Operation Werwolf - Ehrensold. Uwe Klausner

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Название Operation Werwolf - Ehrensold
Автор произведения Uwe Klausner
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783839267769



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amüsiert. »Schön wär’s. Um ganz ehrlich zu sein, wir haben nicht mal eine heiße Spur.«

      »Und wer tut so was?«

      »Ich wäre froh, wenn ich es wüsste, Herr Doktor Wilmers.«

      »Jetzt machen Sie aber mal einen Punkt, Herr Kommissar«, hielt der Chirurg in einem Anflug von Unverständnis dagegen, die Brille zwischen Daumen und Zeigefinger, an der er mit geistesabwesendem Blick herumhantierte. »Sie wissen doch genau, wer als Mörder infrage käme, oder sehe ich das falsch?«

      »Glauben heißt nicht wissen, Herr Doktor Wilmers«, machte Sydow dem Rätselraten ein Ende, deutete auf die Patientin und sagte: »Sie sagen also, er hat versucht, das Mädchen zu missbrauchen?«

      »Missbrauch ist gut!«, stieß der Stationsleiter erbittert hervor, sichtlich mitgenommen, wie das Zittern der wohltönenden Tenorstimme bewies. »Sagen wir mal so, ich muss lange zurückdenken, um mich an einen ähnlich schwerwiegenden Vorfall zu erinnern.«

      »Sie werden es nicht glauben, ich auch.«

      »Falls es Sie tröstet, Herr Kommissar, ich möchte nicht in Ihrer Haut stecken.« Die Stirn in einem Meer von Falten, die wie Risse in einer antiquierten Stuckdecke anmuteten, setzte Wilmers die Brille wieder auf, kratzte sich nachdenklich an der grau melierten Schläfe und ließ den Blick auf der 17-jährigen Patientin ruhen. »Wundmale an der Vagina, Kratzspuren am Oberschenkel, dazu Blutspuren im Schlüpfer. Ich kann mir nicht helfen, Herr von Sydow, aber wenn ich mir vorstelle, was noch alles hätte passieren können, dann bekomme ich das kalte Grausen.«

      »Auch da kann ich Ihnen nur zustimmen, Herr Chefarzt. Apropos: Das ›Von‹ können Sie sich sparen, mit der Etikette habe ich es nicht so.«

      »Und Sie sich die umständliche Anrede, mein Nachname tut es voll und ganz.«

      »Na, dann wären wir uns ja einig«, erwiderte Sydow und rang sich zu einem schwachen Lächeln durch. »Jedenfalls beinahe, wenn ich das mal so sagen darf.«

      »Wie darf ich das verstehen?«

      »Sehen Sie mal: Ich – beziehungsweise wir alle – wir alle sitzen doch im gleichen Boot.«

      »Inwiefern?«

      Die Hände auf dem Sims, ließ Sydow den Kopf auf die Brust sacken. Die Anspannung forderte ihren Tribut, und es fiel ihm immer schwerer, den Faden nicht zu verlieren. »Sie gestatten, dass ich Ihnen eine Frage stelle?«

      Bodo Wilmers deutete ein Nicken an.

      »Haben Sie Kinder?«

      Der Stationsleiter pflichtete nickend bei. »Zwei, falls Sie es genau wissen wollen – einen Sohn und eine 15-jährige Tochter, wieso …?«

      Im Begriff zu antworten, brach Wilmers unvermittelt ab. »Hartnäckig sind Sie ja, das muss Ihnen der Neid lassen.«

      »Ach, wissen Sie, das bringt mein Beruf so mit sich«, schmunzelte Sydow und ließ es sich nicht nehmen, Kalinke einen vielsagenden Blick zuzuwerfen. »Mein Kollege und ich sind da einiges gewohnt. Was unsere Stammkunden betrifft, gibt es nichts, was uns beide aus der Bahn werfen kann. Und wenn wir gerade von Hartnäckigkeit reden, die gehört nun mal zum Geschäft.«

      »Und was ist mit Ihnen?«

      Sydow stutzte. »Bedaure, wenn ich Ihnen gerade nicht folgen kann, aber was soll denn mit mir …?«

      Der Chirurg setzte ein tiefgründiges Lächeln auf. »Ob Sie Kinder haben, wollte ich wissen – oder möchten Sie nicht darüber reden?«

      »Doch. Schon.«

      »Und?«

      »Kinder? Verschonen Sie sich mich bloß damit!«, rief Sydow aus, verzweifelt bemüht, das Gespräch zum eigentlichen Thema zurückzuführen. »Kommen wir lieber zum Geschäft, ich möchte Sie nicht unnötig von der Arbeit abhalten.«

