Worauf die Affen warten - Krimi. Yasmina Khadra

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Название Worauf die Affen warten - Krimi
Автор произведения Yasmina Khadra
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788726355086



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Kommissarin?«

      Nora findet die Ausdrucksweise ihres Untergebenen unsäglich. Aber sie verzieht nur missbilligend das Gesicht.

      »Ihr Körper wurde beim Herabstürzen verunstaltet«, entgegnet sie. »Aber die Wunde auf der Brust ist dafür viel zu groß. Das sieht nicht nach einem stumpfen Gegenstand aus, und auch nicht nach einem Aufprall. Das Fleisch ist nach außen umgestülpt. Erinnert mehr an einen tiefen Biss. Vielleicht von einem streunenden Hund ...«

      »Oder von einem Schakalwelpen.«

      »Leutnant, Ihr Humor klingt sehr zynisch. Humor ist hier fehl am Platz, geschweige denn Zynismus.«

      »Es ist doch nicht verboten, geistreich zu sein.«

      »Vorausgesetzt, man hat so etwas wie Geist.«

      Nora richtet sich auf, um ihrem Untergebenen gegenüberzutreten. Sie ist eine hochgewachsene Brünette mit kurzgeschnittenem Haarschopf und wachem Blick. Von hinten könnte man sie für einen Mann halten. So um die fünfzig, mit runden Schultern, ist sie immer noch schön und begehrenswert. In der Einheit, die sie seit gut zwei Jahren befehligt und in der sich Sexbolzen und Hitzköpfe tummeln, entfesselt sie Männerfantasien und männlichen Argwohn zugleich. Wer als Frau in einer phallokratischen Gesellschaft einer Männerriege vorsteht, fühlt sich schnell wie ein weiblicher Sisyphus, der ohne Ende Probleme wälzt. Wie oft hat sie einen Untergebenen nicht schon dabei ertappt, wie er auf ihr Hinterteil schielte, während sie gerade die Marschrichtung vorgab? Wie oft hat ihre üppige Oberweite nicht schon ihre Kollegen mitten im Briefing aus dem Konzept gebracht? Sanktionen verschaffen ihr für eine Woche etwas Ruhe vor ein oder zwei Perversen, dann bricht die Natur mit Macht wieder durch. Nora weiß, dass die geringste Nachgiebigkeit bei dieser Art zwischenmenschlicher Beziehungen rasch ins Bodenlose führt. Doch gegen manch pathologische Verirrung ist leider kein Kraut gewachsen.

      Die Macho-Mentalität ist so beinhart wie ein Echsenpanzer. Und so festgezurrt wie eine Zwangsjacke. In Algerien gibt es ein Sprichwort, demzufolge ein störrischer Esel häufig den Sieg über den härtesten Knochen davonträgt. Nora stellt täglich auf ihre Kosten fest, dass das stimmt. Sie kann noch so sehr wettern und verwarnen, nachsitzen lassen oder vorübergehend des Dienstes entheben, am Ende siegt doch die Impertinenz, und von Mal zu Mal wird es dreister. Der Leutnant hat das Wort »Titte« nicht zufällig in den Mund genommen. Jede deplatzierte Bemerkung geschieht in voller Absicht. Ist Teil eines wohldosierten Psychoterrors. Mit der Zeit bröselt die entschlossenste Geduld, und frau gelangt in einen Zustand heilsamer Resignation. Frau sagt sich, so ist es nun einmal, und damit basta. Zwar schafft es das Problem nicht aus der Welt, aber es raubt den Giftpfeilen ihre Spitze.

      Brigadier Tayeb nähert sich, mit einem Beutel in der Hand. Er ist gedrungen, schlampig gekleidet, schlecht rasiert. Seine Treter haben seit dem Tag, als er sie gekauft hat, keine Bürste mehr gesehen. Nora kann ihn gut leiden. Zwar macht er nichts her, aber er ist gehorsam und effizient und erledigt seinen Job mit großer Professionalität. Seine Kollegen foppen ihn, weil er so gewissenhaft ist. Für sie ist er weiter nichts als ein Speichellecker, der von einer »Tusse« mit höherem Dienstgrad am Nasenring vorgeführt wird.

      »Wir haben am Straßenrand Splitter eines Rücklichts gefunden. Der Fahrer muss beim Rangieren am Rand der Schlucht gegen ein Hindernis gestoßen sein.«

      »Und am Rand der Fahrbahn befinden sich Reifenspuren.«

      »Für einen Abdruck sind sie zu schwach«, erklärt der Brigadier. »Aber wir haben die Maße genommen. Der Breite der Spur nach zu urteilen, könnte es sich um ein Allradfahrzeug oder eine dicke Limousine handeln.«

      »Vergiss nicht das Laken, das im Geäst hängt. Damit wurde die Leiche vermutlich eingewickelt. Lass es einen unserer Leute da herunterholen, aber so, dass eventuelle DNA-Spuren nicht verwischt werden.«

      »Klar, Frau Kommissarin.«

      »Zeugen haben wir keine?«

      »Nein«, mischt der Leutnant sich ein, der den Brigadier mit einer Handbewegung entlässt. »Ein Waldarbeiter hat die Tote gefunden ...«

