Название | Ins Arktische Amerika |
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Автор произведения | Franklin John |
Жанр | Книги о Путешествиях |
Серия | Paperback |
Издательство | Книги о Путешествиях |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783843806602 |
Folgenreich sollte das Unternehmen dennoch werden. Denn hatte es nicht John Franklin seine Bestimmung gezeigt: die wesentliche, alle anderen Leistungen zurückstufende Sendung seines Lebens?
Was immer John Franklin ins Auge fasste – er nahm es zügig in Angriff. Daher war er nur sieben Monate später, am 23. Mai 1819, erneut aufgebrochen, die Nordwestpassage ausfindig zu machen. Sein Auftrag lautete, vom Ufer der Hudson Bay aus auf dem Landweg zur Mündung des Coppermine hinaufzumarschieren und von dort aus entlang der Küste nach Osten zu ziehen und sich am Ende womöglich mit William Edward Parry zu vereinen, der versuchen würde, ihm mit der »Hecla« sowie der »Griper« über die Baffin Bay und den Lancaster-Sund auf westlichem Kurs entgegenzukommen.
Ein simpler Schreibstubenplan. Es ging nur darum, von A (dem Hafen York Factory) nach B (der Mündung des Coppermine) und daraufhin nach C (dem Lancaster-Sund) zu gelangen … und war doch schwierig zu bewerkstelligen!
Dr. John Richardson
Mit sich hatte Franklin einen Arzt, John Richardson, zwei Kadetten, George Back und Robert Hood, sowie einen Matrosen, John Hepburn; als Träger etliche Eingeborene, »Kanadier« oder sogenannte »voyageurs«, darunter den Irokesen Michel Teroahauté; ferner einen Vertreter der North-Western Company, der – neben der Hudson’s Bay Company – anderen in Kanada tätigen Handelsgesellschaft; außerdem gelegentlich ein paar Eskimos; und last, but not least zwei Dolmetscher.
Alles ließ sich gut an, als der Trupp York Factory am 9. September 1819 verließ. Die Gegend war bekannt und mit einem Netz von trading posts überspannt. Zunächst ging es auf mehreren Flüssen nach Südwesten bis Norway Point (oder House) und von hier aus nach Cumberland House, wo angesichts des einsetzenden Frosts eine Atempause eingelegt wurde. Dann, mit dem Anbruch des neuen Jahres, 1820, arbeitete sich das Expeditionskorps auf Schneeschuhen nordwärts nach Fort Chipewyan und, als der Sommer wieder die Benutzung der Boote zuließ, abermals über ein System von Gewässern nach Fort Providence vor. Hinter dieser Niederlassung durchquerten die Männer einen Landstrich, »den bis dahin noch kein Europäer bereist hatte«. Bis es im August oberhalb des Großen Sklavensees ein weiteres Mal Zeit wurde, ein Winterquartier aufzuschlagen. Franklin taufte es »Fort Enterprise«.
Unterbrochen allein von einigen Rekognoszierungstouren dauerte der Aufenthalt neun Monate – ein Dreivierteljahr, in dem die Temperaturen bisweilen auf 57° unter null sanken und die Männer sich die öde Zeit mit der Zeichnung von Messkarten vertrieben, der Niederschrift von naturhistorischen Notizen und der Pflege ihrer Ausrüstung. Dann, endlich, konnte der Marsch am 14. Juni 1821 fortgesetzt werden … bis es im Mündungsgebiet des Coppermine auf den Tag genau einen Monat danach zu jenem Ereignis kam, das mit der Sternstunde von Vasco Núñez de Balboa so viel Ähnlichkeit besitzt: »Noch an dem gleichen Abend genoss Doktor Richardson vom Gipfel eines hohen vom Lager drei Meilen entfernten Hügels herab den ersten Anblick der See, die mit Eis bedeckt zu sein schien.« Eine Woche später segelte John Franklin »auf dem Hyperboreischen Meere«!
Einen Monat lang verfolgte er den Küstenlauf, lotete er Wassertiefen aus, beobachtete er die Strömung und das Wetter … und legte dabei fünfhundertfünfundfünfzig Meilen zurück. Dann zwang ihn der heraufziehende Winter, die Weiterfahrt abzubrechen und den Rückzug anzutreten. Der Umkehrpunkt bei 68°19' nördlicher Breite und 110°5' westlicher Länge bekam den Namen »Point Turnagain«.
Und eine Wende trat nun in der Tat ein. Denn auch wenn die Strapazen bisher groß gewesen waren, hatten die Europäer doch immerfort Gelegenheit gehabt, die Schönheit des Landes wahrzunehmen, die Sitten und Gebräuche der Eingeborenen zu studieren und die Wonne aller Entdecker zu genießen, an einem Ort der Erde ›Erster‹ zu sein.
