Ich bin Matteo Salvini. Chiara Giannini

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Название Ich bin Matteo Salvini
Автор произведения Chiara Giannini
Жанр Социология
Серия
Издательство Социология
Год выпуска 0
isbn 9783948075873



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auf das Auto eines Kreisvorsitzenden der Lega in Taurianova, danach kam es in Bozen zu einem Übergriff auf einen kommunalen Mandatsträger der Partei, während in Pisa einige Anarchisten einen Abgeordneten der Lega überfielen, ihn beschimpften und mit Eiern bewarfen. Von den Alpen bis nach Sizilien, die Liste ist lang: von Pistolenschüssen auf Fahrzeuge über Angriffe auf Parteibüros, von Flugblättern mit Drohungen bis hin zu Briefen mit beigefügten Patronen, Sachbeschädigungen, verschiedensten Attacken und Beleidigungen am Rande von Versammlungen. Am stärksten betroffen ist, man glaubt es kaum, die Lombardei, Salvinis Heimat, gefolgt von der Emilia-Romagna, Trient und der Toskana. Kein einziger Vorfall wurde hingegen in der Basilikata im Süden Italiens angezeigt, wo es der Lega sogar gelang, nach Jahren der Mißregierung durch den Partito Democratico die Führung zu übernehmen.

      Zu diesen hunderten Angriffen auf die Partei allein im ersten Quartal des laufenden Jahres kommen noch jene Attacken gegen ihren Chef hinzu. In vier Monaten gab es 127 Delikte, die im Zusammenhang mit Flugblättern, Schmierereien und Einschüchterungen stehen. Nur weil Salvini selbst unter Personenschutz steht, fehlen in dieser Aufzählung noch schlimmere Übergriffe gegen ihn persönlich. Andernfalls, so kann man sich leicht ausmalen, wäre dem Haß auf seine Person überhaupt nicht mehr beizukommen. Neben schriftlichen Morddrohungen und Parolen, die an Orten, die der Innenminister besucht, von irgendwelchen »Antagonisten« auf die Wände gesprüht wurden, verging kaum ein Tag, an dem nicht jemand eine Nettigkeit dieser Art an ihn richtete. Da gibt es jene, die ihm den Tod herbeiwünschen, die versichern, daß er das gleiche Ende wie Mussolini nehmen werde, die dazu auffordern, auf ihn zu schießen, oder die andere Untergriffigkeiten für ihn übrig haben. Nicht selten fällt auch der Begriff »Piazzale Loreto«, in Anspielung auf den Platz in Mailand, an dem Partisanen den Leichnam des duce mit dem Kopf nach unten aufgehängt hatten. Hinzu kommen die Beleidigungen im Internet oder im Zuge von Demonstrationen, die ungezählt bleiben. Allerdings werden die Urheber bisweilen identifiziert. Meist handelt es sich um Personen, die jenem linksradikalen Spektrum angehören, dessen Anhänger man früher als »Autonome« zusammengefaßt hätte und die heute einfach als »Antagonisten« bezeichnet werden.

      Es sind natürlich wahrhaft aufrichtige Demokraten, die da unsere Freiheit verteidigen. Üblicherweise sehen wir sie eingereiht in die diversen antifaschistischen Demonstrationszüge, wo sie sich vermummen, um Schaufenster einzuschlagen oder geistreiche Phrasen auf Hauswände zu schmieren. Unter ihnen erwischte der italienische Staatsschutz Digos ab und an auch einige Ausländer, meist Afrikaner, also jene berühmten »Fachkräfte«, die wir mit offenen Armen aufgenommen haben und die sich dafür nun höflich bedanken. So etwa ein Tunesier, der Anfang März 2019 in Partinico auf Sizilien den Minister schreiend und mit den folgenden Worten begrüßt hat: »Du sollst sterben, mit durchgeschnittener Kehle unter der Erde, du Stück Scheiße«, um sich daraufhin vom Veranstalter der Demonstration mit einem unmißverständlichen Zeichen zu verabschieden: der Kopf-ab-Geste.

      Das Dossier der Lega hat nicht einmal die Fälle des Vorjahres aufgenommen, aber es reicht ein kurzer Blick, um zu erkennen, daß zu den mehreren Dutzend Einschüchterungen und Übergriffen von 2018 allein in den ersten Monaten des Jahres 2019 schon mehrere hundert hinzugekommen sind.

      Warum all dieser Haß? Weil Salvini – wie ich es 2014 vorhersagte – der neue Hauptdarsteller der italienischen Politik und der Leuchtturm des Centrodestra geworden ist. Ein im Vergleich zur Vergangenheit stark verändertes Centrodestra, nämlich sein eigenes, das des Matteo Salvini. Ein Centrodestra, das in der Lage ist, einen breiten gesellschaftlichen Konsens herzustellen und hohe Zustimmungswerte zu erreichen. Salvini hat eine Vision. Diese Vision muß nicht jedem gefallen, aber sie ist präzise und er verfolgt sie mit Entschiedenheit. Das ist der Grund, weshalb er von so vielen geehrt und wiederum von so vielen anderen brutal bekämpft wird. Aber genau das ist eben das Schicksal eines echten leaders.

      Maurizio Belpietro

EIN PHÄNOMEN NAMENS SALVINI

      Für Francesco und Alessandro. Möge die Liebe euch immer führen.

