Kurze Formen in der Sprache / Formes brèves de la langue. Anne-Laure Daux-Combaudon

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Название Kurze Formen in der Sprache / Formes brèves de la langue
Автор произведения Anne-Laure Daux-Combaudon
Жанр Документальная литература
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Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783823302469



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      Humans however, have to shape their world to quite a considerable degree by themselves [in contrast to animals]. They do it by constructing objectivity via foreign consciousness alignment. To achieve this, truth-values have to be assigned. We must be aware of the fact that the assignment of truth-values depends on a specific format, which is the proposition. This format is a linguistic format […]. What we gain, when we communicate, is the construction of new common ground, the deconstruction of old common ground not being excluded. (Leiss 2012: 42)

      Da es, wie weiter oben gezeigt, ein dominant semantisches Unterfangen ist, Phänomene der Charakterisierung und Identifizierung als Funktionen der Kopulae SEIN / BE anzusetzen, können wir Prozesse der Profilierung (Langacker 2008), Sinnkontextualisierung (Frege 1892), sprich der Perspektivierung, als einen dem syntaktischen Phänomen übergeordneten semantischen Prozess begreifen (dies in langer Tradition spätestens seit der Universalgrammatik der Modisten). Die Kopula ist nicht „inhaltslos“, wie Paul konstatiert (Paul 1962: 193, zit. n. Behr 2016: 139), sondern besitzt eine referentielle Kraft, die Handlungen in Form einer Darstellung des Sachverhalts als agenszentrierte Handlungen (= kategorische Urteile) oder in Form einer Darstellung des Sachverhalts als Geschehen (= thetische Urteile) generiert (vgl. bspw. auch Meyer-Hermann 2010: 26)1. Tanaka (2017: 68) zeigt in Anlehnung an Kurodas (1972) Unterscheidung von zwei Subjekt-Markierungen im Japanischen, inwiefern thetisches und kategorisches Urteil sich als „Erzählungssatz“ und als „Urteilssatz“ in Abhängigkeit von ihrer Diskursposition bzw. ihres ±Anschlusses an einen „Vortext“ unterscheiden:

      Wenn es um eine reine Szenendarstellung geht, d.h. wenn es dem Sprecher lediglich darum geht, seine Wahrnehmung sprachlich wiederzugeben, liegt ein einfaches Urteil vor, das thetisches Urteil genannt wird.

       (4a) Fido is chasing a cat.

(4b) Fido-ga neko-wo oikakete-iru.
Fido-ga Katze-AKK nachlaufen

      In (4a) ist ein Sachverhalt (Fidos Nachlaufen einer Katze) ohne weiteren Anschluss an einen Vortext geschildert. In diesem Fall wird im Japanischen das Subjekt mit -ga markiert. Anders ist dies bei (5b), dessen Bedeutung (5a) voraussetzt.

       (5a) (What’s Fido doing?) Fido is chasing a cat.

(5b) Fido-wa neko-wo oikakete-iru.
Fido-wa Katze-AKK nachlaufen

      Bei (5b) geht es um ein kategorisches Urteil über Fido: ‚Was Fido betrifft, der läuft gerade einer Katze nach‘. Dabei liegt nach Kuroda ein Doppelurteil vor: Zuerst stellt der Sprecher Fidos Vorhandensein fest und darauf bezogen folgt ein Urteil über Fido. Das Subjekt des kategorischen Urteils wird mit -wa gekennzeichnet. (Tanaka 2017: 68)

      Das bedeutet zum einen, dass die syntaktische Struktur im Deutschen und Englischen ambigue ist mit Blick auf das Vorliegen eines thetischen oder kategorischen Urteils. Zum anderen, dass definite Topiks nicht ohne Vortext präsupponieren (vgl. Strawson 1974).

      Sehen wir uns nun andere Instanziierung unseres Schemas x ≆ y an.

