Die Totenbändiger - Äquinoktium - Die gesamte erste Staffel. Nadine Erdmann

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Название Die Totenbändiger - Äquinoktium - Die gesamte erste Staffel
Автор произведения Nadine Erdmann
Жанр Языкознание
Серия Die Totenbändiger - Die gesamte Staffel
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783958344105



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schwang sich den Rucksack über und zog Taschenlampe und Auraglue von seinem Gürtel. »Ich versuche, den dritten mit M-Licht von euch fernzuhalten, während ihr die ersten beiden ausschaltet. Sind sie schon zu stark, bändige ich ihn mit Auraglue und ihr könnt dann entscheiden, ob ihr ihn eliminiert oder ob wir ihn in eine Silberbox sperren. Einverstanden?«

      Sky nickte. »Klingt nach einem guten Plan.«

      »Passt auf euch auf«, gab Thaddeus ihnen mit.

      Gabriel grinste. »Machen wir doch immer.«

      Dann traten sie gemeinsam über die Eisenkette. Bis zu den Müllcontainern waren es nur drei Meter, doch sie spürten bei jedem Schritt, wie die laue Spätsommerwärme des Abends hinter ihnen zurückblieb. Es wurde eiskalt und ihr Atem kondensierte zu feinen Nebelwolken. Frost hatte sich über Boden und Wände gezogen und Eiskristalle glitzerten in den Lichtkegeln ihrer Taschenlampen. Selbst die Pfütze aus warmem Blut hatte an den Rändern zu frieren begonnen.

      Ohne sich absprechen zu müssen, schalteten die drei ihre Lampen aus.

      Ein matter Schimmer hing in der Luft.

      Mindestens einer der Geister hatte sich also schon vom Geisterhauch in einen Schemen verwandelt.

      Sie umrundeten die Container und sahen die drei Leichen auf dem Boden. Es war bereits zu dunkel, um mehr als ihre Umrisse ausmachen zu können, dafür waren die feinen Nebelgespinste, die gräulich über den Körpern schwebten, aber umso besser zu erkennen.

      Geister labten sich an der Restwärme ihrer Leichen, bis nichts mehr übrig war. Diese Energie machte aus dem eisigen Geisterhauch einen Schemen, der stark genug war, sich weitere Opfer zu suchen, denen er Lebensenergie rauben konnte. Je mehr dieser Energie er in sich aufnahm, desto mehr Substanz gewann er und desto stärker, schneller und gefährlicher wurde er.

      Die feinen Gespinste spürten sofort, dass sich ihnen Lebende mit frischer Energie näherten. Doch sie fühlten auch das Silber, das Connor bei sich trug.

      Gabriel stieß ihm gegen den Arm. »Bleib zurück. Ich nehme den linken, du hältst den in der Mitte in Schach, und Sky, du kümmerst dich um den rechten.«

      »Alles klar.« Connor blieb stehen und schob den Regler seiner Taschenlampe auf Magnesiumlicht, schaltete sie aber noch nicht ein. Mit etwas Glück blieb der Schemen bei seiner Leiche, wenn die ihm noch genügend Restenergie lieferte. Sky oder Gabriel konnte das Biest dann ausschalten, sobald sie die anderen beiden erledigt hatten.

      Neben ihm ging Sky auf die rechte Leiche zu und streckte ihre Hand nach dem Schemen aus. »Na komm. Komm zu Mama«, lockte sie. »Ich hab hier was ganz Leckeres für dich.«

      Sie fühlte in sich hinein, spürte ihre Lebensenergie und bündelte ein winziges bisschen davon. Dann schickte sie sie durch ihre Hand in Richtung des Schemens. Feiner Silbernebel löste sich aus ihren Fingern und schlängelte zum Geist. Der reagierte sofort und schickte seinerseits gräuliche Nebelfäden zu Sky.

      Genau darauf hatte sie gebaut.

      Sie ließ die Verbindung zu und spürte, wie der Geist augenblicklich gierig nach ihrem Leben griff. Doch noch war er schwach und Sky hatte jede Menge Übung im Umgang mit hungrigen Geistern. Sie packte mit ihrer Energie nach der des Schemens und zerrte ihn zu sich. Ihr Silbernebel zog sich zurück in ihre Hand und sie spürte die eisige Kälte der Todesenergie, als die grauen Geisterfäden ihre Fingerspitzen berührten.

      Sofort wollte ihr Instinkt die Verbindung abwehren, wollte, dass sie sich zurückzog. Doch Sky überwand den Impuls. Sie konzentrierte sich noch stärker auf die finstere Energie, sog sie in sich, umhüllte sie mit ihrem silbernen Leben und neutralisierte so den Geist.

