Название | Gesammelte Werke: Science-Fiction-Romane + Abenteuerromane + Erzählungen |
---|---|
Автор произведения | Dominik Hans |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788075831552 |
Der Stationschef trat in den Telegraphistenraum.
»Was Neues, Gregor Iwanowitsch?«
»Alles in Ordnung, Fedor Fedorowitsch.«
Der Chef blätterte in dem Stationsbuch, das aufgeschlagen auf dem Tisch lag. Notizen über den laufenden Dienst. Telephonate aus den Schiffen der verschiedenen Linien.
Orenburg war ein Knotenpunkt für den Luftverkehr. Die große europäische Linie Berlin–Moskau–Orenburg spaltete sich hier in drei Zweigstrecken. Die sibirische Linie nach Omsk und Tomsk, die Südostlinie nach Ferghana und die persische Linie nach Teheran.
Der Chef überflog die Aufzeichnungen … Das sibirische Schiff hatte vor einer halben Stunde zwei Zimmer im Hotel bestellt … Das persische Schiff hatte vor zwanzig Minuten gesprochen. Vom Moskauer Schiff war vor einer Stunde das letzte Gespräch gekommen. Es meldete die Abgabe und Übernahme der Post über Samara beim Überschreiten der Wolga.
Der Stationschef verglich seine Uhr mit der Normaluhr über dem Apparatetisch.
»Noch fünfundvierzig Minuten bis zur Ankunft des Moskauer Schiffes … Starke Besetzung heute … Nach den Listen hundertsechzig Passagiere … Gregor Dimidow ist ein beliebter Kapitän … Die Reisenden benutzen sein Schiff mit Vorliebe. Obwohl Nummer achtzehn längst nicht mehr das neueste Schiff ist …«
Das plötzliche Ansprechen eines der Telephonapparate unterbrach die Worte des Stationschefs.
»Achtzehn … tick tick tick, tä tä tä, tick tick tick, tä tä tä …«
Achtzehn war die Nummer des Schiffes Moskau – Orenburg, das hier in fünfundvierzig Minuten erwartet wurde. Die Morsezeichen, die danach im peitschenden Rhythmus in je drei Kürzen und drei Längen gegeben wurden, bedeuteten den internationalen Notruf für höchste Gefahr.
Was war geschehen?
Unaufhörlich schrillten die Notrufe weiter durch den Raum … Keine telephonische Mitteilung, die nähere Aufklärung gegeben hätte. War die Telephonanlage an Bord von Nummer achtzehn in Unordnung geraten? Arbeitete nur noch die Telegraphenanlage und schrie in höchster Not die ominösen Morsezeichen in den Raum? Hatten die Telegraphisten an Bord den Kopf verloren?
Mit einem Ruck schaltete der Telegraphist die eigene Sendeanlage ein. Er wollte rückfragen … Auskunft über die Art der Gefahr einfordern. Aber er kam nicht dazu.
Gerade in diesem Augenblick begann es im Telephonapparat in allen nur denkbaren Tonarten zu rauschen und zu pfeifen. Dem erfahrenen Beamten war es klar, daß es eine andere starke Station mit der gleichen Wellenlänge wie Nummer achtzehn gab. Offensichtlich, um die Notrufe des Schiffes zu übertönen und unwirksam zu machen. Über seine Apparate gebeugt, versuchte er durch schnelle Umstimmung der Wellenlängen die Verständigung wiederherzustellen.
Als es ihm nicht gelang, nahm er die Verbindung mit den Städten im Umkreis auf. Der Reihe nach sprach er mit Kasan und Saratow, mit Perm, Tobolsk und Omsk. Er rief Kamlinsk und Gurjew an und hatte keinen Erfolg. Wohl hatte man auch auf diesen Stationen den Hilferuf von Nummer achtzehn vernommen, aber es waren auch dort keine Polizeischiffe zur Verfügung. Viertelstunde auf Viertelstunde verstrich, ohne daß sich eine Möglichkeit bot, dem Postschiff Hilfe zu senden.
Der Telegraphist legte seinen Apparat wieder auf die Wellenlänge von Nummer achtzehn um. Jetzt herrschte Ruhe im Hörer. Das Zwischensprechen der Störungsstation hatte aufgehört. Aber auch das Postschiff meldete sich nicht. Vergeblich rief der Telegraphist es an. Der Zeiger auf der Normaluhr rückte inzwischen unaufhaltsam weiter. Schon war die Ankunftszeit, zu der es hier in Orenburg eintreffen sollte, um zehn Minuten überschritten.
