Название | Gesammelte Werke |
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Автор произведения | Heinrich Mann |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783869923963 |
„Leute! Da ihr meine Untergebenen seid, will ich euch nur sagen, daß hier künftig forsch gearbeitet wird. Ich bin gewillt, mal Zug in den Betrieb zu bringen. In der letzten Zeit, wo hier der Herr gefehlt hat, da hat mancher von euch vielleicht gedacht, er kann sich auf die Bärenhaut legen. Das ist aber ein gewaltiger Irrtum, ich sage das besonders für die alten Leute, die noch von meinem seligen Vater her dabei sind.“
Mit erhobener Stimme, noch schneidiger und abgehackter; und dabei sah er den alten Sötbier an:
„Jetzt habe ich das Steuer selbst in die Hand genommen. Mein Kurs ist der richtige, ich führe euch herrlichen Tagen entgegen. Diejenigen, welche mir dabei behilflich sein wollen, sind mir von Herzen willkommen; diejenigen jedoch, welche sich mir bei dieser Arbeit entgegenstellen, zerschmettere ich.“
Er versuchte, seine Augen blitzen zu lassen, sein Schnurrbart sträubte sich noch höher.
„Einer ist hier der Herr, und das bin ich. Gott und meinem Gewissen allein schulde ich Rechenschaft. Ich werde euch stets mein väterliches Wohlwollen entgegenbringen, Umsturzgelüste aber scheitern an meinem unbeugsamen Willen. Sollte sich ein Zusammenhang irgendeines von euch –“
Er faßte den schwarzbärtigen Maschinenmeister ins Auge, der ein verdächtiges Gesicht machte.
„– mit sozialdemokratischen Kreisen herausstellen, so zerschneide ich zwischen ihm und mir das Tischtuch. Denn für mich ist jeder Sozialdemokrat gleichbedeutend mit Feind meines Betriebes und Vaterlandsfeind ... So, nun geht wieder an eure Arbeit und überlegt euch, was ich euch gesagt habe.“
Er machte schroff kehrt und ging schnaufend davon. In dem Schwindelgefühl, das seine starken Worte ihm erregt hatten, erkannte er kein einziges Gesicht mehr. Die Seinen folgten ihm, bestürzt und ehrfurchtsvoll, indes die Arbeiter einander noch lange stumm ansahen, bevor sie nach den Bierflaschen griffen, die zur Feier des Tages bereitstanden.
Droben legte Diederich vor Mutter und Schwestern seine Pläne dar. Die Fabrik war zu vergrößern, das hintere Nachbarhaus anzukaufen. Man mußte konkurrenzfähig werden. Der Platz an der Sonne! Der alte Klüsing, draußen in der Papierfabrik Gausenfeld, bildete sich wohl ein, er werde ewig das ganze Geschäft machen?... Endlich tat Magda die Frage, woher er denn das Geld nehmen wolle; aber Frau Heßling schnitt ihr das vorlaute Wort ab. „Dein Bruder weiß das besser als wir.“ Vorsichtig setzte sie hinzu: „Manches Mädchen wäre glücklich, wenn sie sein Herz gewinnen könnte“ – und sie hielt, seines Zornes gewärtig, die Hand vor den Mund. Aber [pg 113]Diederich errötete nur. Da wagte sie, ihn zu umarmen. „Es wäre mir ja ein so entsetzlicher Schmerz,“ schluchzte sie, „wenn mein Sohn, mein lieber Sohn, aus dem Hause ginge. Für eine Witwe ist es doppelt schwer. Die Frau Oberinspektor Daimchen kriegt es nun auch zu fühlen, denn ihre Guste heiratet ja den Wolfgang Buck.“
„Oder auch nicht“, sagte Emmi, die Ältere. „Denn der Wolfgang soll doch was mit einer Schauspielerin haben.“ Frau Heßling vergaß ganz, die Tochter zu berufen. „Aber wo doch so viel Geld da ist! Eine Million, sagen die Leute!“
Diederich stieß verachtungsvoll hervor, den Buck kenne er, der sei nicht normal. „Es liegt wohl in der Familie. Der Alte hat doch auch schon eine Schauspielerin geheiratet.“
„Man sieht die Folgen“, sagte Emmi. „Denn von seiner Tochter, der Frau Lauer, hat man sich allerlei erzählt.“
„Kinder!“ bat Frau Heßling ängstlich. Aber Diederich beruhigte sie.
