das mächtiger als der Gott der Schlachten sei. Diese Gefahr drohe vom Norden, und vor dem Norden solle er auf der Hut sein; von dorther komme sein Überwinder. Aber das schlummere in ferner Zukunft; noch sei der Kelch seines Glückes nicht erblüht und werde blühend noch lange prangen.
Tags darauf überbrachten reichgekleidete Diener Wallensteins dem Professor Geschenke ihres Herrn: einen silbernen Globus, auf welchem in blauem Schmelz der Sternenhimmel abgebildet war; eine Uhr, welche die in Erz getriebene Gestalt des Riesen Atlas auf der Schulter trug, und eine silberne, mit Halbedelsteinen reich besetzte, kunstreich und geheimnisvoll verschließbare Kassette, in der hundert Golddukaten waren.
Auf der Rückfahrt durch die blaugrüne Luft, die fiebernd über den friaulischen Sümpfen zitterte, saß Wallenstein in seinen Wagen zurückgelehnt und ließ sich, die müden Augen halb schließend, vom mystischen Flimmern der Zukunft umweben. Er atmete das unendliche Schweigen der unbewohnten Ebene wie Weihrauch der Erde ein, die sich unter ihm bückte; jenseit des Umkreises, den die Ehrfurcht seiner Größe einräumte, mochten die zurückgewichenen Völker knien und scheu das sengende Gestirn vorüberrollen sehen.
1 kleines Kind <<<
21.
Moritz von Hessen hatte Ursache, stolz auf seine Kinder zu sein; namentlich war er es auf die anmutige und kluge Elisabeth, die so bescheiden zuzuhören wusste, wenn ihr Vater sich mit gelehrten Männern unterhielt, und so überraschend gedankenvoll mitzusprechen, wenn sie dazu aufgefordert wurde. Schöner waren die Söhne, denen die frühverstorbene Mutter ihren vielbewunderten Reiz zum Gedächtnis eingeprägt zu haben schien: Otto, der älteste, mit dem vollen griechischen Munde und dem runden Kinn, und Moritz mit den goldstrahlenden Augen, dem braunen Gelock und der mädchenhaft leicht errötenden zarten Haut. Die junge Stiefmutter sah die wundervolle Blüte der bevorzugten Nachkommen ihres Mannes nicht ohne Eifersucht, doch war sie zu einsichtig, um es merken zu lassen, und das Ansehen des Landgrafen in der Familie zu groß, als dass Streit und Misshelligkeit sich laut hervorgewagt hätten.
Es war ein Augenblick schöner Genugtuung für Moritz, als sein Erstgeborener im Jahre 1612 den neugewählten Kaiser Matthias in Frankfurt in einer zierlichen lateinischen Ansprache begrüßte und die Augen der Fürsten neidisch oder wohlwollend auf dem Achtzehnjährigen ruhten, nicht wenige von dem Gedanken erfüllt, wie lieblich der Satan seine gefährlichen Werkzeuge auszuzieren wisse.
Bald darauf traf den glücklichen Vater ein jäher Schlag, indem der zwölfjährige Moritz erkrankte und schon nach zwei Tagen, bevor noch jemand die Gefahr des Zustandes erkannt hatte, starb. Da man nichts anderes annahm, als dass es sich um ein leichtes Fieber handle, stellte Moritz, am Bette des Knaben sitzend, ihm allerlei Aufgaben als Unterhaltung und Prüfung. Er disputierte mit ihm über das Abendmahl, in der Weise, dass er abwechselnd die Rolle eines Lutheraners und eines Papisten spielte und der Kleine die Auffassung der Reformierten beiden gegenüber verteidigen und sie mit Bibelstellen erhärten musste. Dann ließ er ihn Sätze aus dem Deutschen ins Lateinische und Französische übertragen, was alles Moritz zufriedenstellend ausführte, die brennenden Augen eifrig und ein wenig angstvoll auf den Vater gerichtet, dessen Ungeduld beim Unterricht ihm bekannt war. In der Mathematik jedoch, die des Landgrafen Lieblingsfach war, wurden die Antworten des kranken Kindes unsicher und blieben einige Male ganz aus, sodass der Vater es scharf zur Aufmerksamkeit anhielt. »Ich werde es gleich wissen, lieber Vater«, sagte das Kind, erschrocken die Hände faltend, und ließ den Kopf in das Kissen zurückfallen, indem es stammelnd um Wasser bat. Wie der Landgraf das Gesicht seines Sohnes sich verfärben sah, sprang er auf, läutete, rief nach Dienern und Ärzten; eben hatte er noch Zeit, den laut Atmenden in seine Arme zu nehmen und ihm zuzurufen: »Mein Sohn, mein Sohn, denke an Jesus Christus, der von den Toten auferstanden ist!«, als die Augen, die ihn flehend ansahen, brachen, und das geliebte Kindeshaupt leblos auf seine Schulter fiel.
Der Landgraf blieb lange mit dem Leichnam seines Knaben allein und ließ sich während mehrerer Tage nur wenig vor anderen sehen; erschien er aber, so war sein Benehmen