Seewölfe Paket 35. Fred McMason

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Название Seewölfe Paket 35
Автор произведения Fred McMason
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783966881098



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der sich weit über die Heckgalerie beugte, sah die Veränderung in der Farbe des Wassers hinter dem Ruderblatt.

      Es war, als mische sich feiner gelber Schlamm in das Dunkelblau oder Schwarz des Wassers und bleibe in großen Wirbeln achteraus zurück. Aber in der Dunkelheit konnte Hasard nicht sicher sein, daß er das gesehen hatte, was er zu sehen geglaubt hatte.

      Al Conroy hatte vier Culverinen schußfertig. Er hantierte mit Richtscheit und Keilen und überprüfte immer wieder die Verzurrung der langläufigen Geschütze. Vorläufig sah es so aus, als wäre die Schebecke auf der Flucht, und so war es wohl auch.

      Hasard ließ seine Augen eine Weile über die Wuhling an Deck gleiten und wandte sich, dann an seinen Ersten.

      „Die Wachen sind eingeteilt, Ben?“ fragte er.

      Der Erste nickte und gab mit säuerlicher Miene die Antwort: „Natürlich. Bis zum letzten Mann. Wie immer, Sir.“

      „Dann werde ich jetzt das überzählige Volk unter Deck scheuchen müssen.“

      Hasard hob die Hände an den Mund und rief: „Jeder, der an Deck nichts mehr zu suchen hat, verholt sich in die Koje, klar? Bei Tageslicht müßt ihr sowieso wieder antreten. Ruht euch aus, Freunde. Wir wissen nicht, wann die Dons und die Portus gleichauf sind. Es wird ein harter Tag. Also nehmt eine Mütze voll Schlaf.“

      Ein Chor aus rauhen Stimmen, zum größten Teil voller Erleichterung, antwortete ihm.

      „Aye, aye, Sir!“

      Hasard ließ die Schultern nach vorn sinken. Bis jetzt hatte ihn die Anspannung im Griff gehabt und festgehalten. Jetzt schienen sie in Sicherheit zu sein. Jedenfalls mehr als in den vielen schlimmen Stunden des vergangenen Tages. Daß sich die meisten Teile der Schanzladung in den Laderäumen und den Kapitänskammern der Karavelle und der Galeone befanden, war eine ganz andere Sache. Er verlor etwas von seinem wachsamen Mißtrauen und hatte plötzlich das Bedürfnis, sich entweder zu betrinken oder vierundzwanzig Stunden lang zu schlafen. Beides durfte er nicht.

      Er winkte Sven Nyberg zu und bat: „Holst du mir einen Schluck Rum, Sven? Für die Crew auch eine Runde. Wir haben uns wieder mal freigepullt, wie?“

      „Sofort, Sir“, erwiderte Sven und enterte den Niedergang ab. „Und wann zeigen wir’s den verdammten Dons und Portus?“

      „Kommt Zeit, kommt Rache“, brummte der Seewolf und setzte sich endlich auf einen seiner Lieblingsplätze, nämlich auf die oberste Stufe des Niederganges zum Achterdeck.

      Die Seewölfe an den Riemen pullten mittlerweile langsamer und weniger kraftvoll. Die Schebecke schob sich durch die Wellen und lief fast genau Südkurs. Nach und nach verholten sich die Seewölfe, die Freiwache hatten, unter Deck und versuchten zu schlafen. Der Kutscher, nicht weniger müde als die meisten, teilte eine Runde guten Rum aus und fragte sich schweigend, wann diese Nacht der Unordnung und Wuhling endlich ihr Ende haben würde.

      Und vor allem: welches Ende?

      Ben Brighton zuckte wieder mal hilflos mit den Schultern. Er wäre froh, wenn sie wieder weit draußen auf hoher See wären, mit gutem Wind, gleichgültig aus welchem Sektor. Aber es gab keinen Wind, der in der Lage gewesen wäre, die Segel zu füllen und ihnen ein sicheres Manövrieren zu garantieren. Vielleicht am Tag, vielleicht ein paar Stunden nach Sonnenaufgang, wenn der Monsun wieder einsetzte.

      Er wunderte sich, daß ganz plötzlich sein Schweiß zu trocknen schien. War es seiner Müdigkeit zuzuschreiben, daß er plötzlich am ganzen Körper Kälte spürte?

      Er hob den Kopf und sah das Tuch über sich flattern. Einige Herzschläge später begannen die Segel leise zu knattern.

      „Wind!“ murmelte er.

      Er phantasierte nicht, denn Dan rief von der Kuhl: „He! Da kommt Wind auf!“

      Die Schebecke war nach Süden getrieben und gepullt worden. Jetzt packte sie, von Steuerbord voraus, der erste Vorbote des Südwestmonsuns. Die Rahruten begannen leise zu knarren, die Segel fingen Wind.

