Название | Gesammelte Werke von Charles Darwin (Mit Illustrationen) |
---|---|
Автор произведения | Чарльз Дарвин |
Жанр | Математика |
Серия | |
Издательство | Математика |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027208876 |
Als nun die Stimme immer weiter und weiter benutzt wurde, werden die Stimmorgane weiter gekräftigt und in Folge des Princips der vererbten Wirkungen des Gebrauchs vervollkommnet worden sein; und dies wird wieder auf das Vermögen des Sprechens zurückgewirkt haben. Aber noch viel bedeutungsvoller ist ohne Zweifel die Beziehung zwischen dem fortgesetzten Gebrauch der Sprache und der Entwicklung des Gehirns gewesen. Die geistigen Fähigkeiten müssen bei irgend einem frühen Vorfahren des Menschen viel höher entwickelt gewesen sein, als bei irgend einem jetzt lebenden Affen, selbst bevor die unvollkommenste Form der Rede hat in Gebrauch kommen können. Wir können aber zuversichtlich annehmen, daß der beständige Gebrauch und die weitere Entwicklung dieses Vermögens dadurch auf die Seele zurückgewirkt haben wird, daß sie dieselbe in den Stand setzte und ermuthigte, lange Gedankenzüge zu durchdenken. Ein langer und complexer Gedankenzug kann ebensowenig ohne die Hülfe von Worten durchgeführt werden, mögen sie gesprochen werden oder stumm bleiben, wie eine genaue Berechnung ohne den Gebrauch von Zahlen oder der Algebra. Es scheint auch, als wenn selbst die gewöhnlichen Gedankenreihen irgend eine Form von Sprache fast erforderten oder durch eine solche erleichtert wurden; denn das taubstumme und blinde Mädchen Laura Bridgman gebrauchte ihre Finger, als man sie beobachtete, während sie träumte.213 Nichtsdestoweniger kann auch eine lange Reihenfolge von lebendigen und zusammenhängenden Ideen durch die Seele ziehen ohne die Hülfe von irgend einer Form von Sprache, wie wir aus den langen Träumen von Hunden schließen können. Wir haben auch gesehen, daß Thiere im Stande sind, bis zu einem gewissen Grade nachzudenken, und dies offenbar ohne die Hülfe der Sprache. Der innige Zusammenhang zwischen dem Gehirn, wie es jetzt bei uns entwickelt ist, und der Fähigkeit der Sprache zeigt sich deutlich in jenen merkwürdigen Fällen von Gehirnerkrankung, bei denen die Sprache besonders afficiert ist, wie in dem Falle, wo das Vermögen, sich substantiver Wörter zu erinnern, verloren ist, während andere Wörter völlig correct gebraucht werden können, oder wo Substantiva einer gewissen Classe, oder alle Substantiva und Eigennamen mit Ausnahme ihrer Anfangsbuchstaben vergessen sind.214 In der Annahme, daß der fortgesetzte Gebrauch der Stimmorgane und der geistigen Organe zu erblichen Veränderungen in ihrem Bau und ihren Functionen führe, liegt nicht mehr Unwahrscheinliches als in der gleichen Annahme für die Form der Handschrift, welche zum Theil von der Bildung der Hand, zum Theil von der Geistesbeschaffenheit abhängt; und die Form der Handschrift wird sicher vererbt.215
Mehrere Schriftsteller, besonders Prof. Max Müller,216 haben neuerdings behauptet, der Gebrauch der Sprache setze das Vermögen voraus, allgemeine Begriffe zu bilden; und daß, da vermeintlich kein Thier dies Vermögen besitze, hierdurch eine unübersteigliche Schranke zwischen ihnen und dem Menschen gezogen sei.217 Was die Thiere betrifft, so habe ich bereits zu zeigen versucht, daß sie diese Fähigkeit, wenigstens in einem rohen und beginnenden Grade besitzen. Und was Kinder im Alter von zehn bis elf Monaten und Taubstumme betrifft, so scheint es mir unglaublich, daß sie im Stande sein sollten, gewisse Laute mit gewissen allgemeinen Ideen mit der Schnelligkeit, mit der es geschieht, in Verbindung zu bringen, wenn nicht solche Ideen in ihrer Seele bereits gebildet wären. Dieselbe Bemerkung kann auf die intelligenteren Thiere ausgedehnt werden. So bemerkt Mr. Leslie Stephen:218 »Ein Hund bildet einen allgemeinen Begriff von Katze oder Schaf und kennt das entsprechende Wort so gut wie ein Philosoph. Und die Fähigkeit zu verstehen ist ein ebenso guter, wenn auch dem Grade nach niedrigerer Beweis für vocale Intelligenz, wie die Fähigkeit zu sprechen«.
