Tibor (zweite Serie) 1: Die Spinnengöttin. Thomas Knip

Читать онлайн.
Название Tibor (zweite Serie) 1: Die Spinnengöttin
Автор произведения Thomas Knip
Жанр Языкознание
Серия Tibor
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783863052669



Скачать книгу

Stimme.

      »Nur eine Vorsichtsmaßnahme«, wehrte der Eingeborene ab. »Damit du uns nicht folgst. Wir nehmen die Äffchen mit, bis wir auf unserem Gebiet sind. Dann lassen wir sie frei …«

      Tibor sah, wie einer der Männer ein so dünnes Seil in die Grube ließ, dass es gerade das Gewicht von Pip und Pop tragen konnte. Kerak hätte sich daran unmöglich hochziehen können. Die beiden Äffchen nutzten die Gelegenheit und kletterten flugs an dem Seil hoch, während der Gorilla in der Grube einen grollenden Ton von sich gab.

      »… sollten wir aber merken, dass du uns verfolgst, töten wir sie!«, fuhr der Eingeborene mit einem unmissverständlichen Klang in der Stimme fort.

      Die kleinen Äffchen erreichten den oberen Rand der Grube und rannten erfreut auf Tibor zu, der sich vor ihnen hinkniete. Er wies auf den Käfig. Pip und Pop sahen ihn aus großen Augen fragend an.

      »Habt keine Angst«, erklärte er ihnen mit leisen Worten. »Vertraut mir. Klettert in den Käfig.«

      Die kleinen Affen folgten seiner Bitte und schlossen ihre Hände um die Gitterstäbe, während einer der O’gogos das Gatter am Käfig zuschnürte. Zusammen mit einem weiteren Mann legte er die lange Stange, an der der Kasten befestigt war, über seine Schulter.

      »Eine Warnung gebe ich euch mit«, richtete sich Tibor an den Anführer der Gruppe. »Wenn die Äffchen nicht heil und gesund zurückkehren, dann komme ich … und nicht allein!«

      Die beiden Krieger, die ihn vorhin begleitet hatten, stießen einen erschreckten Laut aus. Sie ahnten, was diese Drohung bedeuten würde. Der Anführer blickte sich zu ihnen um und sah deren Furcht.

      »Wir halten unser Wort!«, beeilte er sich zu sagen. »Weil du dein Versprechen eingelöst hast … – nicht, weil wir Angst vor deiner Drohung haben.« Er straffte seinen Oberkörper. »Auf unserem Gebiet, da sind wir unangreifbar. Sie wacht über uns! Lass es dir also nicht einfallen, uns nachzuspüren, sobald die Äffchen zu dir zurückkehren.«

      Die Krieger machten sich zum Abmarsch bereit und tauchten in das dichte Gestrüpp des Dschungels ein.

      »Leb wohl«, rief ihm der Anführer noch zu, bevor auch er zwischen den Bäumen verschwand. »Und vielen Dank für die Diamanten!«

      Es lag keine Häme in diesen Worten. Der Mann wirkte sichtlich erleichtert. Und dennoch musste Tibor alle Beherrschung aufbringen, den Männern nicht nachzusetzen. Doch er dachte auch an Pip und Pop und war nicht bereit, ihr Leben zu riskieren, nur weil er unbeherrscht handelte.

      »Fort sind sie …«, murmelte er. »Und ich habe nicht die leiseste Ahnung, für wen sie die Edelsteine haben wollen. Ich …«

      »Vielleicht bist du so nett und hilfst mir aus der Grube, bevor du weitere Überlegungen anstellst!«, unterbrach ihn eine grollende Stimme.

      Tibor wandte sich um und sah Kerak tief unter sich in dem Loch. Der Gorilla hatte missmutig die Unterlippe vorgeschoben und stapfte auf der Stelle.

      »Oh, entschuldige!«, antwortete der Sohn des Dschungels. Er sah sich um und fand schnell eine Liane, die stark genug war, um das Gewicht des Menschenaffen zu tragen. Er schnitt sie ab, band sie um einen Baum und ließ sie dann in die Grube hinab. Behände kletterte der Gorilla aus der Falle und grunzte zufrieden, als er sich über den oberen Rand ins Freie zog. Er legte seinem Freund aus Dank seine Pranken auf die Schultern.

      »So, nun lass uns erst einmal die Grube wieder zuschütten«, sagte Tibor schließlich. »Ich möchte nicht, dass eines meiner Tiere hineinfällt.«

      Kerak kratzte sich am Kopf. »Oh, das wird eine Arbeit …

      die Zweibeiner haben die Erde überall verteilt. Ich rufe Tando und seine Gorillas. Mit ihrer Hilfe schaffen wir es schneller.«

      Er war gerade dabei, die Pranken zu einem Trichter geformt an den Mund zu legen und atmete tief ein, um einen Schrei auszustoßen, als Tibor vorsprang und ihm die Hände auf den Mund presste.