Jetzt kippte alles um: Der Mundvorrat schwand dahin, das jagdbare Wild hatte sich nach Süden verzogen; und wechselte doch einmal ein Rentier oder Moschusochse vorüber, so waren die voyageurs zu schwach, um einen sicheren Schuss abzugeben. Bald zehrten die Männer nur noch von Flechten, die sie von Gesteinsbrocken klaubten und gallig »tripe de roche«, »Fels-Gekröse«, nannten; in ihrem Elend überwanden sie sogar allen Ekel und würgten einen Kadaver hinunter, den herumstreifende Wölfe längst verschmäht hatten – einige der Ausgemergelten »hatten dieser Mahlzeit ihre alten Schuhe beigefügt«.
John Franklins Bericht über seinen Vorstoß Ins Arktische Amerika 1819 – 1822 (1823) raunt am Ende, als die Moribunden in »Fort Enterprise«, wenn auch nichts Genießbares, so doch wenigstens eine Zuflucht gefunden hatten, dunkel etwas von Kannibalismus und schildert in umso grelleren Farben die Ermordung Robert Hoods durch den Irokesen Michel Teroahauté und dessen umgehende Hinrichtung durch John Richardson.
Im Grunde war zuletzt, als zehn der Teilnehmer des Hungermarsches durch Mord und Totschlag und Entkräftung umgekommen waren, keiner von den Lebenden mehr zu überlegtem Handeln in der Lage. Da tauchten am 4. November 1821 ein paar Indianer aus dem Waldesdickicht auf. Und nach wie vor rührt uns der Seufzer der Erleichterung an, mit dem John Franklin in sein Tagebuch kritzelte: »Gelobt sei der Herr! Heute sind wir durch die Ankunft von Indianern gerettet worden, die uns am Mittag mit Nahrungsmitteln versorgt haben.«
Irgendwo in seinem Report sollte er nach der Heimkunft nach England im Herbst 1822 den Ureinwohnern Kanadas ein Wort zur »Überlegenheit der Weißen über die Indianer« in den Mund legen. Doch am Schluss, als unabweisbar war, dass er und seine Mannen den Rothäuten das Leben verdankten, gab er offen zu, »dass weiße Männer Schuldner der Kupferindianer geblieben sind«. Die Einschränkung freilich, dass derlei »das erste Mal« vorgekommen sei, konnte er sich nicht verkneifen.
Und Franklin machte Furore. Obzwar er weit davon entfernt geblieben war, Parry zu treffen und damit die so dringend gesuchte Rinne nachzuweisen, sah er sich doch dank den Ergebnissen seiner Feldforschung in der Lage, diejenigen zu bestätigen, »welche die Ausführbarkeit der nordwestlichen Durchfahrt verteidigen«. Zudem: Das Buch über seine Reise, Ins Arktische Amerika 1819 – 1822, war rundweg begeisternd. Es enthielt zauberhafte Landschaftsschilderungen, pittoreske Skizzen aus dem Alltag der Indianer und auf seinem Höhepunkt eine spannende Gruselgeschichte – inklusive Happy End.
Unter denen, die Franklin anhimmelten, war eine Person, die den Namen benutzte, den die englischen Abenteurer einer Indianerin in Anspielung auf ihr Beinkleid gegeben hatten: »Green Stockings«2. Und so zirkulierte unter dem Pseudonym »Grünstrumpf« 1823 eine Weise des treuen Eskimo-Mädchens an den wackersten jener Helden. Sie schloss mit den Zeilen:
»Hiss die Segel aufs Neue, zum Pol hinan fahre,
derweil ich dir allwärts die Treue bewahre:
An den Flüssen, auf Bergen, im Waldlichtungs-Schimmer,
in der Wildnis des Nordens bin dein ich für immer.«
Was die Architektentochter Eleanor Anne Porden als kaum verhüllten Antrag in Reim-dich-oder-ich-fress-dich-Manier da gedichtet hatte, war in ihrer patriarchalischen Epoche so couragiert, dass es John Franklin wohl gerade deshalb gefiel. Jedenfalls fand die Verlobung mit Miss Porden im Frühsommer 1823 statt, am 19. August folgte die Hochzeit, und am 3. Juni 1824 wurde das Mädchen Eleanor Isabella geboren.
Nur: John Franklin war nicht für traute Häuslichkeit geschaffen. Mochte seine Frau, die an Schwindsucht litt, noch so krank sein und Klein Eleanor im schlimmsten Fall als einsame Halbwaise aufwachsen – der Drang hinaus, dieser viel beschworene Ruf in die Ferne, war stärker als alles andere.
Deshalb ließ