      Nora hört ihm nicht zu. Sie lässt ihren Blick nach oben schweifen, zur Asphaltstraße, wo Polizeiautos mit blinkendem Blaulicht im Leerlauf hecheln, und bedauert die Hektik der Kollegen, die die spärlichen Indizien am Tatort zertrampeln. In ihrer Nähe scherzen die Bahrenträger und der Fahrer des Rettungswagens, während sie wie die Schlote qualmen. Der Kleinere, ein magerer, nervöser Kerl, erzählt gerade von der wilden Partynacht, die hinter ihm liegt:

      »Da war so ein fetter Fleischberg vor mir, der nur so nach Schweiß stank. Und zwar so gewaltig, dass es mir in die Augen stach. Ein paar von den Jungs machten sich lustig über ihn: ›Zeig uns, was in dir steckt, Jimi Hendrix!‹, schrien sie ihm zu, und er, er hielt sich echt für einen Star. Er schüttelte seine Mähne in alle Richtungen, schnitt die schlimmsten Grimassen und bäumte sich mit seiner Gitarre auf. Das Teil jaulte unter seinen Pfoten wie ein Verdächtiger, der von einem Geheimagenten in die Mangel genommen wird. Und ich schwöre euch, jeder falsche Ton, den er aus der Gitarre kratzte, fühlte sich an, als risse man mir mit der Pinzette ein Arschhaar aus.«

      Seine Kollegen schütten sich aus vor Lachen. Die Tote in ihrer Nähe stört sie nicht. Da haben sie schon ganz andere Dinge gesehen. Tausende von Toten währen des Schwarzen Jahrzehnts. Und auf Algiers Straßen, auf denen Verkehrsrowdys und Alkoholisierte Rodeo spielen. Für sie ist ein lebloser Körper, egal ob unversehrt oder übel zugerichtet, nur ein Objekt, das nicht an seinem Platz ist. Und ihr Job ist es, das Objekt dorthin zu befördern, wo es hingehört, in das Kältefach der Leichenkammer. Die Routine hat ihre Seele abgestumpft. Sie sind nur noch Automaten. Ihr Gelächter gleicht dem Knirschen eines Getriebes, das man zu schmieren vergessen hat.

      Nora blickt erneut zur Straße hoch, lässt den Blick auf dem Stück Erdreich verweilen, das zum Felsvorsprung führt, und versucht sich vorzustellen, welches wohl die Flugbahn der Leiche war, die offensichtlich von dort aus herabgeworfen wurde. Der oder die Übeltäter dürften den Abgrund zur Linken anvisiert haben, der schwer zugänglich ist, denn wenn die Leiche in die dichte Vegetation fünfzehn Meter unterhalb des Felsvorsprungs gefallen wäre, hätte kein Mensch sie entdeckt. Offensichtlich hat das Laken, das in den Zweigen hängengeblieben ist, dann den Körper freigegeben und dessen ursprüngliche Wurfbahn nach rechts umgelenkt. Die Leiche ist dann wohl auf die Erdkuppe aufgeschlagen, einen Ziegenpfad hinuntergepoltert und zuletzt gegen den Fuß des Felsens geprallt. In der Dunkelheit haben der oder die Übeltäter das vermutlich nicht bemerkt, oder vielleicht hatten sie es auch nur eilig, davonzukommen.

      »Ein paar hundert Meter von hier steht eine Hütte«, meint der Leutnant. »Man könnte da ja mal hingehen und fragen, ob jemand etwas gesehen oder gehört hat.«

      »Tja, hm, naja ...«, macht die Kommissarin, eher nicht so begeistert, bevor sie den Sanitätern ein Zeichen gibt, den Körper des Mädchens abzutransportieren.

      Der Leutnant kratzt sich im Schritt und marschiert verärgert auf sein Dienstfahrzeug zu, »tja, hm, naja ...« vor sich hin grummelnd.

      4.

      Das Taxi hält vor einer Art Herrenhaus, das sich inmitten eines großen, palmenbestandenen Gartens erhebt. Durch das schmiedeeiserne Tor sind ein Springbrunnen aus Stuck zu erkennen und eine mit rosa Kies bestreute, von Hortensien gesäumte Allee. Eine Freitreppe aus Granit führt unter dichtem Blattwerk auf eine Veranda mit frisch gestrichener Balustrade. Ein Schwarzer mit Turban gießt gerade Blumen. Mit seinem seidig glänzenden Gewand und seinen Babuschen wirkt er wie ein Geist aus Tausendundeiner Nacht.

      Ed Dayem betrachtet einen Augenblick lang das prächtige Anwesen – das in einem früheren Leben die offizielle Residenz eines französischen Gouverneurs war –, dann springt er auf den Bürgersteig. Er zieht zwei Scheine aus seiner Tasche und reicht sie dem Chauffeur:

      »Das Kleingeld kannst du behalten.«

      »Welches Kleingeld, Brüderchen?«, schreit der Taxifahrer. »Das sind höchstens mal 80 Centime.«

      »Behalt sie trotzdem. Gott wird es mir vergelten.«

      »Wie soll ich