Escape oder schreib um dein Leben. Maria Hademer

Читать онлайн.
Название Escape oder schreib um dein Leben
Автор произведения Maria Hademer
Жанр Учебная литература
Серия
Издательство Учебная литература
Год выпуска 0
isbn 9783898018272



Скачать книгу

war, ihren Vorschlägen, was Farbe, Stoff und Schnitt anging, zu folgen.

      »Hm. So sehr ich Oma Schwiegermama schätze, dieser Pullover ist ein – Unikum.«

      Sophia hatte die Reaktion ihrer Mutter vorausgesehen und spielte die Empörte. »Aber Mama!«

      »Wenn Mimi in La Bohème einen solchen Pullover besessen hätte, wäre sie vermutlich nicht elend an Lungenentzündung gestorben und eine der schönsten Opern wäre nie geschrieben worden«, schloss Karen Rosenhaag ihr Urteil ab. In Sophias Augen ein zu verschmerzender Verlust. Sie teilte die Leidenschaft ihrer Mutter für diese Art Musik nicht.

      »Übrigens, Timo hat dein Saxofon vorbeigebracht.«

      »Ah ja, nett von ihm«, reagierte nun auch Sophia ohne große Begeisterung.

      »Ich finde, er ist wirklich ein netter Kerl. Aber bis jetzt fällt ja wohl jeder Junge erbarmungslos durch dein Kriterienraster.«

      Sophia rollte mit den Augen und wollte dieses Thema beenden. »Wenn sich Mimi in La Bohème einen ›netten Kerl‹ gesucht hätte anstatt diesen Möchtegernkünstler, wäre sie wahrscheinlich nicht krank geworden und eine der schönsten Opern wäre nie geschrieben worden«, konterte sie trocken.

      Mama gab sich geschlagen. Sieg nach Punkten!

      Donnerstag, 20. April, etwas später

      Gut gelaunt ging Sophia in ihr Zimmer und stellte erfreut fest, dass ihr Laptop noch eingeschaltet war. Sie wollte dringend die neuen Informationen für ihr Projekt zum Impressionismus aufschreiben, sonst würden die Eindrücke, die sie bei Oma gewonnen hatte, schnell verblassen.

      Als sie das Gerät aus dem Stand-by-Modus erlöste, öffnete sich sofort die letzte Browsersitzung.

      @ Wie soll es weitergehen?

      Die grünen Buchstaben wirkten verheißungsvoll. Bis jetzt hätte es kaum besser weitergehen können, stellte sie für sich selbst fest: ihre Oma, die immer für alles eine Lösung wusste; Timo, der ihr, abgesehen davon, dass er nervte, Instrument, Noten und Jacke vorbeigebracht hatte; und nicht zuletzt Johnny, der sich zu einem gewissen Grad für sie zu interessieren schien. Wenn da bloß nicht Linda wäre.

      Linda … die störte ganz einfach.

      Na, das war doch einen Versuch wert. Sophia begann zu schreiben.

      @ Am nächsten Tag kam Linda zu Johnny in die Wohnung. Sie sah nicht sehr erfreut aus, als sie die Gitarrenklänge aus seinem Zimmer hörte.

      Sophia biss sich auf die Lippe. Sie wollte nicht fies sein, doch jeder wusste, dass Linda sich kein Stück für Musik interessierte. Daher hatte Sophia nie verstanden, wie Johnny und sie miteinander klarkamen. Für Sophia dagegen war Johnnys Gitarrenspiel reine Inspiration.

      @Linda stieß die Zimmertür auf. Johnny saß halb von ihr abgewandt. Die schwarzen Haare fielen ihm ins Gesicht. Er war vollkommen auf sein Spiel konzentriert, über seine Gibson Les Paul gebeugt, die sein Vater in Amerika gekauft hatte.

       »Johnny? Johnny?! Johannes! ...« Linda versuchte vergebens sich Gehör zu verschaffen. Das einzige, was sie noch mehr hasste als zu warten, war übersehen zu werden. Entschlossen zog sie den Stecker aus dem Verstärker.

