Название | Der Mensch und seine Grammatik |
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Автор произведения | Simon Kasper |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783823300441 |
Tabelle 1 gibt einen Überblick über die BibelübersetzungenÜbersetzung, die ich untersuchen werde. Ich möchte sie nun kurz charakterisieren und einige Aspekte diskutieren, die für die Untersuchung von Relevanz sind.
Kurztitel | Sprach(stuf)e Sprach(stuf)e / Dialekt | Entstehungszeit | Übersetzer | Edition |
(Ahd.) TatianTatianalthochdeutscher | AlthochdeutschAlthochdeutsch (Ostfränkisch) | 2. Viertel 9. Jhdt. | Team Fulda | Masser |
EvangelienbuchEvangelienbuch des Matthias von Beheim | MittelhochdeutschMittelhochdeutsch (Mitteldeutsch) | 1343 | unbekannt | Bechstein |
BibliaBiblia (1545) | FrühneuhochdeutschFrühneuhochdeutsch (Ostmitteldeutsch) | 1545 | Luther | |
BibelBibel (1984) | Neuhochdeutsch | 1984 | Luther und EKD1 | |
S Nöi TeschtamäntS Nöi Teschtamänt | NeuhochalemannischHochalemannisch (Zürichdeutsch) | 1997 | Emil Weber | |
Dat Nie TestamentDat Nie Testament | NeunordniederdeutschNordniederdeutsch | 1933 | Johannes Jessen | |
Wessex GospelsWessex Gospels | AltenglischAltenglisch (Westsächsisch) | ~ 1000 | unbekannter Ælfric | Liuzza |
Wycliffe- BibelWycliffe-Bibel | MittelenglischMittelenglisch ([?Central] Midland) | zw. 1395 u. 1420 | Wycliffe, Purvey und Team | Forshall & Madden |
Tab. 1:
Die untersuchten Bibelübersetzungen
Methodische Fragen, etwa inwiefern diese Texte überhaupt für die Untersuchung geeignet sind, werde ich erst an späterer Stelle (Abschnitt 2.5) reflektieren, nachdem ich die grammatischen Mittel diskutiert habe, die von Interpretinnen herangezogen werden können, um zu bestimmen, was in sprachlichen Äußerungen womit in welcher Beziehung steht. Dadurch, dass die Einführung des Buchdrucks in die Mitte des 15. Jahrhunderts fiel, sind die davor entstandenen Bibelübersetzungen – der althochdeutsche „Tatian“, das mittelhochdeutsche „Evangelienbuch“, die altenglischen „Wessex Gospels“ und die mittelenglische Bibel aus dem Umfeld John Wycliffes, im Folgenden „Wycliffe-Bibel“ – handschriftlich überliefert. Für ihre Analyse bin ich daher auf den gedruckten Text angewiesen, den mir die jeweilige moderne Edition präsentiert, und dadurch mache ich mich auch von den jeweiligen editorischen Prinzipien abhängig.2 Je nachdem, welchen Prinzipien die Herausgeber dabei folgten, entfernt dies die edierten Texte, die ich analysieren werde, mehr oder weniger weit von den Handschriften, die ihnen zugrundeliegen. Das wird mich zwar nicht davon abhalten, die Texte dennoch hinsichtlich grammatischer Mehrdeutigkeit zu analysieren, aber in meinen Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen werde ich diesen Faktor berücksichtigen müssen.
