Die Abenteuer des Huckleberry Finn. Mark Twain

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Название Die Abenteuer des Huckleberry Finn
Автор произведения Mark Twain
Жанр Языкознание
Серия Reclam Taschenbuch
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783159612911



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war schneller als ich und ist mir dazwischengefahren. Sie sagte: »Nimm die Hände weg, Huckleberry – was machst du auch immer für einen Schmutz!« Die Witwe legte ein gutes Wort für mich ein, aber das würd das Unglück nicht abhalten, das wusste ich ganz genau. Nach dem Frühstück bin ich raus; ich hab mich unruhig und wacklig gefühlt und mich gefragt, wo es mich treffen würd und was es sein würd. Einige Arten von Unglück kann man abhalten, dazu gibt es Mittel, aber bei dem ging es nicht; deswegen hab ich’s gar nicht erst probiert, sondern bin bloß rumgestapft, richtig niedergeschlagen und ständig auf der Hut.

      Ich bin zum Vorgarten runter und über den Zauntritt geklettert, wo man durch den hohen Bretterzaun kommt. Es lag ein Zoll Neuschnee auf dem Boden, und ich sah die Fußspur von jemand. Sie kam vom Steinbruch hoch, stand ne Weile am Zauntritt und ging dann weiter um den Gartenzaun rum. Komisch, dass sie nicht reingekommen war, nachdem sie so lang dagestanden hatte. Ich wurd nicht schlau draus. Es war irgendwie sehr seltsam. Ich wollt schon der Spur überallhin nachgehn, aber dann hab ich mich erst mal gebückt, um sie zu untersuchen. Zuerst fiel mir gar nichts auf, aber dann doch. Im linken Stiefelabsatz war ein Kreuz aus dicken Nägeln, um den Teufel abzuhalten.

      Und ich nichts wie hoch und den Hügel runtergerast. Ab und zu hab ich über meine linke Schulter zurückgeschaut, aber ich sah niemand. So schnell ich konnte, war ich beim Richter Thatcher. Und er sagte:

      »Nanu, mein Junge, bist ja ganz außer Atem! Bist du wegen deinen Zinsen gekommen?«

      »Nee, Herr Richter«, sag ich, »sind denn welche für mich gekommen?«

      »Ja, die fürs letzte halbe Jahr sind da, seit gestern Abend. Über hundertfünfzig Dollar. Ein ganzes Vermögen für dich. Lass sie mich lieber zusammen mit deinen andern sechstausend anlegen, denn wenn du sie mitnimmst, gibst du sie doch aus.«

      »Nee, Herr Richter«, sag ich, »ich will se nicht ausgeben. Ich will sie überhaupt nicht – auch die sechstausend nicht, garnix. Ich möcht, dass Sie’s nehmen; ich möcht’s Ihnen geben – die sechstausend und alles.«

      Er sah überrascht aus. Er wurde, scheint’s, nicht schlau draus. Und er sagt:

      »Nanu, was meinst du denn damit, mein Junge?«

      Ich sag: »Bitte stellen Sie mir keine Fragen nich. Sie nehmen’s doch – oder?«

      Und er sagt:

      »Nun, das erstaunt mich. Ist denn irgendwas passiert?«

      »Bitte nehmen Sie’s«, sag ich, »und fragen Sie mich nich weiter – dann brauch ich keine Lügen erzählen.«

      Er überlegte ne Weile und sagt dann:

      »Aha. Ich glaube, jetzt versteh ich. Du willst dein Eigentum an mich verkaufen – nicht verschenken. So ist es!«

      Dann schrieb er was auf ein Papier, las es durch und sagt:

      »Hier – siehst du, da steht ›gegen Entgelt‹. Das bedeutet, dass ich es dir abgekauft und dir dafür bezahlt habe. Hier ist ein Dollar für dich. So, nun unterschreib.«

      Und so hab ich unterschrieben und bin weg.

      Miss Watsons Nigger, der Jim, hatte ein Haarknäuel, so groß wie ne Faust, das jemand nem Ochsen aus seinem vierten Magen rausgeholt hatte, und mit dem zauberte er immer. Innen war ein Geist drin, sagte er, und der wüsste alles. Und so bin ich am Abend zu ihm und hab ihm erzählt, Pap war wieder hier, ich hätt seine Spuren im Schnee entdeckt. Ich wollt von Jim wissen, was Pap vorhat und ob er bleibt. Jim holte sein Haarknäuel und sagte seinen Spruch über ihm auf, und dann hielt er’s hoch und ließ es fallen. Es fiel ziemlich plump und rollte bloß einen Zoll weit. Jim probierte es nochmal, und dann nochmal, aber es ist jedesmal genau dasselbe passiert. Er kniete sich hin und legte sein Ohr dran und horchte. Aber es hat nichts genützt; der Geist wollte nicht reden, sagte er; manchmal würd er nicht ohne Geld reden. Ich hab ihm erzählt, ich hätt nen alten glatten falschen Vierteldollar, der nichts mehr taugt, weil das Messing schon durchschimmert, aber auch wenn das Messing nicht durchschimmern würde, ginge er nirgendwo mehr durch, weil er so glatt war, dass er sich ganz schmierig anfühlte, und so würd er sich bestimmt jedesmal verraten. (Ich dachte, von dem Dollar, den ich vom Richter Thatcher bekommen hatte, wollt ich lieber nichts sagen.) Es war ziemlich schlechtes Geld, sagte ich, aber vielleicht würd das Haarknäuel es nehmen, weil’s vielleicht den Unterschied nicht merkt. Jim roch dran, biss drauf, rieb es und sagte, er würd’s so hinkriegen, dass das Haarknäuel glaubt, es wär echt. Er würd ne rohe irische Kartoffel nehmen und die Münze reinstecken und die ganze Nacht drinlassen, und am nächsten Morgen wär kein Messing mehr zu sehn, und die Münze würd sich nicht mehr schmierig anfühlen, und jeder im Dorf würd sie sofort nehmen, und ein Haarknäuel natürlich sowieso. Dass ne Kartoffel so wirkt, wusste ich schon, ich hatt’s aber vergessen.