Kurs Ost zu Südost zog das Postschiff Nummer achtzehn der Linie Moskau – Orenburg in zehn Kilometer Höhe seine Bahn. Vor einer Stunde hatte es über Samara die letzte Post abgegeben und empfangen. Noch fünfundvierzig Minuten, und es sollte in Orenburg landen. Mit zweihundert Kilometer in der Stunde strich der mächtige, in den russischen Farben blau und weiß gestrichene Bau durch den Äther.
Im großen Salon und in den Gesellschaftsräumen vertrieben sich die Passagiere die Zeit in der bei solchen langen Reisen üblichen Manier. Hier saßen sie beim Kartenspiel. Dort las einer, dort schlief ein dritter im bequemen Sessel. An anderer Stelle wieder verkürzte man sich in sorglosem Gespräch die Stunden.
In der Zentrale des Schiffes stand der Kommandant Gregor Dimidow neben dem wachthabenden Offizier … und hier war die Sorge zu Haus. Scharf und angestrengt spähte der Kapitän nach Süden. Jetzt griff er zum scharfen Glas. Ein einziges Wort fiel von seinen Lippen:
»Wo?«
Der Wachthabende wies mit dem Finger die Richtung.
»Dort!«
Mit dem Glas untersuchte der Kapitän den Himmel in der angedeuteten Richtung. Sah und suchte, während die Falten auf seiner Stirn sich vertieften.
»Schneller als wir! … Keine Flagge?! … Kein Zeichen? … Was ist …«
Während der Kommandant die beiden letzten Worte sprach, war das fremde Schiff verschwunden. In dieser Entfernung überhaupt nur ein winziger grauer Schemen, war es in eine Wolke getaucht und im gleichen Moment den Blicken der hier so scharf Ausspähenden entrückt.
Der Kommandant ließ das Glas sinken.
»Was halten Sie von der Geschichte?«
Der Wachthabende machte aus seiner Meinung kein Hehl.
»Da stimmt etwas nicht, Kapitän! Seitdem wir über die Wolga gingen, treibt sich das Schiff in unserer Nähe herum. Es ist schneller als wir … Ich glaube viel schneller. Wenn es glatte Wege ginge, könnte es uns längst überholt haben, schon seit einer Stunde in Orenburg sein, wenn’s dahin wollte … Ich halte es nicht für Zufall, daß es sich zeitweis in den Wolken verkriecht … Ich wollte, wir wären fünfundvierzig Minuten weiter.«
Der Kapitän ging mit unruhigen Schritten in dem kleinen Kommandantenraum hin und her. Die Verantwortung für das wertvolle Schiff mit hundertsechzig Passagieren lastete schwer auf seinen Schultern. Sollte er telephonischen Alarm geben? … Sukkurs von Orenburg erbitten? … Oder sollte er notlanden? Tat er es ohne Grund, würde die Verwaltung ihm Vorwürfe machen … Nervöse Kapitäne waren im Dienste der russischen Postlinien nicht erwünscht. Aber … die Verantwortung.
»Dort!«
Zum zweitenmal fiel das kurze Wort von den Lippen des Wachthabenden.
Das fremde Schiff war wieder aus den Wolken herausgetreten und wurde jetzt schnell größer. Der Kommandant faßte seinen Entschluß.
»Wenn es jetzt weiter auf uns zuhält, dann will es was von uns … Und dann nehme ich die telephonische Verbindung auf und rufe um Hilfe.«
Aber während der Kommandant dem Wachthabenden diesen Entschluß mitteilte, überlegte er schon weiter, welche Wirkung er sich von dieser Maßnahme versprechen dürfe. Orenburg war noch zu weit. Ganz unmöglich würde er den Flughafen vor dem fremden Schiff erreichen können … Hilfe von dort? … Raubüberfälle auf Postschiffe waren seit zwanzig Jahren selten geworden. Seitdem die »European Settlements Company« und die »Asiatic Dynotherm Company« hier eingegriffen und mit ihren gut bewaffneten Schiffen den Verkehr geschützt hatten, war das Geschäft für die Lufträuber zu gefährlich geworden. Die Gegend hier galt als vollkommen sicher. Die Schiffe der beiden Gesellschaffen versahen ihren Wachtdienst jetzt viel weiter im Osten, im Herzen Asiens. Es war unwahrscheinlich, daß irgendein Polizeischiff hier schnell zur Stelle sein konnte.
Und Schnelligkeit tat not. Bedeutend näher war das fremde Schiff während der