       (1) [zu] [s]/Surfen ist cool (InfP + ist + Präd[AdjP]), Spezifizierend: semantisches Gedächtnis (=Behrs „X ist charakterisiert durch Y“, ohne Referenz in Raum und Zeit), generisch

       (2) (ein) Koch zu sein, ist der lukrativste Job der Welt (InfP + ist + Präd[DetNP]), Spezifizierend: semantisches Gedächtnis (=Behrs „X ist charakterisiert durch Y“, ohne Referenz in Raum und Zeit), generisch

       (3) loving you is killing me2 (Gerund + is + Gerund)=ambigue, Spezifizierend: semantisches Gedächtnis (=Behrs „X ist charakterisiert durch Y“, ohne Referenz in Raum und Zeit), generisch oder Identitätssatz: semantisches Gedächtnis (=Behrs „X ist identisch mit Y“, ohne Referenz in Raum und Zeit), generisch

       (4) to know you is to love you3 (toV + is + toV), Identifizierender Satz: episodisches Gedächtnis (=Behrs „X ist charakterisiert durch Y“, mit Referenz in Raum und Zeit)

       (5) brushing your teeth is important (Gerund + is + Präd[AdjP])=ambigue, Identifizierender Satz: episodisches Gedächtnis (=Behrs „X ist charakterisiert durch Y“, mit Referenz in Raum und Zeit) oder Spezifizierend: semantisches Gedächtnis (=Behrs „X ist charakterisiert durch Y“, ohne Referenz in Raum und Zeit), generisch

      Bei Instanziierungen des Schemas mit infiniten Phrasen und Gerundia handelt es sich um spezifizierende Sätze, die dem semantischen Gedächtnis zuzurechnen sind und entsprechend als generisch betrachtet werden können (im Sinne der Definition von Generizität als Zwischenbereich, vgl. Leiss 2017: 45). Wird you nicht als generisches Pronomen verstanden, kann es sich auch um identifizierende Sätze handeln. (ToV + is) ist im Unterschied zum Gerundium in Abhängigkeit der Semantik des instanziierten Infinitivs zu betrachten. Es gibt englische Verben, die nur mit toV verwendet oder nur mit Gerundium verwendet werden oder mit sowohl als auch. In der letzten Variante leiten sich bspw. Unterschiede in Tempus, Modalität oder Aktionsart ab.

      Leiss (1992: 156–173) entwickelt eine Kategorie Resultativum im Sinne einer Aspekt-Kategorie, die eben eine Perspektivierungsleistung zugrunde legt („Resultativität wird durch die Aspektualität des Verbs determiniert“, Leiss 1992: 165). So kann die Proposition (6) als (7) gelesen werden.

       (6) Sie ist zurückgesprungen.

       (7) Sie ist [von selbst] zurückgesprungen [durch Eigenmotivation, aktivisch].

      Instanziieren wir unser Schema mit diesem Beispiel:

       (8) Sie (zu sein,) ist [führt dazu] zurückgesprungen (zu sein). (episodisches Gedächtnis / semantisches Gedächtnis)

      3 Giveness and Newness – Infinit vs. Komplementsatz

      Anschließend an das soeben Ausgeführte, kann nun zu der Frage übergegangen werden, was die Perspektivierungen leisten und ob sich aus den unterschiedlichen Möglichkeiten von Instanziierungen des Schemas verschiedene Wahrnehmungsmodi ableiten lassen. Dazu wird zunächst auf andere Konstruktionstypen (≆ Sätze) zugegriffen, für die die folgenden Beobachtungen und Entwicklungen verzeichnet sind.

      In Ausgaben des Neuen Testamentes finden sich neben infiniten Konstruktionen im Altgriechischen, Lateinischen und Frühneuhochdeutschen Komplementsatzkonstruktionen.

       (9) Da aber die Hohenpriester vnd Schrifftgelerten sahen die Wunder […] vnd die Kinder im Tempel schreien. (Luther Ausgabe letzter Hand 1545, Mt 21,15)

       (10) videntes autem principes sacerdotum et scribae mirabilia […] et pueros clamantes in templo (Vulgata)

       (11) ἰδόντες δὲ οἱ ἀρχιερεῖς καὶ οἱ γραμματεῖς τὰ θαυμάσια […] καὶ τοὺς παῖδας τοὺς κράζοντας ἐν τῷ ἱερῷ (Novum Testamentum Graece)

      (lies: idontes de hoi archiereis kai hoi grammateis ta thaumasia […] kai tous paidas tous krazontas en to hiero)

      In (9) wird das verbum videndi mit einer Accusativus cum Infinitivo (AcI)-Konstruktion übersetzt (sahen + die Kinder schreien), in (10), (11) zeigen der lateinische (videntes + pueros clamantes) und altgriechische Text (ἰδόντες + τοὺς παῖδας τοὺς κράζοντας) eine Accusativus cum Participio (AcP)-Konstruktion.