Название | Lucifer. Eine Schwarzwälder Dorfgeschichte |
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Автор произведения | Auerbach Berthold |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788726614534 |
Mancher Blick hatte sich schon beim Beginn dieser Schilderung nach der Säule gewendet, wo ein Mann feststand wie der Stein hinter ihm, aber die Blicke glitten wieder ab und jetzt fuhr der Pfarrer fort:
,,Geliebte in dem Herren! Ich sage euch laut und deutlich, ich habe Niemand gemeint, ich kenne Niemand, der solchen Herzens ist, aber Jeder frage sich, ob er nicht schon im Geiste den Weg betreten, so zu werden. Fern sei es auch von mir, euch davon abzuhalten, euer zeitlich Gut zu wahren, aber alles ist Tand und Staub und Moder. Und gäbet ihr mit eurem zeitlichen Gut Wohlthaten und Geschenke wie Sand am Meere, verflogen ist’s, fehlt euch der Glaube. Wahret euer Gut, so viel ihr könnet, aber die einzige Versicherung ist dem, der da bauet auf dem Fels, der da ist der Glaube, der schüttert nicht und splittert nicht und stehet fest ohne Wanken. Und wenn rings umher deine Saaten das Wetter knickt, der Glaube richtet dich auf; du stehest fest wie ein Fels und Lobgesänge schallen aus deinem Munde. — Aber sei nur kein windelweicher, auszehriger, nasskalter Tropf, eher noch ein grundmässiger Heide, wie der versicherte Mann, den mag der Herr noch in seine Zange fassen, schmieden und schweissen. Lass es nicht von dir heissen: du bist nicht kalt und nicht warm, du bist lau, darum werde ich dich ausspeien aus meinem Munde. — Eure Saaten sind geknickt, Noth und Jammer steht euch bevor. Warum? Warum frage ich euch, hat der Herr seinen Wettern befohlen, dass sie herniederfahren und euch züchtigen? Ihr habt sein vergessen in eurem Taumel, gottverlassen ruht auf Jedem von euch tausendfältige Todesschuld. Darum . . . .“
„Das ist schandmässiger Lug und Trug!“ erscholl plötzlich eine Stimme aus der Gemeinde.
Hat die Seele dort gesprochen? Dringen Worte aus dem starren Stein?
Es wäre nicht wunderbarer, als dass eine Stimme aus der Gemeinde es wagte, sich hier zum Widerspruche zu erheben.
Die Blicke Aller richteten sich nach der Säule dort, wo Luzian stand, ein Lichtstrahl fiel grade auf sein Antlitz, auf dem ein wundersamer Glanz schimmerte: er blickte in die Sonne und seine Wimper zuckte nicht, dann schweifte sein Auge über die Versammlung hin, als wäre sie untergesunken, als suche und finde sein Blick Etwas, das über den Häuptern der Menschen um ihn her schwebte. Eine Weile herrschte Todtenstille, man hörte das Picken der Thurmuhr, es war wie der laute Herzschlag der ganzen Kirche.
Jetzt rief der Pfarrer: „Wer hat es gewagt, das Wort des Herrn hier zu schänden?“
„Ich!“ rief Luzian, und legte die zitternden Hände fest auf das Herz, das ihm zu springen drohte.
„Sind eure Hände lahm? vom Satan gebunden?“ rief der Pfarrer, ,,dass sie sich nicht erheben, um das Heiligthum von dem gottesleugnerischen Aase zu säubern?“
Ein Tumult entstand in der Gemeinde; es liess sich nicht ahnen und bestimmen, was daraus werden sollte.
„Kommt her!“ tief Luzian, und streckte seine Arme weit aus, aber seine Hände waren nicht zum Segnen ausgebreitet, seine Fäuste ballten sich, „kommt her! Glaubt nicht, dass ich mich binden lasse, wie ein geduldig Lamm. Gott ist in mir, ich zerbreche die Hand, die sich nach mir ausstreckt.“
,,Soll der Gotteslästerer noch länger das Heiligthum entweihen?“ schrie der Pfarrer schäumend vor Wuth.
Die Gemeinde war wie erstarrt; und Luzian sprach mit ruhiger, weithin vernehmlicher Stimme:
„Ja, ich muss reden, und wenn man mich jetzt auf den Scheiterhaufen legt, ich muss. Du Gesalbter da oben, du schmähest Gott und die Menschen, ich will nicht Theil haben an deiner Sünde. Hört auf mich, Brüder und Schwestern! Ich bin kein Weiser, aber ich weiss: Gott ist die Liebe, Gott lebt in uns, und schickt er Wetter und Unheil, so thun wir uns zusammen und theilen mit einander, und Keiner hat sich zu schämen, die Gaben zu empfangen, und keiner darf hart sein, sie zu weigern. Du da oben, du willst wissen, warum Gott durch das Wetter unsere Felder verhagelt hat! Weil wir schlecht sind? Sind wir schlechter als alle unsere Nachbardörfer? Gott ist die Liebe, Gott ist in mir und die Liebe ist in mir, für euch, und ich will jetzt sterben. Die Hölle ist nur in dir da oben und in Allen wie du . . .“
„Du bist verdammt und verflucht in Ewigkeit!“ schrie der Pfarrer und stieg die Kanzel herab.
Der Gottesdienst war zu Ende, die ganze Gemeinde schwirrte durcheinander. Luzian ging festen Schrittes der Thüre zu, Alles wich vor ihm zurück, aber wie mit wunderbarer Kraft erhob sich die Ahne, fasste seine Hand und schritt so kräftig neben ihm her wie seit Jahren nicht. Sie gingen still heimwärts und dort sah sie den Luzian zum Erstenmale in seinem Leben weinen und laut schluchzen wie ein Kind.
Die Ahne wusste gar nicht was sie beginnen sollte, sie lief kopfschüttelnd im Zimmer umher; drückte an allen Fenstern ob sie auch fest zu seien, und jagte zuletzt die Katze, die hinter’m Ofen sass, zur Thür hinaus; auch sie sollte nicht hören, dass der starke Mann weinte.
Luzian sass da, er hatte die Hand auf den Tisch gelegt und das Antlitz darauf verborgen.
,,Meinst du nicht auch?“ tröstete die Ahne, „wenn der Kaiser Joseph nicht vergiftet wär’ und er hätt’ das Leben noch, der thät’ den jungen Pfarrer da ins Zuchthaus schicken? Nicht wahr?
„Freilich,“ sagte Luzian, und schaute lächelnd auf.
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