das eine Atom aus der ursprünglichen Richtung seiner Bewegung kam: ja, dieser sich ganz von selbst entwickelnde und weder zu vermeidende, noch aufzulösende Widerspruch könnte ganz eigentlich als eine chemische
Antinomie aufgestellt werden: wie er sich hier an dem ersten der beiden gesuchten Extreme der Naturwissenschaft findet, so wird sich uns auch am zweiten ein ihm entsprechendes Gegenstück, zeigen. – Zur Erreichung dieses andern Extrems der Naturwissenschaft ist eben so wenig Hoffnung; da man immer mehr einsieht, daß nie ein Chemisches auf ein Mechanisches, noch ein Organisches auf ein Chemisches, oder Elektrisches, zurückgeführt werden kann. Die aber, welche heut zu Tage diesen alten Irrweg von Neuem einschlagen, werden ihn bald, wie alle ihre Vorgänger, still und beschämt zurückschleichen. Hievon wird im folgenden Buch ausführlicher die Rede seyn. Die hier nur beiläufig erwähnten Schwierigkeiten stehn der Naturwissenschaft auf ihrem eigenen Gebiet entgegen. Als Philosophie genommen, wäre sie überdies Materialismus: dieser aber trägt, wie wir gesehn, schon bei seiner Geburt den Tod im Herzen; weil er das Subjekt und die Formen des Erkennens überspringt, welche doch bei der rohesten Materie, von der er anfangen möchte, schon eben so sehr, als beim Organismus, zu dem er gelangen will, vorausgesetzt sind. Denn »kein Objekt ohne Subjekt« ist der Satz, welcher auf immer allen Materialismus unmöglich macht. Sonnen und Planeten, ohne ein Auge, das sie sieht, und einen Verstand, der sie erkennt, lassen sich zwar mit Worten sagen; aber diese Worte sind für die Vorstellung ein Sideroxylon. Nun leitet aber dennoch andererseits das Gesetz der Kausalität und die ihm nachgehende Betrachtung und Forschung der Natur uns nothwendig zu der sichern Annahme, daß, in der Zeit, jeder höher organisirte Zustand der Materie erst auf einen roheren gefolgt ist: daß nämlich Thiere früher als Menschen, Fische früher als Landthiere, Pflanzen auch früher als diese, das Unorganische vor allem Organischen dagewesen ist; daß folglich die ursprüngliche Masse eine lange Reihe von Veränderungen durchzugehn gehabt, bevor das erste Auge sich öffnen konnte. Und dennoch bleibt immer von diesem ersten Auge, das sich öffnete, und habe es einem Insekt angehört, das Daseyn jener ganzen Welt abhängig, als von dem nothwendig Vermittelnden der Erkenntniß, für die und in der sie allein ist und ohne die sie nicht ein Mal zu denken ist: denn sie ist schlechthin Vorstellung, und bedarf als solche des erkennenden Subjekts, als Trägers ihres Daseyns: ja, jene lange Zeitreihe selbst, von unzähligen Veränderungen gefüllt, durch welche die Materie sich steigerte von Form zu Form, bis endlich das erste erkennende Thier ward, diese ganze Zeit selbst ist ja allein denkbar in der Identität eines Bewußtseyns, dessen Folge von Vorstellungen, dessen Form des Erkennens sie ist und außer der sie durchaus alle Bedeutung verliert und gar nichts ist. So sehn wir einerseits nothwendig das Daseyn der ganzen Welt abhängig vom ersten erkennenden Wesen, ein so unvollkommenes dieses immer auch seyn mag; andererseits eben so nothwendig dieses erste erkennende Thier völlig abhängig von einer langen ihm vorhergegangenen Kette von Ursachen und Wirkungen, in die es selbst als ein kleines Glied eintritt. Diese zwei widersprechenden Ansichten, auf jede von welchen wir in der That mit gleicher Nothwendigkeit geführt werden, könnte man allerdings wieder eine
Antinomie in unserm Erkenntnißvermögen nennen und sie als Gegenstück der in jenem ersten Extrem der Naturwissenschaft gefundenen aufstellen; während die Kantische vierfache Antinomie in der, gegenwärtiger Schrift angehängten Kritik seiner Philosophie als eine grundlose Spiegelfechterei nachgewiesen werden wird. – Der sich uns hier zuletzt nothwendig ergebende Widerspruch findet jedoch seine Auflösung darin, daß, in Kants Sprache zu reden, Zeit, Raum und Kausalität nicht dem Dinge an sich zukommen, sondern allein seiner Erscheinung, deren Form sie sind; welches in meiner Sprache so lautet, daß die objektive Welt, die Welt als Vorstellung, nicht die einzige, sondern nur die eine, gleichsam die äußere Seite der Welt ist, welche noch eine ganz und gar andere Seite hat, die ihr Innerstes Wesen, ihr Kern, das Ding an sich ist: und dieses werden wir im folgenden Buche betrachten, es benennend, nach der unmittelbarsten seiner Objektivationen, Wille. Die Welt als Vorstellung aber, welche allein wir hier betrachten, hebt allerdings erst an mit dem Aufschlagen des ersten Auges, ohne welches Medium der Erkenntniß sie nicht seyn kann, also auch nicht vorher war. Aber ohne jenes Auge, d.h. außer der Erkenntniß, gab es auch kein Vorher, keine Zeit. Dennoch hat deswegen nicht die Zeit einen Anfang, sondern aller Anfang ist in ihr: da sie aber die allgemeinste Form der Erkennbarkeit ist, welcher sich alle Erscheinungen mittelst des Bandes der Kausalität einfügen, so steht mit dem ersten Erkennen auch sie (die Zeit) da, mit ihrer ganzen Unendlichkeit nach beiden Selten, und die Erscheinung, welche diese erste Gegenwart füllt, muß zugleich erkannt werden als ursächlich verknüpft und abhängig von einer Reihe von Erscheinungen, die sich unendlich in die Vergangenheit erstreckt, welche Vergangenheit selbst jedoch eben so wohl durch diese erste Gegenwart bedingt ist, als umgekehrt diese durch jene; so daß, wie die erste Gegenwart, so auch die Vergangenheit, aus der sie stammt, vom erkennenden Subjekt abhängig und ohne dasselbe nichts ist, jedoch die Nothwendigkeit herbeiführt, daß diese erste Gegenwart nicht als die erste, d.h. als keine Vergangenheit zur Mutter habend und als Anfang der Zeit, sich darstellt; sondern als Folge der Vergangenheit, nach dem Grunde des Seyns in der Zeit, und so auch die sie füllende Erscheinung als Wirkung früherer jene Vergangenheit füllender Zustände, nach dem Gesetz der Kausalität. – Wer mythologische Deuteleien liebt, mag als Bezeichnung des hier ausgedrückten Moments des Eintritts der dennoch anfangslosen Zeit die Geburt des Kronos (
chronos), des jüngsten Titanen, ansehn, mit dem, da er seinen Vater entmannt, die rohen Erzeugnisse des Himmels und der Erde aufhören und jetzt das Götter-und Menschengeschlecht den Schauplatz einnimmt.
