Seewölfe Paket 35. Fred McMason

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Название Seewölfe Paket 35
Автор произведения Fred McMason
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783966881098



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eines weißgekalkten Hauses und schritt auf ihn zu. Auffordernd blickte er dem Koch entgegen.

      „Wir haben Wort gehalten und Malindi Rama den Zahn Buddhas abgejagt“, sagte Mac Pellew in einer Mischung aus spanischen und portugiesischen Worten.

      „Wo ist Rama?“

      „Genügt der Zahn nicht?“ erwiderte Mac mit einer Gegenfrage.

      „Ich nehme an, Senhor, Sie haben die Reliquie bei sich.“

      „Vielleicht. Das hängt ganz davon ab …“

      „Sie wollen mir einen Handel vorschlagen?“ Chandra Bose wußte sofort, auf was der Engländer hinauswollte.

      „Wir brauchen Proviant. Als kleine Entschädigung für unsere Mühe. Dafür erhalten Sie dann das hier.“ Mac Pellew hielt den Zahn hoch, den er bis eben in der hohlen Hand verborgen hatte. Ein Raunen ging durch die Menge.

      Der Hauptmann nahm das vermeintliche Heiligtum entgegen, betrachtete es eingehend von allen Seiten und nickte schließlich zufrieden.

      „Ich denke, wir werden auch den Frevler noch fassen.“

      Bis dahin haben wir hoffentlich längst den Anker gelichtet, dachte Mac. Laut sagte er: „Darf ich mich darauf verlassen, daß die Waren schnell an Bord unseres Schiffes gebracht werden? Selbstverständlich bezahle ich. Die Reliquie ist unser Geschenk an Sie.“

      Er holte drei kleine Goldstücke hervor. Danach klappte alles wunderbar. Chandra Bose übersetzte den Händlern die Liste, die Mac Posten für Posten vortrug, angefangen von Gewürzen über Reis und Obst bis hin zu einigen Fässern Frischwasser. Das Gold zauberte freundliche Mienen und flinke Hände.

      Mac Pellew brauchte nicht lange zu warten, bis die ersten Boote am zerschossenen Steg vorbei auf die Schebecke zuhielten.

      „Obwohl sich alles zufriedenstellend aufgeklärt hat, wollen Sie Tuticorin schon wieder verlassen?“ fragte der Hauptmann. „Warten Sie wenigstens, bis meine Soldaten den Dieb gefangen haben. Wir wissen, daß er versucht, nach Norden zu gelangen.“

      Das war eine weniger angenehme Neuigkeit. Mac Pellew schüttelte bedauernd den Kopf.

      „Unser Ziel ist Madras, das wir so schnell wie möglich erreichen wollen.“

      „Dann erlauben Sie mir, daß ich Ihrem Kapitän eine gute Reise wünsche. Ich mochte ihm selbst sagen, wie sehr ich das Mißverständnis bedauere.“

      Die Rudergasten staunten nicht schlecht. Bis Mac Pellew in Begleitung des Hauptmanns erschien, hatten schon mehrere Boote mit Lebensmitteln bei der Schebecke angelegt. Das Umladen war in vollem Gange.

      „Ein Koch wird leider viel zu oft unterschätzt“, sagte Mac. „Aber was wäre eine Crew ohne ihn?“

      Nicht zu unrecht fühlte er sich als der Held des Tages. Daß der Tag noch sehr viele Stunden hatte, in denen eine Menge geschehen konnte, übersah er geflissentlich.

      Über die Jakobsleiter an Backbord enterte er nach dem Hauptmann zur Schebecke auf. An Deck stapelten sich Kisten und Fässer, die nicht schnell genug in der Proviantlast gestaut werden konnten. Nahezu alle Arwenacks waren oben versammelt.

      Der Seewolf eilte auf Chandra Bose zu.

      Und noch einer: Edwin Carberry. Hätte der Koch in dem Moment geahnt, was sich da unter heiterem Himmel zusammenbraute, er hätte auf der Stelle umgedreht und das Weite gesucht.

      Carberry war ein klein wenig schneller als der Seewolf, der erst vom Achterdeck abenterte.

      „Wir haben ihn“, eröffnete er triumphierend. „Halten Sie sich fest, Hauptmann: Buddhas Weisheitszahn liegt hier, in meiner Hand, sicher verwahrt vor jedem neuen Frevel.“

      Chandra Bose blickte den Profos an, als zweifle er an dessen Verstand. Aber als Carberry die Faust öffnete, blitzte es in seinen Augen.