      Hasard war aufgesprungen und rief: „An die Schoten! Wir brauchen die Riemen nicht mehr!“

      Es dauerte eine Weile, bis die Riemen eingezogen und längs des Schanzkleides verzurrt waren. Die Segelwache eilte zum Großmast und schwenkte die Rah an den Wind. Die Schebecke begann zu gieren und zu stampfen, und endlich entfaltete sich das große Dreieckssegel mit einem gedämpften Knall. Die Schebecke holte weit nach Backbord über und vergrößerte dann ihre Geschwindigkeit.

      Es war fast wie ein scharfer Ruck, der durch das Schiff ging, als es wieder dem Ruder gehorchte.

      „Gut so“, sagte Hasard grimmig. „Mister Brighton: wir nehmen wieder Kurs auf Mannar.“

      „Aye, aye, Sir“, entgegnete der Erste und gab seine Kommandos.

      Die Schebecke empfing den Wind von Steuerbord voraus, fiel nach Osten ab und gewann Geschwindigkeit. In einer weiten Halse ging das Schiff stampfend und gierend auf Nordost- und dann zurück auf Nordkurs. Der Bug wies nach einiger Zeit wieder auf die Einfahrt der Bucht.

      Die Einfahrt der Bucht war allerdings nur zu ahnen. Sämtliche Landmarken waren unsichtbar, es gab keine Feuer und keine Lichter.

      „Verdammt!“ schrie der Rudergänger. „Wir müssen bis zum Morgengrauen warten, Sir!“

      „Wennschon“, erwiderte der Seewolf, der deutlich merkte, wie nicht nur seine Laune wechselte. „Das müssen uns die Portus und Dons erst mal nachmachen.“

      Auch wenn die Schebecke mit achterlichem, nicht gerade starkem Wind nach Norden lief, segelte sie über unreinem Grund. Jeden Augenblick konnten sie wieder auf eine Untiefe geraten. Sie befanden sich geschätzte zwei Seemeilen von der Mannar-Bucht entfernt und rückten dem Schauplatz des nächtlichen Kampfes langsam wieder näher.

      „Sir“, bemerkte Dan nach einer Weile, „diese Segelei vor Mannar ist mehr als gefährlich.“

      Nordkurs lag an. In wenigen Minuten würden sie wieder auf die Untiefen vor der ceylonesischen Küste geraten.

      „Weiß ich.“ Der Seewolf nickte und sah vor sich nicht mehr als jeder andere, nämlich eine Küstenlinie in tiefem Schwarz vor dem weniger dunklen Himmel. Die Einfahrt der Bucht war nicht klar zu erkennen. „Wir gehen gleich nach Nordwesten.“

      „Verstanden. Und dann?“ fragte der Erste.

      „Und dann“, Hasard zog die Schultern hoch und sah vor sich die Seewölfe an Brassen und Schoten arbeiten, „kreuzen wir vor der Bucht auf und zeigen den spanischen und portugiesischen Freunden, daß wir ihnen die Beute nicht gönnen.“

      „Das wird sie freuen“, bemerkte Ben Brighton. „Denkst du auch daran, daß sogar ein Bordartilleriekünstler wie unser Meister Conroy in der Dunkelheit der Nacht nicht gut zielen und noch weniger gut treffen kann?“

      Hasard hieb ihm auf die Schulter.

      „Ich denke daran, Ben“, sagte er entschlossen. „In diesem Fall werden wir vor der Bucht solange auf und ab segeln, warten oder meinetwegen vor Anker liegen, bis unser Meister etwas sieht.“

      „Höre ich gern“, bemerkte der Erste, noch immer mißtrauisch, was die Pläne des Kapitäns betraf. „Bis zum Morgengrauen ist noch etwas Zeit.“

      „Sie sind nicht vorbereitet“, sagte Hasard. „Wir können sie aus einem Dutzend Culverinen mit einer feurigen Morgengabe bedenken.“

      „Ich bedenke“, erwiderte Ben, noch immer nicht überzeugt, „daß sie den größten Teil des Goldes in ihren Laderäumen haben, Sir.“

      „Stimmt. Wir holen uns das Gold“, knurrte der Seewolf.

      Der Wind frischte in einzelnen Böen auf. Mit den Wellen lief die Schebecke auf Mannar zu, segelte nach Nordwesten, dann wieder nach Südosten, einmal nach Nordosten und wieder südwärts. Die Seewölfe zitterten förmlich, aber noch immer brummten sie nicht auf. Vielleicht gab es nur die sprichwörtlichen paar Handbreiten Wasser unter dem Kiel,