Diese Darstellung, auf welche wir gekommen sind, indem wir dem konsequentesten der vom Objekt ausgehenden philosophischen Systeme, dem Materialismus, nachgiengen, dient zugleich die untrennbare gegenseitige Abhängigkeit, bei nicht aufzuhebendem Gegensatz, zwischen Subjekt und Objekt anschaulich zu machen; welche Erkenntniß darauf leitet, das Innerste Wesen der Welt, das Ding an sich, nicht mehr in einem jener beiden Elemente der Vorstellung, sondern vielmehr in einem von der Vorstellung gänzlich Verschiedenen zu suchen, welches nicht mit einem solchen ursprünglichen, wesentlichen und dabei unauflöslichen Gegensatz behaftet ist.
Dem erörterten Ausgehn vom Objekt, um aus diesem das Subjekt entstehn zu lassen, steht das Ausgehn vom Subjekt entgegen, welches aus diesem das Objekt hervortreiben will. So häufig und allgemein aber in aller bisherigen Philosophie jenes Erstere gewesen ist; so findet sich dagegen vom Letzteren eigentlich nur ein einziges Beispiel, und zwar ein sehr neues, die Schein-Philosophie des J. G. Fichte, welcher daher in dieser Hinsicht bemerkt werden muß, so wenig ächten Werth und Innern Gehalt seine Lehre an sich auch hatte, ja, überhaupt nur eine Spiegelfechterei war, die jedoch mit der Miene des tiefsten Ernstes, gehaltenem Ton und lebhaftem Eifer vorgetragen und mit beredter Polemik schwachen Gegnern gegenüber vertheidigt, glänzen konnte und etwas zu seyn schien. Aber der ächte Ernst, der, allen äußeren Einflüssen unzugänglich, sein Ziel, die Wahrheit, unverwandt im Auge behält, fehlte diesem, wie allen ähnlichen, sich in die Umstände schickenden Philosophen, gänzlich. Dem konnte freilich nicht anders seyn. Der Philosoph nämlich wird es immer durch eine Perplexität, welcher er sich zu entwinden sucht, und welche des Plato's thaumazein, das er ein mala philosophikon nennt, ist. Aber hier scheidet die unächten Philosophen von den ächten dieses, daß letzteren aus dem Anblick der Welt selbst jene Perplexität erwächst, jenen ersteren hingegen nur aus einem Buche, einem vorliegenden Systeme: dieses war denn auch Fichtes Fall, da er bloß über Kants Ding an sich zum Philosophen geworden ist und ohne dasselbe höchst wahrscheinlich ganz andere Dinge mit viel besserem Erfolg getrieben hätte, da er bedeutendes rhetorisches Talent besaß. Wäre er jedoch in den Sinn des Buches, das ihn zum Philosophen gemacht hat, die Kritik der reinen Vernunft, nur irgend tief gedrungen; so würde er verstanden haben, daß ihre Hauptlehre, dem Geiste nach, diese ist: daß der Satz vom Grunde nicht, wie alle scholastische Philosophie will, eine veritas aeterna ist, d.h. nicht eine unbedingte Gültigkeit vor, außer und über aller Welt habe; sondern nur eine relative und bedingte, allein in der Erscheinung geltende, er mag als nothwendiger Nexus des Raumes oder der Zeit, oder als Kausalitäts-, oder als Erkenntnißgrundes-Gesetz auftreten; daß daher das innere Wesen der Welt, das Ding an sich, nimmer an seinem Leitfaden gefunden werden kann; sondern alles, wozu dieser führt, immer selbst wieder abhängig und relativ, immer nur Erscheinung, nicht Ding an sich ist; daß er ferner gar nicht das Subjekt trifft, sondern nur Form der Objekte ist, die eben deshalb nicht Dinge an sich sind, und daß mit dem Objekt schon sofort das Subjekt und mit diesem jenes daist; also weder das Objekt zum Subjekt, noch