      Jim legte den Vierteldollar unter das Haarknäuel, kniete hin und horchte wieder. Diesmal, sagte er, stimmt alles beim Haarknäuel, und wenn ich wollt, würd es mir mein ganzes Schicksal weissagen. Dann mal los, sag ich. Und da hat das Haarknäuel zu Jim gesprochen, und Jim hat es mir erzählt:

      »Dein alter Vadder weiß noch net, was er mache will. Manchmal sagt er, er will weg, und dann widder sagt er, er will bleibn. ’s Beste is, abwartn un den Alte sein eignen Weg gehn lassen. Da sin zwei Engel, die über ihm rumschwebn. Einer davo is weiß un glitzrig, un dr ander is schwarz. Dr weiße kriegt ihn auffen rechtn Weg, ne kurze Weil, un dann segelt dr schwarze an un macht alls kaputt, ’s kann keiner noch net sage, welcher ihn holt zum Schluss. Aber bei dir isses gut. Du wirst ne Menge Ärger ham in deim Lebn, un ne Menge Freude. Manchmal wirste verletzt sein, un manchmal wirste krank sein, aber jedesmal wirste widder heil. Da sin zwei Mädle um dich rum in deim Lebn. Die eine is hell, un die ander is dunkel. Eine is reich, und die ander is ahm. Zuerst wirste die Ahme heiraten, un nacher die Reiche. Un du möchst vom Wasser wegbleim, soviel du kannst, un geh kein Wagnis net ein, von wegen weil’s innen Gesetzen steht, dass de sonst wirst aufghängt wern.«

      Als ich am Abend meine Kerze angezündet habe und in mein Zimmer rauf bin, saß da Pap höchstselbst.

      Kapitel 5

      Pap fängt ein neues Leben an

      Ich hatte die Tür zugemacht. Dann hab ich mich umgedreht, und da saß er. Ich hab immer Angst vor ihm gehabt, er hat mich so oft durchgebleut. Ich glaub, ich hatt auch diesmal Angst; aber schon bald hab ich gemerkt, dass ich mich getäuscht hatte. Das heißt, nach dem ersten Schock sozusagen, wo mir fast die Luft weggeblieben ist, wie er so unerwartet dasaß; aber dann hab ich im Nu gemerkt, dass ich meine Angst vor ihm glatt vergessen konnte.

      Er war an die fünfzig, und man sah’s ihm an. Sein Haar war lang und wirr und schmierig und hing runter, und seine Augen funkelten wie hinter Kletterranken vor. Es war ganz schwarz, kein bisschen Grau drin; und so war auch sein langer Zottelbart. Keine Farbe war in seinem Gesicht, wo sein Gesicht noch zu sehn war; es war weiß; kein Weiß wie bei andern Leuten, sondern ein Weiß, dass es einem schlecht davon wurde, ein Weiß, dass es einem kalt übern Rücken lief – ein Baumkrötenweiß, ein Fischbauchweiß. Und seine Kleider – Lumpen, sonst nichts. Den einen Fuß hatte er aufs Knie vom andern gelegt; der Stiefel war an diesem Fuß vorn aufgeplatzt, und zwei Zehen haben sich durchgebohrt, die er ab und zu bewegte. Sein Hut lag auf dem Boden; ein alter schwarzer Schlapphut, oben eingedellt wie ein Topfdeckel.

      Ich stand da und sah ihn an; er saß da und sah mich an, den Stuhl ein bisschen nach hinten gekippt. Ich stellte die Kerze ab. Ich sah, dass das Fenster auf war; er war also übern Schuppen reingekommen. Von oben bis unten hat er mich angestiert. Nach ner Weile sagt er:

      »Noble Kleider – soso. Denkst wohl, du bist schon bald ’n hohes Tier – was?«

      »Vielleicht, vielleicht auch nicht«, sag ich.

      »Werd mir ja nich frech!«, sagt er. »Tust ganz schön vornehm, seit ich weg bin. Ich werd dir nen Dämpfer aufsetzen, eh wir miteinander fertig sind. Und zum Unterricht gehste auch, sagen se; kannst lesen und schreiben. Bildest dir wohl ein, du bist jetzt was Bessres als dein Vadder, weil der’s nich kann, was?