      »Wissen Sie, Herr Doktor: Mein einfühlsamer Kollege ist selbst noch ein Kind, und die Frau möchte ich sehen, die es länger als eine Woche mit ihm aushält.« Wie immer, wenn es darum ging, ihm ein Bein zu stellen, war auf Kalinke absolut Verlass. »Stimmt’s oder hab ich Recht, Herr Kommissar?«

      »Du und deine Kommentare, das hat mir gerade noch gefehlt«, blaffte Sydow zurück, warf Kalinke einen wütenden Blick zu und sah die Anwesenden in der Manier eines Stabsfeldwebels an. »Also was ist, könnten wir jetzt vielleicht zum Thema kommen? Oder ist es den Herrschaften lieber, wenn wir morgen früh noch rumpalavern?«

      »Können wir, Herr Kommissar«, stimmte Wilmers lächelnd zu, wechselte ein paar Worte mit der Oberschwester und verkündete in unmissverständlichem Ton: »Fünf Minuten, aber keine Sekunde mehr. Und nur, weil Sie es sind!«

      Dann entschwand er Sydows Blicken.

      »Verbindlichen Dank!«, rief Sydow dem Alter Ego seines Vaters hinterher, einen Seufzer der Erleichterung auf den Lippen, den er sich aus naheliegenden Gründen verkniff. Dann wandte er sich an den Leiter des 256. Reviers in Karlshorst, dessen Namen er in der Hektik vergessen hatte. »Um Zeit zu sparen – was wissen wir über die junge Dame?«

      Der schweißüberströmte Revierleiter, der Kalinke in puncto Gewicht noch übertraf, knetete die platte Nase und begnügte sich damit, die denkbar knappste Antwort zu geben. »Nicht viel.«

      »Dann schießen Sie mal los, Herr … Wie war doch gleich der werte Name?«

      »Olbricht«, gab das wandelnde Phlegma bekannt, bei dem der Rumpf fast nahtlos in den Kopf zu münden schien. Dann verdrehte er die dunklen Knopfaugen, räusperte sich und leierte: »Polizeiobermeister Hans Olbricht vom 256. Revier in Karlshorst, wenn’s gefällig ist.«

      »Ist es, heutzutage freut man sich schließlich über alles«, gab Sydow in launigem Tonfall zurück, bemüht, sein aufbrausendes Naturell zu zügeln. »Dann schießen Sie mal los, Herr Kollege – was gibt es über das Mädchen zu sagen?«

      »Wie gesagt, viel war aus ihr nicht herauszu…«

      »Name, Alter, Elternhaus, Adresse – das kann doch nicht so schwer sein, oder?«

      Olbricht fuhr erschrocken zusammen, kramte sein Notizbuch hervor und schnarrte: »Laut meinen Informationen ist das Mädchen 17 Jahre alt, stammt aus Köpenick und geht aufs Gymnasium, das heißt in die dortige Eichendorff-Schule.«

      »Und heißt?«

      »Bruckmann – Elsa Bruckmann.«

      »Vater?«

      »Stadtkämmerer und Ortsgruppenleiter der Partei, einer von den Hundertprozentigen, wenn die Bemerkung gestattet ist.«

      »Ist sie, wir sind ja schließlich unter uns. Und weiter?«

      »Was soll ich sagen«, ließ Olbricht achselzuckend verlauten, einen verdatterten Blick im feisten Gesicht. »Bis jetzt … äh … Bitte um Entschuldigung, aber wie ich zu meiner Schande gestehen muss, gäbe es da noch ein kleines …«

      »Problem?«

      Der Revierleiter nickte wie ein Wackelhund. »Die Sache ist nämlich die: Bis jetzt ist es uns noch nicht gelungen, die Eltern des Mädchens zu erreichen.«

      »Einen kleinen Moment, Herr Kollege, bevor ich es vergesse. Wann genau hat Sie die Nachricht über die Gewaltattacke erreicht?«

      Olbricht blätterte kurz in seinen Unterlagen, hob den Blick und sagte: »Um zwanzig nach sieben, Herr Kommissar.«

      Sydow glaubte, er habe sich verhört. »Wollen Sie damit sagen, Sie und Ihre Chaoten-Combo haben über eineinhalb Stunden gebraucht, um uns zu verständigen? Sagen Sie mal, haben Sie eigentlich noch alle Tassen im Schrank? Was ist das denn für ein lahmarschiger Verein, das haut ja den stärksten Zuhälter um! Wir beide reißen uns den Hintern auf, um diesen Werwolf beim Kanthaken zu kriegen, und die Kollegen in Karlshorst machen Dienst nach Vorschrift. Ich will Ihnen mal was sagen, Sie Trantüte: Jede Minute, die nutzlos verstreicht, kann eine weitere Frau das Leben kosten, geht das in Ihren Charakterkopf hinein? Jede Minute, die wir mit sinnlosem Gequatsche