Massers Textedition des althochdeutschen „TatianTatianalthochdeutscher“ basiert auf einer einzigen Handschrift mit der Signatur Cod. 56. Sie wird in St. Gallen aufbewahrt und ist wohl im zweiten Viertel des 9. Jahrhunderts im Skriptorium des Klosters Fulda entstanden. Sprachlich, und das heißt primär hinsichtlich des Lautstands, der über die Schrift erschlossen wurde, trägt dieses AlthochdeutschAlthochdeutsch das Gepräge des damaligen Kulturzentrums Fulda, dessen schriftliche Erzeugnisse konstitutiv für den ostfränkischen Dialektverband waren. Der althochdeutsche „Tatian“ unterscheidet sich in drei wesentlichen Punkten von den anderen Bibelübersetzungen, die ich verwenden werde. Zum einen enthält er zwar den kanonischen Text der Evangelien, aber in Form einer EvangelienharmonieEvangelienharmonie, bei der ein fortlaufender Text über das Leben Jesu aus Textinhalten aller vier Evangelien „harmonisch“ kompiliert wurde. Zum anderen hat er, da es sich trotzdem noch um eine Übersetzung handelt, auch keine Vorlage, in der die vier Evangelien gesondert vorkommen, sondern die Vorlage ist selbst schon eine Evangelienharmonie. Diese lateinische Evangelienharmonie war wohl wiederum eine von Victor von Capua im 6. Jahrhundert vorgenommene Bearbeitung des sogenannten „DiatessaronsTatianDiatessaron“, das dem Assyrer Tatian aus dem 2. Jahrhundert zugeschrieben wird. Victors Bearbeitung lag (und liegt) in Fulda vor. Drittens handelt es sich bei dem althochdeutschen „Tatian“ um eine Bilingue. Jede Seite der Handschrift besteht aus zwei Spalten, wobei die linke den lateinischen Text aus Victors von Capua Bearbeitung und die entsprechende Zeile in der rechten Spalte die diesem Text zeilengenau entsprechende althochdeutsche Übersetzung enthält.3 Dies setzt der Freiheit der Übersetzung schon enge konzeptionelle Grenzen: Vorgesehen war, dass ein Element in der lateinischen Zeile in der linken Spalte genau in der gleichen Zeile gegenüber in der rechten Spalte übersetzt steht und nicht schon in der vorangehenden oder erst in der folgenden Zeile, wie es ein Übersetzer vielleicht getan hätte, der keine Rücksicht auf den Zeilenumbruch hätte nehmen müssen. Ein lateinischer Ablativus absolutus, der oft nur aus zwei Wörtern besteht, ist dann kaum noch in genuines Althochdeutsch auflösbar, denn dafür wird meist ein ganzer Nebensatz gebraucht. Schon am Aufwand, der der äußeren Gestaltung der lateinischen und althochdeutschen Spalten zuteilwurde, lässt sich ersehen, dass dem lateinischen Text ein Vorrang an Wertschätzung zukam und dass der althochdeutsche Text ihm gegenüber eine bloß dienende Funktion besaß und das Verständnis des lateinischen Textes befördern konnte. Dagegen nimmt man an, dass eine unabhängige Rezeption des althochdeutschen Textes nicht vorgesehen war. Am Schriftstil lässt sich erkennen, dass mehrere Schreiber bei der Anfertigung der Bilingue beteiligt waren, aber daraus lässt sich nicht schließen, dass diese Schreiber die Passagen, die sie schrieben, auch übersetzten. Dies könnte auf Konzeptvorlagen auch durch andere Personen geschehen sein. Ob die Schreiber Übersetzern entsprechen, harrt noch der Klärung. In der Analyse wird dieser Faktor unberücksichtigt bleiben, zumal angenommen wird, dass die Übersetzer weitgehend mit der gleichen Strategie übersetzten.4 Masser hat die Spaltenorganisation mit der peniblen Konkordanz der lateinischen und althochdeutschen Spalten getreu in die Edition umgesetzt. Da durch die Abhängigkeit der althochdeutschen von der lateinischen Zeile dieser eine Bedeutung zukommt, werde ich Sprachbeispiele aus dem „Tatian“ so notieren, dass zwei Virgeln (//) Zeilenumbruch bedeuten, und ich werde grundsätzlich den lateinischen Text mit aufführen. Auch ansonsten ist die Edition Massers der Handschrift relativ treu. Die Interpunktion wurde nicht verändert, die Orthographie wurde nicht normalisiert. Die meisten Abkürzungen wurden allerdings aufgelöst. Im Bereich der Zusammen- und Getrenntschreibung wurden Derivations- und Kompositionsglieder gegen die Handschrift oft mit ihren Bezugselementen zusammengedruckt. Dagegen wurden manche Zusammenschreibungen, die auf Sprecheinheiten hinweisen, getrennt. Wie bei allen Handschriften, die ich analysieren werde, sind auch verschieden breite Leerräume zwischen graphischen Wörtern im Druck neutralisiert, obwohl ihnen möglicherweise gliedernde Funktion beim lauten Lesen zukam.5 Ich werde für die Textstellen Blatt und Zeile aus Massers Edition angeben, die Zählung der Sievers’schen Edition aber stets mit aufführen.
Auch „des Matthias von Beheim EvangelienbuchEvangelienbuch des Matthias