Название | Verbot, Verfolgung und Neubeginn |
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Автор произведения | Helmut Reinalter |
Жанр | Документальная литература |
Серия | Quellen und Darstellungen zur europäischen Freimaurerei |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783706561495 |
„… daß die orthodoxe Freimaurerei nur drei, höchstens sechs Grade in den Dogmen und Mysterien zählet, daß schon der siebente Grad als eine bestimmt mit politischen Zwecken sich befassende Arbeit, sohin als eine Abart von den orthodoxen Freimaurern betrachtet wird, und daß man den achten Grad der neuen Freimaurerei beinahe identisch mit dem sogenannten Priestergrade der Illuminaten nehmen kann, dessen antireligiöse und staatsverderbliche Instruktion der Carbonari sich zum Modell ihrer Lehrsätze genommen haben …“123
Auch die im Vormärz entstandenen Vereine standen unter polizeilicher Beobachtung, insbesondere der 1841 in Wien gegründete Juridisch Politische Leseverein, der bürgerliche Intellektuelle, darunter auch Freimaurer, gleichsam die Spitze des geistigen Lebens zusammenfasste und von dem Polizeiminister Sedlnitzky meinte, die Leute würden sich hier „zu Verbrechern“ lesen. Schon Ende 1840 wurden bei der Polizeihofstelle zwei Gesuche um Gründung juridischer Lesevereine eingereicht. Während das erste Ansuchen sofort auf Ablehnung stieß, hatte das zweite, das von 15 angesehenen Juristen unterschieben wurde, mehr Erfolg. Die Zielsetzung des Vereins bestimmte, dass „durch Auflegung von Zeitschriften und Journalen des In- und Auslandes, die sich mit den Staatswissenschaften und den damit im Zusammenhang stehenden Fächern beschäftigen“, die vorgesehen Aufgaben erfüllt werden sollten. Die Polizeihofstelle war mit der allgemeinen Formulierung zwar einverstanden, doch legte sie genau fest, welche Zeitschriften und Journale gehalten werden durften. Kaiser Ferdinand genehmigte den Verein am 14. Juli 1841, dessen erster Präsident Karl Freiherr von Sommaruga wurde.
Sicherlich war der besonders hervorgehobene wissenschaftliche Zweck des Vereins ein Vorwand, um die erwünschte Genehmigung zu erreichen. In Wirklichkeit wollte er sich mit den Fortschritten der Literatur auseinandersetzen und sie in breiten Kreisen bekannt machen. Diese Absicht verlangte auch politisches Engagement. Seit der Ankündigung, dass der Verein sich vor allem kritisch mit der neuen Literatur befassen wolle, begannen auch die Auseinandersetzungen mit der Polizeihofstelle. Die Mehrheit der Mitglieder war sicher liberal eingestellt und wünschte im Grunde eine Reform des Staates auf konstitutioneller Grundlage. Dem Verein gehörten auch entschiedene reaktionäre Persönlichkeiten verschiedenster Schattierungen und auch begeisterte Anhänger republikanischer-demokratischer Ideen an. Viele der Mitglieder waren Staatsbeamte, Advokaten, Hochschullehrer, Bankiers und Industrielle. Konfidenten der Polizei meldeten dem Polizeiminister, dass in den Rauchzimmern des Vereins sehr häufig politische und kriminalistische Diskussionen geführt würden. Die Tätigkeit des Vereins wurde daher genau überprüft, was zu einer Dezimierung verbotener Bücher und Journale der Bibliothek des Vereins führte.124
Der Polizeiminister ließ nicht nur den Leseverein überwachen, sondern bot nun Vieles auf, um alle geheimen Gesellschaften in Österreich aufzuspüren und in ihre Systeme einzudringen. Dementsprechend ließ er auch intensiv über den „achten Grad“ der Freimaurerei nachforschen.125 Bei dieser fast schrankenlosen Herrschaft der Geheimpolizei, die nach der französischen Julirevolution im Vormärz ihre Fortsetzung fand, musste sich jeder geheime Verein im Untergrund organisieren, wobei nun u.a. die in der Zwischenzeit stärker werdenden politischen Geheimbünde nach Ansicht der Polizei eine besondere Gefahr darstellten. Die Freimaurerei stand durch diese Entwicklung nicht mehr in erster Linie im Fokus der Polizei.