      »Sei still!«, forderte er ihn auf.

      Durch den Schwung kam Kerak aus dem Gleichgewicht und rollte über den Kopf. Verdutzt sah er seinen Freund an. »Was soll das denn?«

      »Überleg doch selbst ein wenig!«, bat ihn Tibor. »Auch die O’gogos würden deinen Ruf hören und denken, wir wollten etwas gegen sie unternehmen. Das könnte Pip und Pop das Leben kosten!«

      Keraks Stirn furchte sich. Seine Zähne malmten. Dann neigte er den Kopf.

      »Daran hatte ich nicht gedacht. Es tut mir leid!«

      Tibor winkte ab und lächelte. »Schon gut. Lass uns nun an die Arbeit gehen.«

      *

      Bis zum Abend hatten sie es geschafft, die Grube wieder aufzufüllen. Mit schmerzenden Knochen kehrten sie zur Baumhütte zurück und betteten sich auf ihre Lager. Der Mond stand bereits hoch am Himmel und schien durch eine Fensteröffnung.

      Obwohl sie durch die Arbeit müde und erschöpft waren, fanden sie vor Sorge um ihre beiden kleinen Freunde keinen Schlaf.

      »Es hat keinen Sinn«, stieß Tibor aus. Er richtete sich halb in seinem Bett auf und stützte den Kopf auf eine Hand. »Ich wälze mich von einer Seite auf die andere, aber einschlafen kann ich nicht.«

      »Mir geht es ebenso«, grummelte Kerak neben ihm, der auf mehreren aufgeschichteten Farnwedeln am Boden lag. »Und das eine sage ich dir – auch wenn Pip und Pop heil und gesund zurückkehren … den Zweibeinern verzeihe ich das nicht! Ich suche sie und drehe jedem Einzelnen von ihnen das Genick um!«

      Er unterstrich seine Worte mit einem wütenden Brüllen.

      »Das wirst du schön bleiben lassen«, entgegnete Tibor seinem Freund und schwang sich aus dem Bett.

      »Wie?«, erwiderte Kerak mit einem ungläubigen Ausdruck im Gesicht. »Diese heimtückischen Zweibeiner sollen ungestraft davonkommen? Du willst so tun, als wäre nichts geschehen?«

      Auch der Gorilla hatte sich inzwischen erhoben und stützte sich mit seinen Vorderpranken auf dem Boden ab. »Wenn das die anderen Tiere erfahren, dann bist du der Herr des Dschungels gewesen!«, beharrte er. »Nicht einmal der feigste Schakal hätte dann noch Respekt vor dir!«

      »Reg dich nicht auf, Kerak!«, beschwichtigte Tibor ihn. »Ich habe keineswegs die Absicht, die Herausforderung der O’gogos auf sich beruhen zu lassen. Aber sie zu bestrafen, das wäre ungerecht.«

      Kerak sah ihn verständnislos an und schnappte nach Luft.

      »Die O’gogos haben nicht aus eigenem Antrieb gehandelt«, erklärte Tibor. »Sie wissen nichts vom Wert der Steine. Jemand, der darüber gut Bescheid weiß, hat sie derartig unter Druck gesetzt, dass sie es wagten, in meinen Dschungel zu kommen.«

      Der Gorilla grummelte und sah ihn aus seinen dunklen Augen an. »Du meinst, es stecken weiße Zweibeiner dahinter?«

      Tibor stemmte die Hände in die Hüften. »Vielleicht … aber auf keinen Fall die O’gogos. Es muss zumindest jemand sein, der mit den Weißen in Berührung gekommen ist und erfahren hat, was für sie wertvoll ist.«

      Er legte sich wieder hin und zog die dünne Stoffdecke über seinen Körper. »Nun wollen wir aber doch versuchen zu schlafen. Ausgeruht können wir morgen besser überlegen, was wir tun sollen.«

      Tibor war gerade eingedöst, als ihn ein leises Rascheln und Knacksen hochfahren ließ.

      »So ist es recht!«, hörte er eine keckernde, vertraute Stimme. »Während wir in höchster Lebensgefahr schweben, schlaft ihr seelenruhig! Schöne Freunde seid ihr …«

      »Pip! Pop!«, rief Tibor aus und strahlte die beiden Äffchen an, deren Umrisse sich nun am Fenster im Mondlicht zeigten.

      »Gott sei Dank«, grollte Kerak. »Da seid ihr ja wieder!«

      Die kleinen Affen sprangen vom Fensterrahmen auf den Gorilla zu, der sie behutsam in seine Pranken nahm. »Bin ich froh!«, sagte er und ließ sogar