Gesammelte Werke: Science-Fiction-Romane + Abenteuerromane + Erzählungen. Dominik Hans

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Название Gesammelte Werke: Science-Fiction-Romane + Abenteuerromane + Erzählungen
Автор произведения Dominik Hans
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075831552



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des Kaisers Mund vernommen. Wenige nur und undeutlich und dann nur noch ein leises und immer leiseres Flüstern.

      Was brachte Toghon-Khan? … Was hatte der Kaiser mit ihm beschlossen? In den Herzen aller brannte die Frage, aber nichts verrieten die steinernen Züge des Toghon-Khan. Bis in die Mitte des Saales schritt er. Blieb dort hochaufgerichtet stehen und ließ den Blick über die Versammlung schweifen, die Arme zusammengeschlagen, die Hände unter den verschränkten Armen verborgen.

      Fünfzig Augenpaare waren auf ihn gerichtet. Suchend flog sein Blick durch den Raum und haftete einen kurzen Moment an einem anderen Augenpaar.

      Ein kurzer Wink. Ein mongolischer General eilte auf ihn zu.

      »Mangu-Khan übernimmt den Befehl über die Palastwache. Geh!«

      Der Angeredete verharrte überrascht und zögernd. Auch auf den Gesichtern der übrigen Anwesenden prägten sich Staunen und Zweifel.

      Wie konnte Toghon-Khan solchen Befehl geben?

      »Geh!«

      Zum zweitenmal fiel das Wort scharf und knapp von den Lippen des Schanti. Die verschränkten Arme öffneten sich. Die Linke wies gebieterisch zur Tür.

      »Niemand betritt oder verläßt den Palast ohne meine Erlaubnis!«

      Es war ein neuer, schwerwiegender Befehl. Doch allen sichtbar glänzte an der ausgestreckten Hand der kaiserliche Ring, und im Augenblick wandelte sich das Bild im Saale. Sie alle, die eben noch einen Gleichberechtigten, einen Mitbewerber erwartet hatten, sehen jetzt den vom Kaiser bestimmten Regenten vor sich stehen. Den, der mit kaiserlicher Macht das Reich zu verwalten hatte, bis er eines Tages den Ring des Dschingis-Khan von seiner Hand ziehen und dem Kaisersohn auf die Rechte stecken würde.

      Tief neigten sich jetzt die Rücken, ehrfurchtsvoll waren die Verbeugungen. Niemand wagte es, dem vom Kaiser selbst ernannten Regenten die schuldige Achtung zu verweigern. Dem Regenten mit dem Ringe des Kaisers an der Hand und mit einer großen Armee hinter sich, die dem alten Mongolengeneral mit Leib und Leben verschworen war. Vorbei an gebeugten Rücken und gesenkten Köpfen schritt der neue Regent des Gelben Reiches durch den Saal.

      Weithin dehnt sich das alte Siebenstromland zwischen dem Balkasch- und dem Issisee. In Wierny, der Hauptstadt des Landes, hatte Georg Isenbrandt sein Standquartier. Von hier aus leitete er die Arbeiten, welche die ihm unterstellten Ingenieure und Schmelzmeister in den südlich und westlich gelegenen Alpen ausführten. Seit Jahren war Wierny die zweite Heimat Isenbrandts geworden.

      Am Frühstückstisch saßen die beiden Freunde sich gegenüber. Wellington Fox sprach: »Die Lampe hat gestern noch lange bei dir gebrannt, Georg …«

      »Berufsarbeit, lieber Freund. Die ersten Transporte des neuen Mittels sind avisiert. Das gibt für die ersten Wochen eine reichliche Dosis Arbeit. Instruktionen für die Schmelzmeister … neue Pläne für die ganze Schmelzstrecke … die Pläne sind zum größten Teil fertig … Die Instruktionen beginnen heute. Beeile dich, damit wir bald aufbrechen können.«

      Wellington Fox ließ sich das nicht zweimal sagen. Noch einen Schluck und einen Bissen, und er war fertig. Beim Schlage der neunten Morgenstunde erhob sich die kleine schnelle Flugmaschine des Oberingenieurs. Isenbrandt selbst führte das Steuer und setzte den Kurs nach Süden.

      Erst Ebene, dann Berge und dann weiter tiefgrüner See. Der mächtige Issikul breitete seine Fluten unter ihnen aus. Dann wieder Berge. Hoch und immer höher, bis sie den Kamm des Himmelsgebirges erreicht hatten, das hier die Grenze zwischen Rußland und China bildet.

      Den Gebirgsgrat entlang in nordöstlicher Richtung führte Georg Isenbrandt jetzt die Maschine. In brodelndem, wogendem Nebel lag das Alpenmassiv unter ihnen. Nur selten einmal brach ein Sonnenstrahl durch diese milchweißen Massen und erreichte schneebedeckte Hänge und glasige Gletscher. Gletscher, aus denen breite Ströme entsprangen und nach Norden hin in den Issi stürzten.