„Laß nur, Mutter, es wird Zeit, daß man der Katze die Schelle umhängt. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß die Bucks ihre Stellung hier in der Stadt schon längst nicht mehr verdienen. Sie sind eine verrottete Familie.“
„Die Frau von Moritz, dem Ältesten,“ sagte Magda, „ist einfach eine Bäuerin. Neulich waren sie mal in der Stadt, er ist auch schon ganz verbauert.“ Emmi empörte sich.
„Na, und der Bruder des alten Herrn Buck? Immer elegant, und die fünf unverheirateten Töchter! Sie lassen sich Suppe aus der Volksküche holen, ich weiß es positiv.“
„Die Volksküche hat ja der Herr Buck gegründet“, erklärte Diederich. „Und die Fürsorge für die entlassenen Sträflinge auch, und was sonst noch. Ich möchte wissen, wann er eigentlich Zeit hat, an seine eigenen Geschäfte zu denken.“
„Es würde mich nicht wundern,“ sagte Frau Heßling, „wenn nicht mehr viel da wäre. Obwohl ich vor dem Herrn Buck natürlich die größte Hochachtung habe, er ist doch so angesehen.“
Diederich lachte bitter. „Warum eigentlich? In der Verehrung des alten Buck sind wir aufgezogen worden. Der große Mann von Netzig! Im Jahre achtundvierzig zum Tode verurteilt!“
„Das ist aber auch ein historisches Verdienst, sagte dein Vater immer.“
„Verdienst?“ schrie Diederich. „Wenn ich nur weiß, einer ist gegen die Regierung, ist er für mich schon erledigt. Und Hochverrat soll ein Verdienst sein?“
Und er stürzte sich, vor den erstaunten Frauen, in die Politik. Diese alten Demokraten, die noch immer das Regiment führten, waren nachgerade die Schmach von Netzig! Schlapp, unpatriotisch, mit der Regierung zerfallen! Ein Hohn auf den Zeitgeist! Weil im Reichstag der alte Landgerichtsrat Kühlemann saß, ein Freund des berüchtigten Eugen Richter, darum stockte hier das Geschäft, und niemand kriegte Geld. Natürlich, für so ein freisinniges Nest gab es weder Bahnanschlüsse noch Militär. Kein Zuzug, kein Betrieb! Die Herren im Magistrat, immer dieselben paar Familien, das kannte man, die schoben sich untereinander die Aufträge zu, und für andere Leute war nichts da. Die Papierfabrik Gausenfeld hatte sämtliche Lieferungen an die Stadt, denn auch ihr Besitzer Klüsing gehörte zu der Bande des alten Buck!
Magda wußte noch etwas. „Neulich ist die Liebhabervorstellung im Bürgerkränzchen abgesagt worden, weil dem Herrn Buck seine Tochter, Frau Lauer, krank war. Das ist doch Popismus.“
„Nepotismus heißt es“, sagte Diederich streng. Er rollte die Augen. „Und dabei ist der Herr Lauer ein Sozialist. Aber der Herr Buck mag sich hüten! Wir werden ihm auf die Finger sehen!“
Frau Heßling hob flehend die Hände. „Mein lieber Sohn, wenn du jetzt in der Stadt deine Besuche machst, versprich mir, daß du auch zum Herrn Buck gehst. Er ist nun mal so einflußreich.“
Aber Diederich versprach nichts. „Andere wollen auch ’ran!“ rief er.
Trotzdem schlief er in dieser Nacht unruhig. Schon um sieben ging er in die Fabrik hinunter und schlug sofort Lärm, weil noch die Bierflaschen von gestern umherlagen. „Hier wird nicht gesoffen, hier ist keine Kneipe. Herr Sötbier, das steht doch wohl im Reglement.“ – „Reglement?“ sagte der alte Buchhalter. „Wir haben gar keins.“ Diederich war sprachlos; er schloß sich mit Sötbier ins Kontor ein. „Kein Reglement? Dann wundert mich allerdings gar nichts mehr. Was sind das für lächerliche Bestellungen, mit denen Sie sich da abgeben?“ – und er warf die Briefe auf dem Pult umher. „Es scheint höchste Zeit gewesen zu sein, daß ich eingreife. Das Geschäft versumpft in Ihren Händen.“
„Versumpfen, junger Herr?“
„Ich bin für Sie der Herr Doktor!“ Und er verlangte, daß man einfach alle anderen Fabriken unterbieten solle.
„Das halten wir nicht aus“, sagte Sötbier. „Überhaupt wären wir gar nicht imstande, so große Aufträge auszuführen wie Gausenfeld.“
„Und Sie wollen ein Geschäftsmann sein? Dann stellen wir eben mehr Maschinen ein.“
„Das