Das war sehr deutlich und drastisch gesagt, und man schien froh zu sein, sich einmal wieder abfällig über diese Sonja Keller äußern zu können, da brauchte Hanno zu seiner Erleichterung gar nicht viel zu erklären.
»Jedenfalls hat Robert gezahlt, bis das Kind geboren war. Sie wollte es ja angeblich haben, aber dann hat er es sich angeschaut und festgestellt, daß da eine andere Rasse mitmischt… und einen Anwalt eingeschaltet.«
»Wir hätten ja nichts gegen ein Kind gehabt, nachdem Robert uns so tragisch genommen wurde«, sagte Frau von Guttrom leise, »aber es hätte schon sein Fleisch und Blut sein müssen.«
Sie redeten wenigstens nicht so wie Vater, dachte Hanno, und Robert war ganz sicher ein Filou gewesen, in bezug auf Frauen wohl noch leichtsinniger als Leon. Die Tochter hatte einen Bürgerlichen geheiratet, da war auch kein großes Theater gemacht worden. Und nun hatten sie zwei Enkel, wie Hanno auch erfuhr.
Hanno brauchte es nicht zu bereuen, diesen Besuch gemacht zu haben. Nun wußte er doch wenigstens einiges mehr, wenn auch jene anderen Männer, die Sonja auch noch geschröpft hatte, unerwähnt blieben. Es erleichterte Hanno aber ungemein, daß der Vater des Jungen mit Sicherheit ein Ausländer war. Er wollte jetzt noch in Erfahrung bringen, ob er tatsächlich Leon getauft worden war.
Am nächsten Tag schon erfuhr er, daß auch dies nicht stimmte. Die Geburtsurkunde lautete auf den Namen Juan Keller, und der Vater war nicht angegeben.
Erst als er auch dies wußte, sprach er mit seinem Vater. »Ganz schön frech von dieser Person«, sagte er ruhig. »Und dann auch noch Cordula da hineinziehen zu wollen. Aber sie muß ihr eine gewaltige Abfuhr erteilt haben.«
»Eine sehr energische Frau, das hätte Leon eigentlich guttun müssen, wenn er einsichtig gewesen wäre«, sagte Johann tonlos.
»Jedenfalls haben sich die Guttroms solidarisch mit ihrem Sohn erklärt«, bemerkte Hanno beiläufig. »Sie hätten das Kind sogar zu sich genommen, wenn Robert der Vater gewesen wäre.«
»Ich habe einen anderen Stil.«
»Es muß nicht der richtige sein, Vater. Ich war gestern bei Hans Mohl. Nora war bei ihm. Sie ist
ein bildhübsches, hochintelligentes Kind, ein Sonnenschein, ein richtiger kleiner Botticelli-Engel dem Aussehen nach, Sie läßt sehr kluge Sprüche los.«
»Ein vierjähriges Kind? Übertreib doch nicht!«
»Ich übertreibe nicht. Sie hat gefragt, wie man böse auf einen Menschen sein kann, den man gar nicht kennt, und sie möchte dich gern kennenlernen, um festzustellen, ob sie dich böse findet und du nichts mit ihr zu tun haben willst. Dafür möchte sie dann eine Begründung haben.«
»Das hast du dir doch ausgedacht, um mich weich zu machen«, sagte Johann heiser.
»Ich habe auch gestaunt über sie, aber sie ist ein aufrichtiges Kind. Sie sagt, was sie denkt, und ich finde das wunderbar. Sie hat mich richtig verblüfft.«
»Aber sie hat mit dir geredet.«
»Ja, natürlich! Sie hat festgestellt, daß ich ihr gefalle, und das hat mich glücklich gemacht. Was du auch weiterhin denken und tun magst lasse es mir nicht nehmen, mich weiterhin um die Zuneigung dieses Kindes zu bemühen.«
»Und um die ihrer Mutter, nicht wahr? Ich weiß doch, daß du begeistert von ihr warst. Leon hat es ja lautstark verkündet, daß du deswegen gegen ihn gehetzt hast.«
»Das ist absolut lächerlich. Ich habe lediglich zu Mama gesagt, daß er um diese Frau zu beneiden sei. Aber wir brauchen über Cordula nicht zu diskutieren, sie will von dem Namen Ahlen nichts wissen. Sie braucht ihn nicht. Sie ist als Cordula Mohl erfolgreich.«
»Hast du mir noch mehr vorzuwerfen?« fragte sein Vater zornig.