      Sein Nachname ist der, der bei Google Italia am häufigsten eingegeben wird. Für die italienischen Frauen ist er, heimlich selbst für die linken, der begehrteste Mann des Landes, auch wenn sein Gesicht nicht eben das eines Latin Lovers ist. Es gibt Leute, die teures Geld dafür zahlen würden, um ihn in seinem privaten Alltag erleben oder wenigstens einen Espresso mit ihm trinken zu dürfen.

      Er hat es nicht nur geschafft, seine vor wenigen Jahren noch am Boden liegende Partei zu einer stabilen und gefestigten Regierungskraft zu formen, er hat vor allem die Herzen der Menschen erobert. So etwas kann nur derjenige, der offen, natürlich und ohne jede Angst spricht. Selbst seine Fehler macht er häufig zu seinen engsten Verbündeten: das Herz auf der Zunge zu tragen, zahlt sich zwar keineswegs immer aus, doch stellt es Nähe zu den Menschen her. Ähnliches betrifft die mitunter höchst kompromißlose Art, wie er versucht der Gerechtigkeit Raum zu verschaffen, da er bereits in Kindertagen diverse Ungerechtigkeiten hat erleben müssen, etwa wenn er – ironisch natürlich – erzählt, wie ihm im Kindergarten sein geliebtes Zorro-Püppchen stibitzt wurde. Ist Matteo Salvini nun schlicht ein akademischer Untersuchungsgegenstand oder nicht doch ein moderner Condottiere, den man sich einfach aus der Nähe anschauen muß? In diesem Büchlein ist es Salvini selbst, der uns erzählt, wer er ist, was sein Lebensweg bisher für ihn bereithielt und was er sich von der Zukunft erwartet.

      Während die Medien beinahe täglich von ihm berichten, stets oszillierend zwischen Nachrichten über sein Regierungshandeln und dem neuesten Klatsch über sein Liebesleben, erzählen wir, wer wirklich hinter der Persönlichkeit dieser Tage steckt. Hinter jenem Politiker, der sich für das Titelblatt der Wochenzeitschrift Oggi als Sexsymbol – mit nichts als einer Krawatte bekleidet – ablichten läßt und der an seinem Schreibtisch im Innenministerium oder auch mitten auf der Straße Liveschaltungen per Handy vornimmt, die dann das halbe Land aufmerksam verfolgt.

      Daß er ein Phänomen ist, das haben längst auch seine Kontrahenten verstanden. Denn es ist nunmal so, daß Matteo Salvini im Laufe weniger Jahre zu einer Gestalt geworden ist, die auf Facebook dreieinhalb Millionen follower hat. Die Leute lieben ihn von ganzem Herzen, was wiederum auf seine eigene innere Kraft zurückwirkt. Er geht voran, wenn mit ihm Tausende auf den Straßen demonstrieren. Er betritt eine sizilianische Bar und trinkt dort einen Eiskaffee mit derselben Natürlichkeit, mit der er während eines Volksfestes in Norditalien Handyphotos seines Teller mit Salsiccia und Bohnen ins Netz stellt.

      Matteo Salvini ist einfach dies: er ist der natürliche Ausdruck eines volkstümlichen und volksnahen Italiens. Ein Populist im eigentlichen Sinn des Wortes. Er verkörpert das Italien der Arbeiter, der Angestellten, der Maurer, der Bäcker, der Reiseveranstalter und der kleinen Unternehmer. Es ist das Italien der Ziegelsteine und des Zements, jenes Italien, das sich in der zweiten Nachkriegszeit die Hände gereicht hat, um sich im Geiste der gemeinsamen Pflicht und der Brüderlichkeit wiederaufzurichten.

      Und auch wenn die fünfziger und sechziger Jahre weit zurückliegen, der leader der Lega hat die Mentalität dieser Generation verstanden, deren Herzen in jenen Zeiten verblieben sind. Es sind Leute, die jenen Tagen nachtrauern, als sie in der Eingangstür oder im Auto den Schlüssel stecken lassen konnten, ohne zu fürchten, daß man sie beklauen würde. Oder auch den Sommertagen beim Kartenspiel, während die Kinder zufrieden auf der Straße herumspielten, ohne Angst haben zu müssen, daß der nächstbeste Depp ihnen etwas zuleide tun könnte.

      Und Matteo Salvini, ein Italiener unter Italienern, voller Liebe für sein Land, hat genau das verstanden: wir trauern dem nach, was wir waren. Wir trauern den Zeiten der Lira nach, als wir noch das Geld für einen zusätzlichen Urlaub in der Tasche hatten und als wir nicht einmal wußten, was die Equitalia10 überhaupt sein könnte. Wir trauern der Einberufung zum Militärdienst nach, der Disziplin jener Zeiten, als es noch sehr viel weniger Überwachung aber paradoxerweise mehr Sicherheit gab.

      Und doch kann man nicht an einer Vergangenheit kleben bleiben, die notwendigerweise Platz gemacht hat für eine modernere Gegenwart. Man muß sich den Zeiten anpassen. Und wenn es früher die Marktplätze der Landgemeinden waren, auf denen sich Don Camillo und Peppone nach Dienstschluß über den Weg liefen, um sich verbale Ohrfeigen zu verabreichen,