Warum die jetzt für die Sprache benutzten Organe ursprünglich schon zu diesem Zweck vervollkommnet sein sollten, und zwar eher als irgend andere Organe, ist nicht schwer einzusehen. Ameisen haben ein ziemlich beträchtliches Vermögen, sich mit Hülfe ihrer Antennen unter einander verständlich zu machen, wie Huber gezeigt hat, welcher ein ganzes Capitel der Sprache der Ameisen widmet. Wir könnten auch unsere Finger als passende Hülfsmittel benutzt haben, denn eine hierin geübte Person kann einem Tauben jedes Wort einer in einer öffentlichen Versammlung schnell gehaltenen Rede auf diese Weise mittheilen; der Verlust unserer Hände würde aber bei einem solchen Gebrauche eine sehr bedenkliche Störung gewesen sein. Da alle höheren Säugethiere Stimmorgane besitzen, welche nach demselben allgemeinen Plan wie die unseren gebaut sind und welche als Mittel der Mittheilung benutzt werden, so war es offenbar wahrscheinlich, daß, wenn das Vermögen der Mittheilung weiter entwickelt werden sollte, diese selben Organe noch weiter entwickelt werden würden; und dies ist durch Zuhülfenahme der benachbarten und gut angepaßten Theile bewirkt worden, nämlich der Zunge und der Lippen.219 Die Thatsache, daß die höheren Affen ihre Stimmorgane nicht zur Sprache benutzen, erklärt sich ohne Zweifel dadurch, daß ihre Intelligenz nicht hinreichend entwickelt worden ist. Der Umstand, daß sie dieselben Organe besitzen, welche bei lange fortgesetzter Übung zur Sprache hätten benutzt werden können, obschon sie sie nicht in dieser Weise benutzen, ist dem Falle parallel, daß viele Vögel, welche Singorgane besitzen, trotzdem doch niemals singen. So haben die Nachtigall und die Krähe ähnlich gebaute Stimmorgane; die Erstere benutzt dieselben zu mannichfaltigem Gesänge, die Letztere nur zum Krächzen.220 Wenn man fragt, warum der Intellect der Affen nicht in demselben Grade entwickelt ist wie der des Menschen, so kann die Antwort nur die Bezeichnung allgemeiner Ursachen enthalten. Bedenkt man unsere Unwissenheit in Bezug auf die aufeinanderfolgenden Entwicklungsstufen, welche jedes Wesen durchlaufen hat, so ist es unverständig, irgend eine bestimmtere Antwort zu erwarten.
Die Bildung verschiedener Sprachen und verschiedener Species und die Beweise, daß beide durch einen stufenweise fortschreitenden Gang entwickelt worden sind, beruhen auf in merkwürdiger Weise gleichen Grundlagen.221 Wir können aber den Ursprung vieler Wörter weiter zurück verfolgen, als den Ursprung der Arten, denn wir können wahrnehmen, wie sie factisch aus der Nachahmung verschiedener Laute entstanden sind. In verschiedenen Sprachen finden wir auffallende Homologien, welche Folgen der Gemeinsamkeit der Abstammung sind, und Analogien, welche Folgen eines ähnlichen Bildungsprocesses sind. Die Art und Weise, in welcher gewisse Buchstaben oder Laute abändern, wenn andere abändern, erinnert sehr an Correlation des Wachsthums; wir finden in beiden Fällen Verdoppelung von Theilen, die Wirkung lange fortgesetzten Gebrauchs u. s. w. Das häufige Vorkommen von Rudimenten sowohl bei Sprachen als bei Species ist noch merkwürdiger. Der Buchstabe m in dem englischen Worte » am« bedeutete »ich«, so daß in dem Ausdruck I am ein überflüssiges und nutzloses Rudiment beibehalten worden ist. Auch beim Schreiben von Wörtern werden oft Buchstaben als Rudimente älterer Formen der Aussprache beibehalten. Sprachen können wie organische Wesen in Gruppen classificiert werden, die anderen Gruppen untergeordnet sind, und man kann sie entweder natürlich nach ihrer Abstammung oder künstlich nach anderen Charakteren classificieren. Herrschende Sprachen und Dialecte verbreiten sich weit und führen allmählich zur Ausrottung anderer Sprachen. Ist eine Sprache einmal ausgestorben, so erscheint sie, wie Sir. C. Lyell bemerkt, gleich einer Species niemals wieder. Ein und dieselbe Sprache hat nie zwei Geburtsstätten. Verschiedene Sprachen können sich kreuzen oder mit einander verschmelzen.