      Vom Dynotherm getrieben, arbeiteten die Turbinen der Flugmaschine vollkommen geräuschlos, und mühelos konnten die Freunde ihr Gespräch führen.

      Jetzt warf Isenbrandt das Steuer herum und setzte das Schiff auf Nordwestkurs. Wellington Fox sah, wie die Nebelmassen hier wie abgehackt aufhörten und der Alpenkamm sich scharf und klar weiterhin nach Osten erstreckte.

      »Warum, Georg … warum geht es hier nicht weiter?«

      »Weil wir am kritischen Punkt sind. Du siehst die natürliche Grenze, das Gebirge weiter nach Osten ziehen. Die politische Grenze biegt scharf nach Norden um. Was da halbrechts vor uns liegt, ist das Ilidreieck, seit 150 Jahren ein strittiges Gebiet, bald unter chinesischer, bald unter russischer Herrschaft. Heute wieder chinesisch.«

      Das Flugzeug folgte der Grenze nach Norden. Ein mächtiger Strom wälzte unter den Reisenden seine Wogen nach Westen. Georg Isenbrandt senkte die Maschine so tief, daß sie den Boden fast zu berühren schien. Und dann stand sie doch plötzlich wieder hoch über dem Grunde; denn in jähem Abfall senkte sich das Gebirge. Ein breites, tiefes Tal, auf beiden Seiten von schroffen Felsmauern umsäumt, durch das der Ilistrom seinen Weg nahm. Von den Felsen her ein riesenhafter Staudamm, im Bau begriffen. Dort stand der von Menschenhand gefügte Wall schon mehrere hundert Meter hoch. Im mittleren Teil aber waren die Arbeiten noch bei den Fundamenten.

      Georg Isenbrandt runzelte die Brauen, während das Flugschiff langsam über der Dammkrone dahinzog.

      »Verdammt! Wir kommen hier nicht so schnell vorwärts, wie ich möchte … Ich werde MacClure ablösen lassen … Mag er auch zehnmal ein Protektionskind sein!«

      Wellington Fox sah, wie die Fäuste Isenbrandts sich bei diesen Worten um das Steuer krampften.

      »Ist der Dammbau so eilig, Georg?«

      »Aber sehr eilig! … Die Gelben besitzen ebenfalls Dynotherm und schmelzen damit in ihrem Lande. Fällt es ihnen eines Tages ein, hier im Ilidreieck plötzlich und allzu stark zu schmelzen, so vernichtet das Hochwasser unsere Siedlungen im Siebenstromland … Bei der gespannten Lage zwischen Gelb und Weiß ist eine Überraschung nicht ausgeschlossen. Der Damm muß schnellstens fertig werden.«

      In steilen Kreisen ließ Isenbrandt die Maschine steigen. Kilometer um Kilometer ging sie in die Höhe, und immer weiter dehnte sich die Landschaft. Jetzt dämmerte am Osthorizont Kuldscha herauf. Die Hauptstadt des soviel umstrittenen Gebietes. Jetzt lag das ganze Dreieck wie ein offener Kessel unter ihnen.

      Isenbrandt deutete mit der Rechten dorthin.

      »Begreifst du es wohl, daß wir das Ilidreieck haben müssen? … Siehst du es ein? … Die Siedlungsgesellschaft sieht es freilich auch ein, hat es längst begriffen … Aber die Furcht, die feige Furcht vor den Gelben ist zu groß …«

      Wellington Fox umfaßte mit prüfendem Auge die riesenhafte Talmulde. Ein sarkastisches Lächeln glitt über seine Züge.

      »Ich vermute, mein lieber Georg, hier wird es eines Tages gehen wie im Erlkönig … Und folgst du nicht willig, dann brauch’ ich Gewalt …«

      Georg Isenbrandt antwortete nicht. Seine Züge blieben unbeweglich, nur in seinen Augen flammte ein stählerner Glanz auf. Jetzt stellte et die Maschine ab und ließ das Schiff im gestreckten Gleitflug wieder in die Tiefe schießen. Und dann setzte es leicht und sicher auf einer Bergwiese auf. Sie waren vor einem Bezirkshaus des Abschnittes gelandet. Etwa ein Dutzend Ingenieure war hier versammelt, durch Fernruf benachrichtigt, und erwartete ihren Chef.

      Isenbrandt wandte sich an einen jungen Menschen, der in der Nähe stand.

      »He! Sie da! Franke, führen Sie den Herrn hier zu Ihrem Großvater. Er soll ihm alles zeigen, was er zu sehen wünscht … Lieber Fox! Du hast drei Stunden Zeit, einen unserer interessantesten Schmelzpunkte zu besuchen. Um vier Uhr bitte pünktlich wieder hier!«

      An der Seite des jungen Mannes machte Wellington Fox sich auf den Weg. Er war ein tüchtiger, trainierter Bergsteiger, aber er mußte sich anstrengen, um mit dem hier vorgelegten Tempo Tritt zu halten. Auf dem Wege erfuhr er, daß der alte Schmelzmeister aus Deutschland aus dem Merseburgischen stammte. Jetzt war er seit langen