3. Die Revolution 1848/49 und die Loge „Zum heiligen Joseph“
Die Revolution von 1848/49 in Österreich wurde auf Grund des metternichschen politischen Systems in der Forschung als bürgerliche Umwälzung ohne bürgerliche Revolutionäre bezeichnet. In Österreich war der Vormärz trotz oder gerade wegen der restaurativen Politik Metternichs nicht ohne politische Spannungen geblieben. Allerdings konnten sich wegen der Härte des Regimes und der zahlreichen repressiven Maßnahmen der Polizei keine liberalen oder demokratischen Bewegungen herausbilden. Dafür entstand aber eine meist von Adeligen und städtischen Bürgern organisierte liberale Opposition zumindest in einigen Landtagen und im außerparlamentarischen Bereich. Die Forderungen der politischen Opposition bewegten sich durchaus im Rahmen des konstitutionellen Liberalismus und stellten daher keine ernsthafte Bedrohung des politischen Systems dar. Radikaldemokratische Ideen wurden nur von wenigen Theoretikern vertreten.126
Für die konkretere Ausbildung und Abgrenzung einer liberalen Ideologie in Österreich war nach der Julirevolution 1830 in Frankreich die zunehmende Politisierung maßgeblich, die auch Österreich ergriff. Das Unbehagen an der metternichschen Politik und die sozialen Probleme der Industrialisierung bezogen den kulturellen Bereich in die kritische Reflexion mit ein. Sie durchbrach gleichsam die Abschirmung, hinter der die Literatur und Philosophie der Romantik und des Idealismus unter den Bedingungen der Restauration einen gewissen Höhepunkt erreicht hatte. Die Dichtung wurde politisch, zunächst im Roman, seit den 40er Jahren auch in der Lyrik. Dazu kam noch die Abspaltung eines radikalen Demokratismus vom Liberalismus, die sich auf zwei Ebenen, einer politischen und einer theoretischen, vollzog, ohne allerdings die Schärfe der deutschen Entwicklung zu erreichen. Gemeinsam war dem liberalen und demokratischen Politikverständnis die rationale Begründung des Staates von den Individuen her durch die Annahme eines Gesellschaftsvertrages. Während jedoch der Liberalismus den Missbrauch der Macht des Souveräns durch verfassungsmäßige Sicherungen, durch Freiheitsrechts, Gewaltenteilung und rechtsstaatliche Vorkehrungen zu verhindern und seine politischen Ziele auf dem Wege von Reformen und der Vereinbarung mit den bestehenden Gewalten zu erreichen versuchte, hob die demokratische Theorie die mögliche Differenz zwischen dem Inhaber der Staatsgewalt und den seiner Macht Unterworfenen dadurch auf, dass sie beide, den Souverän und das Volk, gleichsetzte. Dies war das Konzept der Volkssouveränität. Diese Unterscheidung war allerdings in Österreich nur in Ansätzen vorhanden, während in den Staaten des Deutschen Bundes der Abspaltungsprozess zu einer Radikalisierung und zu starken ideologischen Spannungen führte. In Österreich wurde dieser Prozess durch die repressiven politischen Maßnahmen Metternichs zwar gehemmt, beschleunigte aber in den 40er Jahren jene gesamtgesellschaftliche Krise, die dann zum Ausbruch der Revolution 1848 führte.127 Ehemalige Freimaurer konnten sich mit den liberalen Ideen durchaus anfreunden, insbesondere mit den liberalen Hauptanliegen, wie z.B. die Entfaltung des Individuums, Grundrechte, Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung. Zu den entscheidenden liberalen Forderungen zählte vor allem eine schriftliche Verfassung, die dem Staat gewährt werden sollte und in der die Organisation der politischen Herrschaft sowie die Rechte und Partizipationsmöglichkeiten der Bürger festgelegt sind. Wichtige Impulse gingen hier auch von den Freimaurern aus, die großenteils diese Grundlagen förderten und ihre Logen selbst als Demokratie im Kleinen betrachteten.128
Im Zentrum der Forderungen des liberalen Bürgertums stand die Gewährung einer Konstitution. Die Verfassungsfrage war im Verlauf der Märzereignisse als dringendes Bedürfnis empfunden worden, allerdings war diese Forderung theoretisch-konstitutionell noch nicht ausgereift. Die Regierung oktroyierte schließlich eine Verfassung, die mit Ausnahme des Großbürgertums von allen Bevölkerungsschichten aufgenommen wurde.
War es um die Freimaurerei im Vormärz in Österreich leiser geworden, gab es ein erstes Aufflackern maurerischen Lichtes in Wien erst wieder im Oktober 1848, nachdem Dr. Ludwig Lewis129, Sprachlehrer und Inhaber einer Sprachschule in Wien sowie Professor an der k.k. Ingenieur-Akademie in Wien, schon ab dem späten Frühjahr Vorbereitungen zur Errichtung einer Loge traf.130 Samuel Lasz schrieb über ihn: „Nachdem Br. Lewis vor 50 Jahren in Stettin unserm Weltbunde zugeführt worden war, erglühte er in reiner Begeisterung für die maurerischen Interessen