Название | Wo die wilden Maden graben |
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Автор произведения | Nagel |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783955756017 |
Nagel
Wo die wilden Maden graben
Nagel, 1976 geboren, Mitte der 80er mit dem Schreiben begonnen: zunächst Artikel über erfundene Bands mit sich selbst als Frontmann, dann acht Ausgaben eines der einflussreichsten Punk-Fanzines der 90er (»Wasted Paper«), 13 Jahre Song- und Textwriting für Muff Potter und 15 Jahre Tagebuch, mit »Wo die wilden Maden graben« das erste Buch.
Das letzte Kapitel des Buches (4. Woche,
7. Tag) besteht aus zwei Muff-Potter-Texten:
»alles was ich brauch« (Nagel, 2005) und
»I love fahrtwind« (Dennis Scheider, 2000)
© Ventil Verlag KG, Mainz 2007
Alle Rechte vorbehalten.
ISBN: 978-3-931555-80-1
eISBN: 978-3-95575-601-7
Lektorat: Jonas Engelmann, Jörn Morisse
Cover: Oliver Schmitt unter Verwendung eines Fotos von ©steh.de (Sandra Steh)
Ventil Verlag
Boppstraße 25, 55118 Mainz
»You can’t know about everything, only pleasure and pain.« (Cock Robin, »Just Around the Corner«)
Inhalt
Dies war meine zwölfte oder fünfzehnte, je nachdem wie man zählt vielleicht sogar zwanzigste Tour mit einer, meist meiner, Punkrockband. Hunderte von Einzelkonzerten und Festivals nicht mitgerechnet. Ich war in PKW auf Tour, manchmal zu fünft mit den Gitarren auf den Knien, in klapprigen Bussen mit Löchern in den Türen, in nicht mehr so klapprigen Bussen mit 220-Volt-Stromanschluss, DVD-Player und Fernseher, in Bullis, Sprintern, Zügen und Nightlinern. Man könnte meinen, ich sei nicht nur im Losfahren, sondern auch im Heimkommen ein alter Hase, aber ich stürze jedes Mal wieder völlig unvorbereitet in den Alltag zu Hause. In einen Alltag, der in meinem Fall die Ausnahmesituation ist, denn Alltag, das ist Tour: siebzehn Uhr Soundcheck, neunzehn Uhr Essen, zwanzig Uhr Türen auf, einundzwanzig Uhr Warmsingen, zweiundzwanzig Uhr auf die Bühne, halb zwölf Saufen, hier der Plan zum Hotel, du hast ein Zimmer mit Mario, Frühstück gibt’s bis um zehn, Abfahrt um elf.
Gestern sind wir zurückgekommen. Vier Wochen Deutschland, Österreich, Schweiz. Auf der Rückfahrt gab es noch die üblichen Scherze:
»Mist, ab morgen müssen wir fürs Bier wieder bezahlen!«
»Wo sind denn all die nach Zugaben schreienden Mädchen plötzlich hin!«
»Scheiße, wie soll ich mich nur zurechtfinden ohne den Zeitplan der Tourneeleitung: siebzehn Uhr Soundcheck, neunzehn Uhr Essen, zwanzig Uhr Türen auf, einundzwanzig Uhr Warmsingen, zweiundzwanzig Uhr auf die Bühne, halb zwölf Saufen …«
Auf jede dieser Bemerkungen folgte raues Gelächter, aber jeder, der schon mal auf einer längeren Tournee war, weiß, wie viel Wahrheit hinter diesen nur scheinbar scherzhaften Sätzen steckt. Und so geisterte auf der Fahrt nach Hause eine seltsame, unartikulierte Melancholie durch den Tourbus.
Oft streitet man sich auch plötzlich, farzt sich an, meist wegen Kleinigkeiten.
»Und was mir schon die ganze Zeit auf den Sack geht – dass du immer so laut gähnen musst!«
»Und du stellst ständig deine scheiß Tasche auf Stühle oder Sofas, damit sich da bloß niemand mehr hinsetzen kann!«
Alle sind nervös und aufgewühlt, gleichzeitig ausgepowert, und jeder geht anders damit um.
Manchmal sind Menschen dabei, die noch nie länger mit einer Band unterwegs waren.