»Ich werfe dir nichts vor. Ich habe dir erklärt, was ich in Erfahrung gebracht habe, wie du es ja auch von mir verlangt hast. Wenn du noch mehr wissen willst, mußt du dich selbst bemühen. Wie sich meine Beziehungen zu meiner Nichte künftig gestalten, darüber werde ich dir keine Rechenschaft ablegen.«
»Ich will davon auch nichts wissen.«
»Ich muß jetzt nur daran denken, welch unsägliche Freude Mama an diesem wonnigen Kind gehabt hätte. Aber du hast ihr ja wirklich nichts gegönnt.«
Johann wandte sich ab. »Ist es etwa das, was Leons Frau mir vorwerfen will, was er ihr eingeflüstert hat? Nun, mein Sohn, dann will ich dir etwas sagen: Deine Mutter hat mir immer wieder gesagt, daß sie mich haßt, daß sie mich unter Zwang geheiratet hat und ihre Liebe auf immer und ewig einem anderen Mann gehören würde. Nach außen hin war sie die sanfte, nachgiebige Frau, mir gegenüber jedoch war sie voller Feindseligkeit. Du kannst es mir glauben oder nicht, aber du kannst die Beweise in ihrem Nachlaß finden. Ich weiß nicht einmal, ob Leon wirklich mein Sohn war.«
Eiskalt wurde es Hanno, alles Blut war aus seinem Gesicht gewichen. Aber er wußte, daß sein Vater so etwas niemals sagen würde, wenn es nicht der Wahrheit entspräche, denn dies auszusprechen, war allein schon eine Demütigung für ihn selbst.
»Ich kann es verstehen, wenn du es nicht glaubst, Hanno«, fuhr der Baron nun fort. »Es steht eine Truhe im Schrankzimmer, in der du alles an Beweisen findest.«
»Ich bin erschüttert, Vater«, murmelte Hanno heiser.
Johann drehte ihm immer noch den Rücken zu. »Versteh mich nicht falsch, Hanno, betteln um Verständnis habe ich nicht gelernt, aber ich habe nur einen Sohn, und ich bitte dich, mich jetzt nicht im Stich zu lassen.«
›Ich bitte dich‹, hatte er gesagt. Hanno wurde die Kehle eng, als sein Vater sich jetzt umdrehte und er in dieses veränderte Gesicht blickte.
»Ich bleibe, Vater«, sagte er. »Wir werden einmal über alle Probleme sprechen. Ich muß jetzt auch nachdenken.«
»Das brauchst du nicht. Ich wollte deine Mutter in deinen Augen nicht herabsetzen. Ich wollte dir nur erklären, warum ich so geworden bin.«
»Hätte es aber nicht einen anderen Weg gegeben, es mir verständlich zu machen? Ein Gespräch von Mann zu Mann?«
»Ich hatte es vor, aber dann kam alles Schlag auf Schlag: Diese Sonja Keller, dann der Generalangriff von Cordula, deine Vorwürfe, deine Drohung, eigene Wege zu gehen. Es war ein bißchen viel auf einmal, und ich habe auch über die Vergangenheit nachgedacht.«
»Jedenfalls werde ich bleiben, und wir werden schon eine Basis finden, auf der wir uns verständigen können«, sagte Hanno versöhnlich.
*
Die Truhe im Schrankzimmer… sie ging ihm nicht aus dem Sinn. Leon hatte einmal versucht, sie zu öffnen. Da hatte Hanno seine Mutter zum erstenmal aufgebracht gegen ihn gesehen, zu dem sie sonst doch immer nachsichtig war.
Und Leon hatte auch noch frech gefragt, ob da der Teufel drinsitzen würde, vor dem sie Angst hätte.
Aber sie hatte ihn dann unter vier Augen ins Gebet genommen, und nie mehr hatte er es gewagt, nochmals an diese Truhe zu gehen.
Hanno war das alles ziemlich gleichgültig gewesen. Er war nicht neugierig, und er fürchtete sich auch nicht. Es gab genug Truhen im Haus, in denen alles mögliche aufbewahrt wurde. Wäsche, alte Kleidung, auch wertvolle Gegenstände, die geschont werden sollten. Hanno hatte seine Zimmer so schlicht wie nur möglich eingerichtet, nachdem es einmal einen gewaltigen Krach gegeben hatte, weil ein paar wertvolle Leuchter und Gläser verschwunden waren. Er hatte gewußt, daß Leon sie beiseite geschafft und wohl auch verkauft hatte, aber er hatte nichts gesagt. Leon hatte es erst eingestanden, als eine langjährige Hausangestellte, die beschuldigt worden war, auf einer polizeilichen Untersuchung bestand.
Ja, Hanno wußte um so manchen Streich, den Leon seinem Vater gespielt hatte. Doch darüber wollte er jetzt wirklich