      Kälte blieb in ihr zurück. Übelkeit und ein widerlicher Geschmack in ihrem Mund. Bitter und faulig.

      Sie atmete tief durch.

      »Alles okay?«

      Connor.

      Sie schenkte ihm ein kurzes versicherndes Lächeln, dann wandte sie sich der Leiche zu, die er in Schach gehalten hatte.

      Der Schemen waberte noch immer über dem toten Körper. Noch schien dieser ihm genügend Restwärme zu spenden, um attraktiv zu sein. Doch als Sky dem Geist einen Hauch ihrer lebendigen Energie anbot, griff er sofort raffgierig zu.

      Wieder packte Sky nach der Todesenergie und auch der zweite Geist war noch zu schwach, um sich zu wehren. Sie zog ihn in sich und neutralisierte ihn.

      Mehr eisige Kälte.

      Mehr Übelkeit.

      Und der widerliche Geschmack in ihrem Mund ließ sie ausspucken. Ihr Magen fühlte sich flau an und sie wusste einmal mehr, warum sie immer erst nach ihrer Schicht etwas aß.

      Gabriel hatte seinen Geist ebenfalls eliminiert und eine Flasche Cola entgegengenommen, die Connor ihm aus ihrem Rucksack reichte.

      »Geistersäuberung erledigt, würde ich sagen.« Er nahm einen großen Schluck, hielt dann seiner Schwester die Flasche hin und kramte ein Päckchen Kaugummi aus einer kleinen Tasche seines Ausrüstungsgürtels. Kaugummi gehörte zwar nicht zur offiziellen Polizeiausstattung, half aber ungemein, den ekelhaften Geschmack von Tod wieder loszuwerden.

      »Schauen wir mal, was hier passiert ist.« Gabriel schaltete seine Taschenlampe an und ließ das Licht über die drei Leichen wandern. »Wow. Immer wenn ich denke, ich hab schon alles gesehen, kommt doch wieder ein Tatort mit neuem krassem Scheiß daher.«

      Die Körper der drei Toten wirkten wie aufgerissen. Die Haut von Brust und Abdomen war zerfetzt, Innereien quollen hervor und es sah so aus, als hätte jemand darin herumgewühlt.

      Doch das war nicht das Schlimmste.

      Die Schädel waren zertrümmert.

      »Shit«, fluchte Connor. »Seht ihr, was ich sehe?«

      Sky und Gabriel nickten knapp.

      Die Gehirne fehlten.

      »Thad!«, rief Sky zum Ausgang der Gasse. »Der Tatort ist gesäubert! Die Geister sind eliminiert. Aber lass hier sofort alles abriegeln und schick die verdammten Gaffer weg! Der Angreifer war ein Wiedergänger!«

      Grimmig fuhr Dutch sich durch ihre kurzen braunen Locken, als sie die drei Leichen zum ersten Mal genauer in Augenschein nahm.

      »Sie haben recht«, stimmte sie Sky zu. »Das sieht tatsächlich nach der Tat eines Wiedergängers aus.«

      Sky nickte. »Vermutlich ein ganz frischer. Deshalb ist er so hungrig. Er muss seinen Körper noch festigen.«

      Wiedergänger entstanden, wenn Geister so viel Lebensenergie in sich aufgenommen hatten, dass aus ihrem Astralkörper wieder eine feste Gestalt wurde. Um diesen festen Körper dauerhaft zu behalten, reichte es Wiedergängern nicht, sich nur von der Lebensenergie der Menschen zu ernähren. Sie mussten außerdem ihre Organe fressen, was sie zu äußerst blutrünstigen Killern machte.

      Zum Glück waren Wiedergänger eher selten. Sie entstanden nur aus sehr alten, sehr mächtigen Geistern, die über Jahre an Substanz gewonnen hatten. Da sie dafür viel Lebensenergie brauchten und deshalb entsprechend viele Menschen angriffen, wurde man meistens auf sie aufmerksam, bevor sie zu Wiedergängern wurden, und Spuks konnten sie vernichten. Ein Unheiliges Jahr begünstigte die Mutationen allerdings und ließ Geister schneller zu Wiedergängern werden.

      »Das wäre dann Nummer acht seit Jahresbeginn«, grollte Thaddeus. »Und zwar alleine hier bei uns im Norden Londons.«

      »Und die dunkle Zeit des Jahres kommt erst noch.« Najafi seufzte und blickte zu Sky und Gabriel. »Ich weiß, Islington ist nicht Ihr Revier, aber wir wären Ihnen sehr dankbar, wenn Sie trotzdem nach dieser Bestie suchen würden.«