      Mac Pellew hatte im selben Moment das Gefühl, unter ihm klaffe ein tiefer Schlund auf, um ihn zu verschlingen.

      Der Hauptmann nahm den zweiten Zahn entgegen. Es war ein schöner, blankpolierter Backenzahn, und er sah dem anderen zum Verwechseln ähnlich, den Chandra Bose in der Linken hielt.

      Mac Pellew wurde es schwarz vor Augen. Er mußte nach einem Halt suchen, weil plötzlich alles um ihn her in Bewegung begriffen war. Er hörte ein unterdrücktes Stöhnen, erkannte aber nicht, daß er selbst diese Laute hervorbrachte.

      Völlig überrascht starrte Carberry beide Zähne an. „Noch einer?“ fragte er tonlos. „Wie soll ich das verstehen?“

      Der Blick des Hauptmanns wanderte vom Profos zu Mac Pellew und zurück. Seine eben noch gesunde Gesichtsfarbe glich fahlem Grau.

      „Lug und Betrug!“ brüllte er. „Ich hätte es von Anfang an wissen müssen.“ Mit einer verächtlichen Geste schleuderte er beide Zähne hinter sich ins Wasser.

      In dem Moment brandete Lärm an der Hafenmauer auf. Zwei Elefanten und mehrere Soldaten waren der Grund für einen Volksauflauf. Blitzschnell wandte sich der Hauptmann um und enterte in eins der soeben gelöschten Händlerboote ab.

      „Laßt ihn!“ befahl Hasard, als mehrere Arwenacks noch versuchen wollten, Bose aufzuhalten.

      Er zog sein Spektiv auseinander und betrachtete das Geschehen an Land durch die Vergrößerung. Die Soldaten hatten Malindi Rama gefangengenommen und ihn offenbar übel zugerichtet. Das bedeutete, daß sie nun auch über den echten Weisheitszahn Buddhas verfügten.

      „Pech“, sagte Edwin Carberry. „Die Idee war jedenfalls gut.“

      „Das war sie“, bestätigte Mac Pellew. „Immerhin haben wir neue Verpflegung an Bord. Was wollen wir mehr?“

       6.

      „Hoch mit dem Anker!“

      Philip Hasard Killigrew gab den Befehl höchst ungern. Alles was nach Flucht aussah, behagte ihm nicht. Andererseits standen weitere Verwicklungen bevor. Dabei konnte er weder Carberry noch Mac Pellew gram sein, daß sie das ihrer Meinung nach Beste versucht hatten.

      „An die Riemen!“

      Der Wind, um diese Jahreszeit häufig veränderlich, hatte gedreht und stand denkbar ungünstig. Nur mit Muskelkraft konnte die Schebecke aus dem Hafen gebracht werden. Sobald der Bug auf die Einfahrt in der Mole zielte, war jedoch das Schlimmste überstanden.

      Rings um den Hafen herrschte buntes Treiben. Die Inder karrten eine Vielzahl Fässer heran, die sie auf kleine Boote verluden. Was sie damit bezweckten, wurde erst klar, als sie an mehreren Stellen des Hafenbeckens begannen, den Inhalt der Fässer ins Wasser zu entleeren. Es war eine dunkle schillernde Flüssigkeit.

      „Das ist Öl“, sagte Don Juan de Alcazar zum Seewolf und setzte den Kieker ab. „Eine Flamme genügt, um den Haffen mit einer Feuerwand abzuriegeln.“

      Old Donegal vollführte eine ausschweifende Bewegung, die ganz Tuticorin umfaßte, oder auch Tuttukuddi, wie die Stadt von ihren Bewohnern genannt wurde.

      „Die Inder werden nicht so verrückt sein, uns anzugreifen. Sie müssen doch wissen, daß wir uns in einem solchen Fall mit allem, was wir haben, zur Wehr setzen. Bis der Wind das brennende Öl herantreibt, können wir noch etliche Breitseiten abfeuern.“

      „Chandra Bose greift uns nicht an“, sagte der Seewolf überzeugt. „Er hat lediglich vor, uns am Auslaufen zu hindern.“

      „Aber warum?“ fragte Don Juan skeptisch. „Er hat alles, was er will.“

      Hasard zuckte mit den Schultern. „Wir werden es erfahren, mein Freund. Solange müssen wir uns wohl oder übel in Geduld fassen.“

      Er gab Befehl, die Riemen einzuziehen. Die Schebecke hatte inzwischen ihren alten Liegeplatz verlassen und trieb der Mitte des Hafenbeckens zu. Da das Schiff achteraus zu sacken begann, befahl Hasard: „Fallen Anker!“