Название | Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer |
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Автор произведения | Arthur Schopenhauer |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027208456 |
Von diesen beiden entgegengesetzten Mißgriffen nun unterscheidet sich unser Verfahren toto genere, indem wir weder vom Objekt noch vom Subjekt ausgehn, sondern von der Vorstellung, als erster Thatsache des Bewußtseyns, deren erste wesentlichste Grundform das Zerfallen in Objekt und Subjekt ist, die Form des Objekts wieder der Satz vom Grund, in seinen verschiedenen Gestalten, deren jede die ihr eigene Klasse von Vorstellungen so sehr beherrscht, daß, wie gezeigt, mit der Erkenntniß jener Gestalt auch das Wesen der ganzen Klasse erkannt ist, indem diese (als Vorstellung) eben nichts Anderes als jene Gestalt selbst ist: so die Zeit selbst nichts Anderes als der Grund des Seyns in ihr, d.h. Succession; der Raum nichts Anderes als der Satz vom Grund in ihm, also Lage; die Materie nichts Anderes als Kausalität; der Begriff (wie sich sogleich zeigen wird) nichts Anderes als Beziehung auf den Erkenntnißgrund. Diese gänzliche und durchgängige Relativität der Welt als Vorstellung, sowohl nach Ihrer allgemeinsten Form (Subjekt und Objekt), als nach der dieser untergeordneten (Satz vom Grund), weist uns, wie gesagt, darauf hin, das Innerste Wesen der Welt in einer ganz andern, von der Vorstellung durchaus verschiedenen Seite derselben zu suchen, welche das nächste Buch in einer jedem lebenden Wesen eben so unmittelbar gewissen Thatsache nachweisen wird.
Doch ist zuvor noch diejenige Klasse von Vorstellungen zu betrachten, welche dem Menschen allein angehört, deren Stoff der Begriff und deren subjektives Korrelat die Vernunft ist, wie das der bisher betrachteten Vorstellungen Verstand und Sinnlichkeit war, welche auch jedem Thiere beizulegen sind14.
§ 8
Wie aus dem unmittelbaren Lichte der Sonne in den geborgten Wiederschein des Mondes, gehn wir von der anschaulichen, unmittelbaren, sich selbst vertretenden und verbürgenden Vorstellung über zur Reflexion, zu den abstrakten, diskursiven Begriffen der Vernunft, die allen Gehalt nur von jener anschaulichen Erkenntniß und in Beziehung auf dieselbe haben. So lange wir uns rein anschauend verhalten, ist Alles klar, fest und gewiß. Da giebt es weder Fragen, noch Zweifeln, noch Irren: man will nicht weiter, kann nicht weiter, hat Ruhe im Anschauen, Befriedigung in der Gegenwart. Die Anschauung ist sich selber genug; daher was rein aus ihr entsprungen und ihr treu geblieben ist, wie das ächte Kunstwerk, niemals falsch seyn, noch durch irgend eine Zeit widerlegt werden kann: denn es giebt keine Meinung, sondern die Sache selbst. Aber mit der abstrakten Erkenntniß, mit der Vernunft, ist im Theoretischen der Zweifel und der Irrthum, im Praktischen die Sorge und dieReue eingetreten. Wenn in der anschaulichen Vorstellung der Schein auf Augenblicke die Wirklichkeit entstellt, so kann in der abstrakten der Irrthum Jahrtausende herrschen, auf ganze Völker sein eisernes Joch werfen, die edelsten Regungen der Menschheit ersticken und selbst Den, welchen zu täuschen er nicht vermag, durch seine Sklaven, seine Getäuschten, in Fesseln legen lassen. Er ist der Feind, gegen welchen die weisesten Geister aller Zeiten den ungleichen Kampf unterhielten, und nur was sie ihm abgewannen, ist Eigenthum der Menschheit geworden. Daher ist es gut, sogleich auf ihn aufmerksam zu machen, indem wir den Boden betreten, auf welchem sein Gebiet liegt. Obwohl oft gesagt worden, daß man der Wahrheit nachspüren soll, auch wo kein Nutzen von ihr abzusehn, weil dieser mittelbar seyn und hervortreten kann, wo man ihn nicht erwartet; so finde ich hier doch noch hinzuzusetzen, daß man auch eben so sehr bestrebt seyn soll, jeden Irrthum aufzudecken und auszurotten, auch wo kein Schaden von ihm abzusehn, weil auch dieser sehr mittelbar seyn und einst hervortreten kann, wo man ihn nicht erwartet: denn jeder Irrthum trägt ein Gift in seinem Innern. Ist es der Geist, ist es die Erkenntniß, welche den Menschen zum Herrn der Erde macht; so giebt es keine unschädlichen Irrthümer, noch weniger ehrwürdige, heilige Irrthümer. Und zum Trost Derer, welche dem edlen und so schweren Kampf gegen den Irrthum, in irgend einer Art und Angelegenheit, Kraft und Leben widmen, kann ich mich nicht entbrechen, hier hinzuzusetzen, daß zwar so lange, als die Wahrheit noch nicht dasteht, der Irrthum sein Spiel treiben kann, wie Eulen und Fledermäuse in der Nacht; aber eher mag man erwarten, daß Eulen und Fledermäuse die Sonne zurück in den Osten scheuchen werden, als daß die erkannte und deutlich und vollständig ausgesprochene Wahrheit wieder verdrängt werde, damit der alte Irrthum seinen breiten Platz nochmals ungestört einnehme. Das ist die Kraft der Wahrheit, deren Sieg schwer und mühsam, aber dafür, wenn ein Mal errungen, ihr nicht mehr zu entreißen ist.
Außer den bis hieher betrachteten Vorstellungen nämlich, welche, ihrer Zusammensetzung nach, sich zurückführen ließen auf Zeit und Raum und Materie, wenn wir aufs Objekt, oder reine Sinnlichkeit und Verstand (d.i. Erkenntniß der Kausalität), wenn wir aufs Subjekt sehn, ist im Menschen allein, unter allen Bewohnern der Erde, noch eine andere Erkenntnißkraft eingetreten, ein ganz neues Bewußtseyn aufgegangen, welches sehr treffend und mit ahndungsvoller Richtigkeit die Reflexion genannt ist.