Die Melodie unserer Zukunft. Anne Barwell

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Название Die Melodie unserer Zukunft
Автор произведения Anne Barwell
Жанр Языкознание
Серия BELOVED
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783958238510



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da wir das geklärt haben, sagst du uns jetzt, was wirklich los ist?« Darin sprach beiläufig, aber er warf Joel einen vertrauten Blick zu. Marcus hatte ihn einige Male gesehen, einmal als er Darin erklärt hatte, dass er ihn umbringen würde, wenn er seiner Schwester das Herz brach.

      Darin hatte ihm diesen Blick zugeworfen – eine Mischung aus Unglauben und Ich werde deinen Bullshit nicht hinnehmen –, bevor er ihn hinter einem Lachen verborgen hatte. Dann hatte er Marcus gesagt, dass er Ella von ganzem Herzen liebte und wenn jemand sie verletzte, würde es nicht Marcus sein, um den derjenige sich sorgen müsste.

      Joel warf Marcus einen Blick zu und sagte nichts.

      »Soll ich gehen?«, fragte Marcus. »Ich werde es nicht persönlich nehmen, wenn du vor mir lieber nicht über ein privates Thema sprechen möchtest.« Er hob die Schultern. »Immerhin kennst du mich nicht so gut.«

      »Ich will dich nicht damit belasten –«, begann Joel.

      »Ich gehe das Eis für den Nachtisch holen«, sagte Isabel fröhlich. »Onkel Marcus, hilfst du mir?« Sie warf ihrer Mutter einen Blick zu. »Wir haben Eis, oder? Ich habe gestern Abend welches im Tiefkühlfach gesehen. Onkel Marcus?«

      Marcus zögerte. Er hatte es ernst gemeint, als er gesagt hatte, dass er gehen würde, falls Joel über etwas Privates sprechen wollte, aber er zog es vor, Joel die Entscheidung zu überlassen. Manchmal konnte es hilfreich sein, die Perspektive eines Außenstehenden auf eine Situation zu hören. »Joel?«

      »Deine Entscheidung.« Joel zuckte mit den Schultern. »Eis klingt wunderbar, Issy. Danke.«

      »Ich bleibe«, sagte Marcus.

      Joel wartete, bis Isabel den Raum verlassen hatte. »Sorry«, sagte er. »Ich wollte später darüber sprechen, aber ich bin seit gestern ziemlich neben der Spur und es sieht so aus, als könnte es nicht warten.«

      Darin nickte. Weder er noch Ella sagten etwas, also schwieg Marcus ebenfalls.

      »Ich bin gestern Abend im Supermarkt mit jemandem zusammengestoßen.« Joel atmete tief durch. »Bin wortwörtlich mit meinem Einkaufswagen in sie reingefahren. Ich habe mich entschuldigt und bin natürlich sofort rückwärts gegangen, aber...«

      »Aber?«, fragte Ella sanft nach, als Joel ins Schweigen verfiel.

      »Molly Wakeman war die Sekretärin meines Vaters, als ich ein Kind war.« Joel trank einen großen Schluck Wasser. »Sie hat mich sofort erkannt und eine Unterhaltung angefangen, als hätten wir uns erst gestern gesehen.«

      Marcus runzelte die Stirn. Er verstand nicht, wo das Problem war. »Sie klingt wie eine nette Dame«, sagte er langsam.

      »Ja, das ist sie.« Joel biss sich auf die Lippe. Er sah Marcus an und musterte dann seinen Teller, als hätte Marcus etwas sehr Falsches gesagt. »Mein Dad und ich haben seit Jahren nicht mehr miteinander gesprochen«, sagte er und mied Marcus' Blick weiterhin. »Er hat mich aus seinem Haus – und seinem Leben – geworfen, als ich ihm gesagt habe, dass ich schwul bin.«

      »Das tut mir so leid.« Marcus war nicht sicher, was er sonst sagen sollte. Er hatte von anderen gehört, die ähnliche Erlebnisse durchgemacht hatten, aber seine eigenen Eltern hatten seine Sexualität akzeptiert und waren immer sehr freundlich zu seinen Partnern gewesen, die er ihnen vorgestellt hatte. Verdammt, sie behandelten selbst Garth noch immer, als würde er zur Familie gehören. »Das muss... schwierig gewesen sein«, fügte er schließlich hinzu, mehr um die Stille zu brechen als alles andere.

      »Claude – Joels Dad – hat sich bei der ganzen Sache wie ein echtes Arschloch verhalten«, sagte Darin. »Er ist ein sehr sturer Mann, ganz wie sein Sohn.«

      Joel stieß einen Atemzug aus. »Wusstest du, dass mein Dad Herzprobleme hat?«, fragte er Darin.