       Johnny blickte erschrocken auf. »Sag mal, spinnst du?«, fuhr er sie an. »Weißt du, was der Verstärker gekostet hat?«

       Linda blieb unbeeindruckt. Sie hatte das Ding doch bloß ausgesteckt, nicht gegen die Wand geworfen! »Ich schätze mal, du erinnerst dich nicht, dass wir vor einer halben Stunde verabredet waren?«

       Johnny stöhnte auf. »Nein, das habe ich total vergessen. Sorry, aber ich kann hier gerade nicht weg. Die Band hat einen Gig am Freitag und ich muss den Akkordübergang hier noch richtig hinbekommen …«

       Langsam wurde Linda wütend. »Weißt du was?«, sagte sie, »manchmal glaube ich wirklich, deine dämliche Gitarre ist dir wichtiger als ich.«

       Wenigstens hält sie die Klappe, wenn ich Ruhe haben will, dachte Johnny, doch als er das Gesicht seiner Freundin sah, erwiderte er hastig: »Ach Quatsch. Aber es geht jetzt wirklich nicht. Hol dir doch was zu trinken aus dem Kühlschrank und hör’ ein bisschen zu, damit ich weiß, was ich noch verbessern kann.«

       Es war als Friedensangebot gemeint, doch Linda fühlte sich auf den zweiten Platz verdrängt. Sie war ihr Leben lang immer die erste Wahl gewesen, hatte von ihren Eltern alles bekommen, was sie wollte. Und in ihren Augen hatte kein Junge der Welt das Recht, sie, das bestaussehende Mädchen des Dorfes, auch nur fünf Minuten warten zu lassen. Wortlos drehte sie sich mit wehendem Haar um und stöckelte zur Tür.

      Sophia las sich den Text noch einmal durch. Sie musste schmunzeln, als sie sich vorstellte, wie Linda aus der Wohnung lief, vor Zorn ganz pink im Gesicht. Es machte Spaß, die Konkurrenz so aus dem Rennen zu schreiben. Eigentlich hätte sie große Lust gehabt, noch eine Weile weiterzuschreiben, doch da warteten noch Chemie-Formeln und Vokabeln auf sie. Morgen würde sie auch keine Zeit dafür haben, denn freitags unterrichtete sie mit Timo zusammen die neuen Messdiener.

      Was ihre Mutter bloß an Timo fand? Sicher war er auf den ersten Blick ganz nett. Aber sie kannte eben seine Pingeligkeit nicht! Sophia wandte sich wieder ihrem Laptop zu.

      @ Timo hatte, pflichtbewusst wie immer, seinen Nachmittag mit Hausaufgaben und Üben verbracht. Dabei merkte er nicht, wie die Zeit verging. Als er das nächste Mal auf die Uhr schaute, war es schon vier Uhr. Nun würde er zu spät zur Kirche kommen!

      Gerne hätte Sophia noch ein paar Missgeschicke herbeifantasiert, die auch mal Timo und nicht immer ihr passieren sollten, doch als sie auf ihren Wecker schaute, gab sie dieses Vorhaben zunächst auf.

      »Verdammt, dieses Referat wird niemals fertig!«, murrte sie.

      Freitag, 21. April

      Am Freitag nach der Schule checkte Sophia ihre Aussichten auf das Wochenende. Es sah trübe aus. Julie hatte sich für den Städte-Kurz-Trip verabschiedet.

      Paris! Schön für sie!

      Der Wetterbericht war wenig vielversprechend, sodass Sophia ein reines Arbeitswochenende vor sich sah. Und das Referat musste nun wirklich langsam Gestalt annehmen.

      Sie hockte sich an ihren Laptop und hämmerte die Überschrift in die Tasten. Dabei erwischte sie gleich zwei falsche Buchstaben und merkte nicht, dass Groß- und Kleinschreibung munter durcheinander gerüttelt waren. Ihr Kopf weigerte sich träge, den berühmten ersten Satz auszuspucken. Minutenlang fixierte Sophia die wenigen Buchstaben, begann mit einer historischen Einführung – und löschte sie gleich wieder. Gähn! Viel zu langweilig. Diese Art Referat ödete doch alle an, am meisten sie selbst. Dabei hatte bei Oma alles so frisch und interessant geklungen.

      In einer halben Stunde würde Timo klingeln, um sie zur Gruppenstunde abzuholen. Hätte sie sich doch bloß nicht darauf eingelassen!

      Ihr Blick fiel auf den Saxofonkoffer. Da ihr Kopf nicht arbeiten wollte, konnte sie sich ja noch die Medley-Stelle aus Sir Duke ansehen.

      Okay, ans Gerät!

      Der Kofferdeckel sprang federnd auf und das goldglänzende Instrument lag in blauem Plüschsamt vor ihr. Ihr Launebarometer stieg. Oben auf den ordentlich eingehefteten Noten – Timo! – lag ein Zettel:

      @ Hallo Phia, wenn du Lust hast, können wir ja am Wochenende zusammen üben. Gruß T.

      Sophia schnappte nach Luft. Was erlaubte sich Timo eigentlich, sie Phia zu nennen?! Das war nur