Freie und faire Wahlen?. Michael Krennerich

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Название Freie und faire Wahlen?
Автор произведения Michael Krennerich
Жанр Социология
Серия Politisches Sachbuch
Издательство Социология
Год выпуска 0
isbn 9783734411953



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      Hingegen werden jene Oppositionsgruppen, die der Regierung gefährlich werden können, in Autokratien oft ausgegrenzt oder verfolgt. Autokraten können der Opposition so zugleich die Grenzen dessen aufzeigen, was sie noch zu dulden bereit sind. Dies kann zum Ausschluss von Parteien und Personen sowie zur regelrechten Tabuisierung bestimmter Themen bei Wahlen führen und einen Anpassungsdruck auf diejenigen Oppositionsparteien ausüben, die in dem engen legalen institutionellen Rahmen agieren wollen. Sofern Oppositionelle solche „roten Linien“ überschreiten, werden sie dann verfolgt, eingeschüchtert oder auch nur mittels bürokratischer Auflagen gehindert, für ihre politischen Ansichten zu werben. Die geringe Sichtbarkeit der Opposition kontrastiert dabei für gewöhnlich stark mit der Allgegenwart der Amtsinhaber in der Öffentlichkeit und in den von ihnen kontrollierten Medien.

      Oppositionsgruppen müssen sich daher stets entscheiden, ob sie sich auf einen unfairen Wahlwettbewerb einlassen wollen, der ihnen ein beschränktes Maß an politischen Betätigungsmöglichkeiten erlaubt, oder ob sie den Wahlen fernbleiben sollen, um diesen keine Legitimation zu verleihen. Oft sind sich die Oppositionsgruppen nicht einig, zumal, wenn die Regierung sie getreu dem Prinzip „Teile und herrsche“ (divide et impera) gegeneinander ausspielt. Einige Parteien boykottieren dann die Wahlen, andere nehmen daran teil. Mitunter kommt es aber zu einem allgemeinen Wahlboykott der Opposition – so geschehen etwa bei den Wahlen in Venezuela 2017 oder, um ein weniger bekanntes Beispiel zu nennen, in Dschibuti 2018. Aus Sicht der Machthaber wiederum ergibt sich bei unfairen Wahlen die Möglichkeit, die Opposition als schwach darzustellen oder diese gar zu diskreditieren. Der Nachweis einer angeblichen Bedeutungslosigkeit der Opposition ist Teil der Wahlstrategie von Autokraten. Umgekehrt kann ein Wahlboykott die Opposition auch in die Bedeutungslosigkeit führen, weil bar einer parlamentarischen Repräsentation die Möglichkeiten, im legal-institutionellen Rahmen (ein wenig) Oppositionspolitik zu betreiben, stark eingeschränkt sind.