      »Scheiße, nein.« Darin sah aus, als hätte Joels Frage ihn überrascht. »Woher sollte ich das wissen? Ich rede nicht mit ihm. Du hast mich gebeten, es nicht zu tun, also mache ich es nicht.«

      »Er ist okay, oder?«, fragte Ella. Sie klang nachdenklich. »Vielleicht ist es Zeit, dass ihr zwei die Vergangenheit hinter euch lasst und über alles sprecht.«

      »Bernadette hat nichts gesagt, als wir vor ein paar Tagen telefoniert haben.« Joel klang eher wütend als aufgewühlt. »Scheiße, warum verschweigt meine Schwester mir so etwas? Er ist immer noch mein Dad, selbst wenn er sich nicht so verhält. Ich habe nicht erwartet, so etwas von jemandem zu erfahren, den ich seit Jahren nicht mehr gesehen habe.« Er schob seinen Stuhl zurück. »Sorry. Ich bin gleich wieder da, okay?«

      »Gebt ihm ein paar Minuten und dann geh ich ihm nach«, sagte Darin. »Sorry, Marcus. Joel gehört zu den Männern, die ihr Herz auf der Zunge tragen, und trotz allem ist Claude immer noch...«

      »Er ist immer noch sein Vater«, beendete Marcus den Satz, als Darin verstummte. »Es gibt keinen Grund, sich zu entschuldigen. Wäre ich an seiner Stelle, wäre ich ziemlich durcheinander.«

      »Ja, ich auch.« Darin seufzte und stand vom Esstisch auf. »Esst zu Ende. Joel wird nicht weit weg sein.«

      »Es ist okay«, sagte Marcus. »Lasst euch Zeit.« Er trank einen Schluck Wasser und schüttelte den Kopf. »Armer Kerl«, murmelte er.

      »Ja«, sagte Ella. »Ich habe Joel kennengelernt, als er und Darin schon zusammengewohnt haben, aber immer wenn etwas mit seiner Familie passiert, ist er fertig mit der Welt. Es ist wirklich eine Schande. Joel ist ein echt netter Mann und würde alles für andere tun. Er verdient es nicht, so behandelt zu werden.«

      »Niemand verdient es, so behandelt zu werden.« Marcus wünschte, er könnte etwas tun, um zu helfen. Joel schienen seine Schüler wirklich wichtig zu sein und er wirkte wie ein anständiger Mann. Marcus hatte genug von Menschen, die das eine sagten und etwas ganz anderes taten. Joel war eine erfrischende Abwechslung zu diesem ganzen Mist und zu sehen, wie er litt, zerriss Marcus das Herz.

      »Ja, ich weiß«, sagte Ella. »Ich habe versucht, ihn zu überzeugen, mit seinem Dad zu sprechen und ihm noch eine Chance zu geben, aber er weigert sich. Er hat Darin nie im Detail erzählt, was sein Vater gesagt hat, aber seiner Reaktion nach zu schließen, war es schlimm. Joel und sein Dad haben sich sehr nahegestanden und es muss mindestens zwanzig Jahre her sein, dass sie zuletzt miteinander gesprochen haben.«

      »Ist es nur sein Dad, der ein Problem damit hat, dass er schwul ist?«, fragte Marcus.

      Ella nickte. »Ich habe seine Schwester ein paar Mal getroffen. Bernadette ist nett, aber sie geht dem Problem mit ihrem Vater aus dem Weg. Soweit ich weiß, ist der alte Mann ziemlich aufbrausend. Joel trifft sich regelmäßig mit Bernadette und seiner Mutter, aber erst seit etwa fünf Jahren oder so. Lange Zeit waren nur Darin und ich seine Familie.«

      Was ist mit Reed?

      Marcus hätte die Frage beinahe laut gestellt, hielt sich aber noch rechtzeitig zurück. Wenn Ella Reed trotz all der Jahre, die er mit Joel zusammen gewesen war, nicht als Teil ihrer Familie angesehen hatte, musste es einen Grund dafür geben. Es war auch interessant, dass Joels Versöhnung mit seiner Schwester und seiner Mutter ungefähr zum Zeitpunkt seiner Trennung von Reed passiert war.

      Joel blickte aus dem Fenster auf den morgendlichen Verkehr, warf einen Blick auf seine Uhr und unterdrückte ein Gähnen. Obwohl er am vergangenen Abend nicht spät von Darin und Ella nach Hause gekommen war, hatte es eine Weile gedauert, bis er endlich eingeschlafen war.

      »Hast du dich schon entschieden?« Die Kellnerin, Wendy, schenkte ihm ein Lächeln, das schnell zu einem Stirnrunzeln wurde, als Joel mit den Schultern zuckte und erneut auf seine Uhr sah. »Ich bin mir sicher, dass sie bald kommen, Joel. Soll ich dir eine Tasse Kaffee bringen, während du wartest?«

      »Danke, Wendy«, sagte Joel. Er war samstags ein regelmäßiger Gast im Willis Street Café, daher kannte er die Namen des ganzen Servicepersonals. »Ein Kaffee klingt gut, und ich bin mir sicher, dass sie nicht mehr lang brauchen.«

      Sein Handy kündigte ihm eine Nachricht seiner Schwester an.

      Fast da.